Jamal Musiala und Florian Wirtz begeistern gemeinsam im Nationaltrikot. Der FC Bayern muss alles daransetzen, dass beide in München eine Ära prägen.
Die Aufregung rund um das Ende der Transferperiode hat sich gelegt.
Bisher ist es nur eine kühne Idee. Eine komplizierte oben drein. Aber wer die Ansprüche des FC Bayern kennt, der weiß, dass es der Club versuchen wird – nein – sogar versuchen muss die beiden aktuellen deutschen Ausnahmespieler
Erinnerung an Robbery
Es kommt selten vor, dass der deutsche Fußball zwei so herausragende Einzelspieler in einer Generation herausgebracht hat. Lahm und Schweinsteiger fallen einem ein.
Weil sie mit 21 Jahren schon unglaublich weit sind. Weil sie Dinge können, die es im deutschen Fußball nur selten gab. Eine einzigartige Ballbehandlung auf engstem Raum. Dribblings, Risikobereitschaft, Tempo, Kreativität.
Es gab beim FC Bayern schonmal so ein Duo, dass den FC Bayern 2013 in den Fußballolymp hievte;
Aber beide fühlen sich auch in engen Räumen zwischen vielbeinigen Abwehrreihen wahnsinnig wohl. Schon bei der EM deuteten beide an, wie gefährlich sie zusammen sein können. Gegen Ungarn und die Niederlande setzte sich das über weite Strecken fort.
Beide können zusammen eine Seite überladen
Beide können außen auf dem Flügel agieren und damit jeden Gegner ständig unter Stress setzen, weil ein Doppeln auf der einen Seite immer auch Räume auf der anderen Seite öffnet. Beide können zusammen im Halbraum agieren und dort im Klein-Klein oder mit schnellen Drehungen das Spiel plötzlich verändern.
Oder – und das ist besonders spannend – beide können situativ zusammen eine Seite überladen und so die Defensive völlig überfordern, weil beide im Zusammenspiel kaum zu stoppen sind.
Wirtz wirkt im Jahr 2024 etwas konstanter als Musiala, der immer noch zu oft im Strafraum die falsche Entscheidung trifft oder mal einen Haken zu viel schlägt, wie vor dem 2:2 gegen die Niederlande, als er den Ball 18 Meter vor dem eigenen Tor im Dribbling verlor. Wirtz taucht dafür immer mal wieder für ein paar Minuten ab und nimmt sich eine Auszeit – auch wenn das zuletzt immer weniger vorkam.
Auch der Umgang mit Frust ist bei Musiala manchmal ein Thema innerhalb eines Spiels. All das wird sich mit der Erfahrung legen. Eigentlich können nur Verletzungen eine große Karriere der beiden Offensivstars verhindern. Wirtz hatte bereits einen Kreuzbandriss. Musiala war im Vorjahr lange angeschlagen und ist häufig nur durch harte Fouls zu stoppen. Das ist natürlich ein Risiko. Aber damit kann man nicht planen.
Wechsel nach München kein Automatismus mehr
Es gibt in der Geschichte kaum einen großen deutschen Spieler, der in seiner Karriere nicht irgendwann im Trikot des FC Bayern landete. Beckenbauer, Gerd Müller, Matthäus, Kahn, Klinsmann, Neuer, Kroos, Lahm, Thomas Müller – die Liste ist nicht vollständig.
Es ist immer der Anspruch des FC Bayern gewesen, dass die besten deutschen Spieler in München spielen – auch wenn das heute längst kein Automatismus mehr ist. Für den FC Bayern stellt sich nun die große Frage, wie es gelingen kann, beide in München zu vereinen. Einfach wird das nicht.
Die Münchner stehen vor zwei Herausforderungen. Die erste ist die Vertragsverlängerung mit Jamal Musiala. Der gebürtige Stuttgarter hat noch Vertrag bis 2026. Die Arbeit an einer Vertragsverlängerung genießt zu Recht Priorität. Musiala ist jedoch international begehrt. Er dürfte überhaupt keine Berührungsängste mit einem Wechsel ins Ausland haben, weil er oft betont, wie sehr ihn seine Kindheit in England geprägt hat.
Bayern muss schon hier an seine finanzielle Schmerzgrenze gehen und gleichzeitig aufzeigen, dass der Verein eine Idee hat, wie Musiala auch in München dauerhaft international immer um den Champions League-Titel mitspielen kann. Auch hier könnte Wirtz ins Spiel kommen. Zusammen mit dem ebenfalls immer stärker werdenden Alexander Pavlovic (20) könnte ein deutsches Dreieck in München und der Nationalmannschaft eine Ära prägen. Eine reizvolle Vorstellung, mit der man werben kann.
Lesen Sie auch
Verpflichtung von Wirtz wäre finanzieller Kraftakt
Doch auch die Personalie Wirtz ist alles andere als einfach. Die Zeiten, in denen der FC Bayern zumindest in Deutschland bekommt, wen er möchte, sind seit mindestens 10 Jahren vorbei. Damals setzten die Münchner mit der Verpflichtung von Mario Götze und wenig später auch Robert Lewandowski aus Dortmund das letzte ganz große Zeichen auf dem deutschen Markt.
Bei beiden war nicht zuletzt Trainer Pep Guardiola ein entscheidendes Argument. Auch diese Faktoren müssen die Münchner mitbedenken. Ständige Trainerwechsel und Vorstandshickhack wie in den vergangenen Jahren schaffen sicher kein Vertrauen.
Wirtz hat sich mit seinem Vertrag bis 2027 zunächst langfristig zu Bayer Leverkusen bekannt. Aktuell spielt er – auch wenn das jedem Bayern-Fan weh tut - in der besten Mannschaft der Bundesliga. Eine feste Ablösesumme gibt es offenbar nicht. Die 100 Millionen Euro Ablöse für Harry Kane würden es mindestens sein müssen. Dazu käme ein Spitzengehalt.
Es geht um ein attraktives Gesamtpaket
Das wäre zusammen mit der Verlängerung von Musiala ein riesiges Paket, das auch der FC Bayern wohl nur alle 10 Jahre stemmen kann. Eine ganze Reihe von anderen Entscheidungen hängt eng damit zusammen. Eine Vertragsverlängerung von Leroy Sané etwa, die ebenfalls viel Geld binden würde.
Umso wichtiger ist, dass beim FC Bayern aus der Idee "Wirtziala" schnell eine echte Mission wird, der man viele andere Planungen und Entscheidungen unterordnen muss. Es geht um ein attraktives Gesamtpaket. Sportlich, finanziell, personell. Und um ein Gespür dafür, was Wirtz braucht, um sich in München wohlzufühlen. Daran muss gearbeitet werden.
Klar ist: Blickt man beim FC Bayern in zehn Jahren zurück und stellt fest, dass dieses deutsche Ausnahmeduo seine besten Jahre woanders verbracht hat, wird man einer großen Chance nachtrauern. Im Poker muss der Moment für das All-in wohlüberlegt sein. Es spricht alles dafür, dass dieser Moment 2025 oder spätestens 2026 gekommen ist.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.