• Manuel Neuer fällt mit einer schweren Verletzung für die komplette Rückrunde aus und bringt den FC Bayern unter Zugzwang.
  • Ein Wintertransfer auf der Torwartposition wird wahrscheinlicher. Neben Alexander Nübel gibt es weitere spannende Kandidaten.
  • Traut sich der FC Bayern zum Wohle des Erfolgs den unbequemen Weg zu gehen?
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Steffen Meyer dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Es war richtig, dass sich die Führungsmannschaft des FC Bayern nach der schweren Schienbeinverletzung inklusive Saisonaus für Manuel Neuer öffentlich mit großer Unterstützung hinter ihren Stammtorwart und Kapitän gestellt hat. „Wir werden ihm zur Seite stehen und ihn auf seinem Weg zu seinem Comeback begleiten. Er wird auch diese schwere Verletzung meistern und so stark wie zuvor auf den Platz zurückkehren”, sagte Vorstandschef Oliver Kahn in einer ersten Reaktion.

Mehr News zum FC Bayern München

Das ist die richtige Botschaft, um dem verdienten Neuer in dieser schwierigen Phase den Rücken zu stärken. Doch spätestens in der besinnlichen Weihnachtszeit sollten die Münchner in sich gehen, eine rationale Entscheidung treffen und alles dafür tun, einen neuen starken Torwart für die Rückrunde zu verpflichten. Denn der FC Bayern muss jetzt vor allem an sich denken.

Die Nachricht klang wie der absurde Höhepunkt von drei ohnehin schon außergewöhnlich schlechten WM-Wochen für die Spieler des FC Bayern München. Sadio Mané? Verletzt. Lucas Hernández? Verletzt. Noussair Mazraoui? Beteiligt am marokkanischen WM-Wunder, aber auch verletzt. Die deutschen Nationalspieler um Musiala, Müller, Kimmich und Co.? Sang- und klanglos ausgeschieden. Benjamin Pavard? Bei Frankreich auf dem Abstellgleis.

Und dann das. Manuel Neuer fällt für den Rest der Saison aus. Durch eine schwere Verletzung beim Skitourengehen. Ein Begriff, den viele Deutsche, die außerhalb von Skigebieten wohnen, vermutlich erstmal googeln mussten, um die Absurdität dieser Nachricht vollends zu begreifen.

Auch Neuer nicht mehr über jeden Zweifel erhaben

Für Neuer persönlich ist die Verletzung nicht nur schmerzhaft, sondern nach dem peinlichen WM-Vorrundenaus der deutschen Nationalmannschaft auch ein persönlich bitterer Moment. Für den FC Bayern ist die Nachricht sportlich ein klarer Rückschlag, der die Saisonziele gefährdet. So klar muss man es sehen.

Mit Sven Ulreich hat der FC Bayern einen ordentlichen, zudem sehr beliebten Ersatztorwart, dem in den vergangenen Jahren wenig vorzuwerfen ist. Fehlte Neuer, war er zur Stelle und machte nur wenige Fehler. Er geht weniger Risiko als Neuer. Herausragende Paraden oder Spiele, die er im Alleingang gewonnen hat, sind eher nicht in Erinnerung geblieben.

Es gibt eine größer werdende Gruppe auch unter Bayern-Fans, die auch Manuel Neuers Leistungen seit einigen Jahren zunehmend kritisch sieht. Auch das unglückliche Agieren bei den Gegentoren bei der WM hat dazu beigetragen, als Neuer gegen Japan, Spanien und Costa Rica zum wiederholten Male leichte Schwächen mit einer zu tiefen Torwartposition und fehlender Konsequenz im Fünfmeterraum offenbarte. Das alles hat natürlich mit der riesigen Fallhöhe zu tun, die Neuer durch spektakuläre Paraden, herausragende Reflexe und waghalsige Ausflüge selbst mit aufgebaut hat.

Trotz Schwächen ist Neuer ein besserer Torwart als Ulreich

Gewisse Abnutzungserscheinungen sind nach 16 Jahren Profifußball und nicht gerade wenigen Verletzungen auch normal. Neuers Mythos ist inzwischen größer als seine alltäglichen Leistungen auf dem Platz. Das ist mit 36 Jahren in Ordnung. Das ist völlig normal. Trotzdem ist er ein deutlich besserer, kompletterer Torwart als Sven Ulreich.

Das gilt vor allem für Neuers Fähigkeiten mit dem Ball und beim Herauslaufen. Neuer fängt bis heute so viele Ecken ab, dass man seinen außergewöhnlichen Mut und sein bei weiten Bällen gutes Timing gar nicht mehr wirklich wahrnimmt. Es ist einfach Teil seines Spiels. Das gleiche gilt für seine Fähigkeit als vollwertiges, häufig beidfüßig agierendes Mitglied des Münchner Spielaufbaus.

Neuer ist eine Waffe gegen die besten Pressingteams der Welt. Weil er den Ball nur im Notfall lang schlägt und selbst unter hohem Druck eine konstruktive Spieleinleitung ermöglicht. Ulreich ist nicht schlecht mit dem Fuß, aber es ist zu spüren, dass die Mannschaft nicht das gleiche Vertrauen in ihn hat wie in Neuer. Das erschwert schon gegen Hoffenheim und Pilsen manches. Gegen PSG oder Liverpool wird es das erst recht.

Weltklasse-Torhüter sind kaum zu bekommen

Die Torhüter der letzten Champions-League-Sieger heißen Courtois, Mendy, Neuer, Alisson, Navas. Allesamt im jeweiligen Jahr absolute Weltklasse-Torhüter. Das ist kein Zufall. Wer die Champions League gewinnen will, braucht einen der besten Torhüter der Welt. Das ist Ulreich nicht. Das kann man aussprechen, ohne ihm zu nahe zu treten.

Zudem stellt sich die Frage was eigentlich passiert, wenn sich auch Ulreich in der Rückrunde verletzten sollte. Dann müsste der 19-jährige Johannes Schenk spielen. Bei allem Respekt für das Torwarttalent Schenk: Das wäre ein zu leichtsinniges Experiment.

Es braucht also für die Rückrunde einen neuen Torwart. Am besten einen, der die Mannschaft verstärkt. Als guter Torwart zwischen den Pfosten, aber vor allem im Herauslaufen und mit dem Ball am Fuß. Natürlich wäre die einfachste Lösung, einen starken Torwart für ein halbes Jahr auszuleihen und danach Neuer erneut zu integrieren.

Einen Torwart wie Keylor Navas (36), der Deutschland bei der WM phasenweise zur Verzweiflung brachte und bei PSG nur auf der Bank sitzt zum Beispiel. Nur: Warum sollte ausgerechnet Paris dem FC Bayern vor dem direkten Achtelfinalduell helfen? Gleiches gilt für Stefan Ortega (30) bei Manchester City oder Édouard Mendy beim FC Chelsea.

Nübel ist die naheliegende Option

Vielversprechender ist da die Variante Alexander Nübel (26), der ohnehin einen Vertrag mit dem FC Bayern besitzt und bei seiner Leihe zum AS Monaco große Sprünge in Sachen Zuverlässigkeit und Ausstrahlung gemacht hat. Er wäre ein gute Lösung. Auch wenn es dafür harter Verhandlungen mit Monaco bedarf. Gleiches gilt für den offenbar ohnehin immer wieder mit Wechselabsichten in Verbindung gebrachten Yann Sommer (33) von Borussia Mönchengladbach, der definitiv Bayern-Niveau hat.

Während der WM hat sich zudem Kroatiens Dominik Livakovic (27) von Dinamo Zagreb ins Rampenlicht gespielt. Er hat seine Stärken vor allem im eins gegen eins. Er wäre wohl der teuerste der diskutierten Kandidaten und ist gleichzeitig vielleicht etwas zu unorthodox in seinen Torwartbewegungen, um dauerhaft das Niveau der letzten Wochen halten zu können.

Der FC Bayern sollte an sich denken

Klar ist: Mit Namen der Kategorie Nübel, Sommer oder Livakovic würde die natürliche Rangordnung in München ab Sommer 2023 in Frage gestellt werden. Neuer wäre, wenn er fit ist, weiter die klare Nummer eins, aber er hätte Torhüter an seiner Seite, die mehr sind als reine Notfalllösungen. Das würde neue Brisanz mit sich bringen.

Doch was wäre daran schlecht? Die jetzige Situation hat schließlich auch damit zu tun, dass es der FC Bayern verpasst hat, neben dem älter werdenden Neuer einen herausragenden Torwart in München aufzubauen und mit einer glasklaren Nummer zwei eher auf Harmonie gesetzt hat. Das rächt sich nun.

Der FC Bayern sollte daraus lernen und in der jetzigen Lage vor allem an sich denken. Die Mannschaft hat die Qualität, um 2023 in allen Wettbewerben weit zu kommen. Das sollte nicht durch falsch verstandene Loyalität gefährdet werden. Der FC Bayern sollte für die Rückrunde die bestmögliche Lösung im Tor verfolgen. Nicht die einfachste oder bequemste.

Peles Gesundheitszustand "verbessert sich weiter"

Fußball-Legende Pele befindet sich nach einer Atemwegsinfektion offenbar weiterhin auf dem Weg der Besserung. Dies teilten die behandelnden Ärzte des 82-Jährigen mit. Von einer Entlassung aus dem Albert-Einstein-Krankenhaus in Sao Paulo, wo der dreimalige Weltmeister seit zwei Wochen stationiert ist, könne aber weiter keine Rede sein.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.