Bayer-04-Geschäftsführer Fernando Carro wagte eine Attacke auf Max Eberl – und musste keine 24 Stunden später zurückrudern und sich beim Sportvorstand des FC Bayern entschuldigen. Das hätte Uli Hoeneß umgekehrt nie getan.

Pit Gottschalk
Eine Kolumne
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Ein bisschen jämmerlich war es schon, dass Fernando Carro am nächsten Tag kalte Füße bekam. In aller Form entschuldigte sich der Geschäftsführer von Bayer Leverkusen für die Worte, die er Richtung Bayern-Sportvorstand Max Eberl geschickt hatte. Man muss hinzufügen: leider.

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Bei einem Fantreffen hatte Carro noch ganz anders geklungen. Er sagte über Eberl: "Also, ich halte von Max Eberl nichts, absolut nichts. Und ich würde nicht mit ihm verhandeln."

Auslöser war offenbar der geplatzte Transfer von Innenverteidiger Jonathan Tah zu den Bayern. Angeblich seien die Wechselbedingungen ausverhandelt gewesen. Vorige Woche machten die Bayern aber einen Rückzieher. Carro nahm kein Blatt vor den Mund und äußerte seine Enttäuschung darüber in großer Runde.

Hoeneß wäre das nicht passiert

Jetzt wundert er sich, dass sein Wutanfall öffentlich geworden ist. Das kapiere, wer will. Entweder ist Carro so naiv zu glauben, dass kein Reporter Wind von seiner Attacke auf Eberl bekommt. Oder er unterschätzt als Geschäftsführer, was er sagt, und hat sich nicht im Griff. Beides wirft kein gutes Licht auf ihn.

Carro gilt als Baumeister des neuen Deutschen Meisters und Pokalsiegers. Dass er mit Sportchef Simon Rolfes Trainer Xabi Alonso geholt und vor allem gehalten hat, macht ihm so schnell keiner nach. Der Kader verbindet wie kein zweiter in Deutschland Erfahrung (Granit Xhaka) und Jugendlichkeit (Florian Wirtz) und blieb in der Bundesliga-Saison ungeschlagen.

Daraus darf man durchaus den Anspruch ableiten, einem Kollegen in München die Meinung zu geigen. Das tat Uli Hoeneß, als er noch Bayern-Manager war, umgekehrt genauso. Der Unterschied: Hoeneß hätte sich niemals entschuldigt, sondern seine Worte so geschossen, dass sie notfalls im Raum stehen geblieben wären.

Kniefall vor der Kritik

Fernando Carro aber zieht, wie die Fußballer sagen, den Schwanz ein und steht blamiert da: Als einer, der nicht weiß, was er sagt, oder Angst vor den Bayern hat. Moralischer Sieger dieser Petitesse ist Max Eberl: Offenbar hält Carro doch so viel von ihm, dass die Entschuldigung keine 24 Stunden später folgte.

Der Kontrahent aus Leverkusen buckelte mit den Worten: "Ich bin ein emotionaler Mensch. Die Aussagen zu Max Eberl habe ich in einem informellen Austausch mit Bayer-Fans getätigt. Dass sie in dieser Form aufgegriffen und multipliziert werden, war nicht beabsichtigt." Er sagte tatsächlich "informeller Austausch". Selten so gelacht.

Man wünscht sich ja genau das Gegenteil: Dass die Bundesliga-Bosse eben nicht mit ihrer Meinung hinterm Berg halten, sondern ihre Haltung äußern und dazu stehen. Dazu gehört auch, Gegenwind aushalten. Carro wollte das nicht. Keine Ahnung, wie er Eberl bei nächster Gelegenheit unter die Augen treten will. Aber jetzt schaut man noch genauer hin.

Über den Autor

  • Pit Gottschalk ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Chefredakteur von SPORT1. Seinen kostenlosen Fußball-Newsletter Fever Pit'ch erhalten Sie hier.
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