Nach dem viel kritisierten Saisonbeginn haben die Video-Assistenten inzwischen wieder in die Spur gefunden – auch wenn man das in Mainz und Stuttgart an diesem Spieltag bezweifelt. In Dortmund fiel die Nachspielzeit unterdessen umfangreich aus, doch das hatte gute Gründe.

Alex Feuerherdt, Schiedsrichter
Eine Kolumne

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Heftig war die Kritik an den Video-Assistenten am ersten Bundesliga-Spieltag dieser Saison. Unberechenbar hätten sie sich verhalten, hieß es bei Fans sowie bei Klub- und Medienvertretern. Allzu häufig hätten sie sich eingemischt und den Schiedsrichter auf dem Platz oft mehr geschadet als genutzt.

Der gute Eindruck, den der Videobeweis bei der Weltmeisterschaft in Russland hinterlassen habe, sei auf nationaler Ebene ganz schnell wieder zerstört worden. Jochen Drees, neuer Projektleiter für den Videobeweis beim DFB, musste sogleich in Interviews die Wogen glätten.

Sechs Spieltage ist das her. Seitdem ist die Aufregung verflogen und hat sich nicht wiederholt. Die Video-Assistenten sind zu ihrer Linie zurückgekehrt, die sie in der Rückrunde der vergangenen Saison verfolgt hatten und die auch während der WM zu beobachten war.

Das heißt: Es wird prinzipiell nur dann eingegriffen, wenn eine überprüfbare Entscheidung des Schiedsrichters auf dem Feld auf gar keinen Fall zu vertreten ist oder wenn der Referee einen spielrelevanten Vorgang überhaupt nicht wahrgenommen hat.

Das schließt nicht aus, dass sich Situationen ereignen, bei denen man lange darüber verhandeln kann, ob eine Einmischung nicht doch angesagt ist. So wie nach 43 Minuten im Spiel zwischen dem 1. FSV Mainz 05 und Hertha BSC (0:0).

"Korrektes und gewünschtes Prozedere"

Da war der Mainzer Jonathan Burkardt mit dem Ball am Fuß auf dem Weg in den Berliner Strafraum, als ihm Per Skjelbred ins Gehege kam. Dieser hielt erst ein bisschen mit dem Arm, danach kam es auf der Strafraumlinie zu einem kleinen Kontakt mit Burkardts rechtem Bein beziehungsweise Fuß.

Den Ball traf Skjelbred nicht, und der Mainzer fiel um. Schiedsrichter Daniel Schlager zeigte trotzdem sofort an, dass für ihn kein Foulspiel vorlag und es deshalb weitergeht. Der Video-Assistent hielt sich bedeckt, was viele erstaunte.

In der Tat gibt es plausible Gründe für die Meinung, dass der Körpereinsatz des Norwegers zu einem Elfmeter hätte führen müssen. Doch der Unparteiische hatte den Zweikampf aus günstiger Perspektive gesehen und beurteilt.

Projektleiter Drees erläuterte im "Kicker" den Entscheidungsprozess in Mainz: "Schiedsrichter Daniel Schlager hat die Szene live bewertet und Video-Assistent Benjamin Cortus mitgeteilt: Ich habe den Kontakt gesehen, er hat für mich nicht ausgereicht, um einen Elfmeter zu pfeifen."

Cortus habe daraufhin das Bildmaterial geprüft und nichts gefunden, was dieser Einschätzung deutlich widersprach. "Es lag also keine klare und offensichtliche Fehlentscheidung des Schiedsrichters vor, deswegen hat der Video-Assistent nicht eingegriffen", so Drees weiter. "Das ist das korrekte und gewünschte Prozedere."

Ging Augsburgs Führungstor ein Foul voraus?

Ähnlich verzwickt war die Entstehung des Augsburger Führungstreffers beim aufregenden Spiel in Dortmund, in dem der BVB mit 4:3 siegte.

Nach einem Freistoß in den Strafraum der Gastgeber lag plötzlich der Dortmunder Marco Reus am Boden, dem Augsburger Alfred Finnbogason sprang der Ball an die Hand, bevor er ihn ins Tor schob. Außerdem befand sich sein Mitspieler Martin Hinteregger im im Abseits.

Der Video-Assistent hatte also nach der Torerzielung einiges zu überprüfen. Am unkompliziertesten war dabei das Abseits von Hinteregger, das nicht strafbar war, weil er weder den Ball spielte noch einen Gegner beeinflusste.

Auch Finnbogasons Handspiel musste nicht bestraft werden, denn der Ball war dem Isländer aus ganz kurzer Distanz an den normal gehaltenen Arm gelangt.

Über den Einsatz von André Hahn gegen Reus dagegen konnte man streiten. War das noch das übliche Gerangel im Vorfeld von Spielfortsetzungen in Tornähe? Oder war es ein klares Foul des Augsburgers?

Warum die lange Nachspielzeit in Dortmund berechtigt war

Der Video-Assistent entschied sich für Ersteres. Dabei könnte es eine Rolle gespielt haben, dass der Zweikampf fernab des Balles stattfand und auf die Torerzielung letztlich keinen Einfluss hatte. Wenn man eine hohe Eingriffsschwelle richtig findet, dann war es logisch, dass es hier nicht zu einer Eimischung kam.

Debatten gab es auch über die Nachspielzeit in diesem Match, die von Schiedsrichter Markus Schmidt zunächst auf vier Minuten festgelegt worden war. Weil der Dortmunder Siegtreffer zum 4:3 durch einen direkt verwandelten Freistoß erst nach mehr als fünf Minuten fiel, mutmaßten einige eine Bevorzugung des BVB durch den Unparteiischen.

Der allerdings hatte nach 93 Minuten und 53 Sekunden für alle sichtbar einen Daumen in die Luft gehalten, um zu signalisieren, dass sich die Nachspielzeit um eine weitere Minute verlängert. Das war richtig, denn der Augsburger Torwart Andreas Luthe hatte sich bei einem Abstoß zweimal viel Zeit gelassen, nämlich 30 und 42 Sekunden.

Nach 94 Minuten und 22 Sekunden foulte Sergio Cordova den Dortmunder Achraf Hakimi – so heftig, dass es dafür die Gelbe Karte gab. Die Freistoßausführung nahm etwa eine Minute in Anspruch, doch kein Schiedsrichter auf diesem Niveau hätte sie nicht mehr zugelassen, weil die verlängerte Nachspielzeit abgelaufen war.

Der Schiedsrichter hat in dieser Situation also richtig gehandelt, was auch der Augsburger Trainer Manuel Baum so sah. Er kritisierte nicht den Referee, sondern "zwei, drei Unachtsamkeiten" seines Teams. Dazu gehöre auch das Foul von Cordova in der Nachspielzeit.


Verwendete Quellen:

  • Aktuelle Ausgabe des Magazins "Kicker"
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