Nach monatelanger Verletzungspause gibt Schiedsrichter Deniz Aytekin in Berlin sein Bundesliga-Comeback – und muss gleich einige heikle Entscheidungen treffen. Dabei liegt er aber durchweg richtig. Alles in allem wird über die Referees nach zuletzt heißen Wochen an diesem Spieltag kaum einmal debattiert.

Alex Feuerherdt, Schiedsrichter
Eine Kolumne
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Erst an diesem 25. Spieltag der Bundesliga kam Schiedsrichter Deniz Aytekin zu seiner Saisonpremiere und damit zugleich zu seinem 180. Einsatz als Unparteiischer im deutschen Fußball-Oberhaus. Eine Verletzung an der Achillessehne hatte den 42-Jährigen zuvor monatelang außer Gefecht gesetzt.

In der Partie zwischen dem 1. FC Union Berlin und dem 1. FC Köln (2:1) kehrte der von den Bundesligaprofis sehr geachtete Unparteiische nun zurück. Dabei hatte er gleich mehrere Strafraumsituationen zu beurteilen, die ein genaues Hinsehen erforderlich machten.

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Zur ersten davon kam es in der 27. Minute nach einem Eckstoß für die Hausherren, bei dem der Ball in die Strafraummitte geschlagen wurde. Außer den Kölnern Jonas Hector und Rafael Czichos stieg auch der Berliner Nico Schlotterbeck an der Grenze des Fünfmeterraums hoch – und köpfte die Kugel gegen den linken Oberarm von Czichos.

Aytekin hatte jedoch kein Handspiel wahrgenommen, weshalb ihm der Video-Assistent ein Review empfahl. Der Referee folgte diesem Rat, entschied sich nach der Begutachtung der Bilder auf dem Monitor am Spielfeldrand jedoch gegen einen Elfmeter. Ein verständliches Urteil.

Was Czichos‘ Handspiel von Wolfs Handspiel unterscheidet

Denn Czichos befand sich mit dem Rücken zu Schlotterbeck und sah den aus kürzester Entfernung geköpften Ball daher gar nicht kommen. Außerdem wurde er vom Berliner im Sprung ein bisschen gedrückt, und sein Arm war nicht unbedingt in einer Position, die für eine Sprungbewegung unnatürlich war.

In der kommenden Saison wird es bei der Bewertung von Handspielen eine noch gewichtigere Rolle spielen, ob sich die Haltung des Armes und der Hand aus einer normalen, fußballtypischen Körperbewegung ergibt oder vor allem dazu dient, sich breiter zu machen. Bei Czichos war ziemlich eindeutig Ersteres der Fall.

Anders verhielt es sich kurz nach dem Seitenwechsel. Da flankte Julian Ryerson von der linken Seite den Ball in den Strafraum der Rheinländer, und der Kölner Marius Wolf drehte sich im Moment der Hereingabe weg und zog den rechten Arm eng an den Körper.

Seinen linken Unterarm jedoch führte er waagerecht in die Flugbahn des Balles – und lenkte die Kugel damit ab. Schiedsrichter Aytekin befand sich ganz in der Nähe, hatte den Ablauf aufmerksam verfolgt und zögerte deshalb nicht mit dem Elfmeterpfiff.

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Auch der Elfmeter für die Kölner war berechtigt

An dessen Berechtigung konnte es keinen Zweifel geben, denn hier lag genau das vor, was im Regelwerk mit "Vergrößerung der Körperfläche" gemeint ist.

Schon kurz vor der Pause hatte der Unparteiische auf Strafstoß erkannt, allerdings auf der anderen Seite, also für den 1. FC Köln, und auch nicht aufgrund eines Handspiels, sondern nach einem Foul.

Dieser Elfmeter ging ebenfalls in Ordnung. Denn als Jonas Hector den Ball im Strafraum von Union an Robin Knoche vorbeilegte, stellte dieser das linke Bein heraus und traf mit seinem Schienbein das des Kölners.

Sicherlich ging dieser daraufhin recht auffällig zu Boden, trotzdem war der Einsatz von Knoche eindeutig regelwidrig. Beide Strafstöße gab Deniz Aytekin also, ohne dass ein Hinweis des VAR erforderlich wurde. Auch ansonsten konnte er mit seiner Rückkehr vollauf zufrieden sein.

Boateng gegen Sargent: Hängen geblieben oder Foul gespielt?

Sein Kollege Manuel Gräfe brachte derweil das Spiel des SV Werder Bremen gegen den FC Bayern München (1:3) ebenfalls gewohnt souverän über die Bühne. Strittig war in dieser vom Serienmeister deutlich beherrschten Begegnung auch nur eine Szene nach 53 Minuten im Strafraum der Gäste.

Als Joshua Sargent den Ball nach einem Zuspiel von Romano Schmid annahm, schwang sein linker Fuß weiter, und zwar in den Laufweg von Jérôme Boateng. Je nach Sichtweise blieb dieser entweder mit seinem rechten Fuß an Sargents Unterschenkel hängen oder traf den Bremer dort.

Zu Fall kamen schließlich beide Spieler, und Gräfe zeigte an, dass weitergespielt wird. Abhängig von der Kameraeinstellung sieht es mal mehr danach aus, dass Sargent seinen Gegenspieler stolpern lässt, und mal mehr danach, dass Boateng den Amerikaner tritt.

Da Sargent in Ballbesitz war und wahrscheinlich die Kugel mit dem linken Bein abschirmen wollte, spricht mehr für ein Foul von Boateng. Wirklich eindeutig war die Sachlage aber nicht.

Gräfes Entscheidung, weiterspielen zu lassen, war deshalb akzeptabel – und somit hatte der Video-Assistent auch keinen Grund, ein Review zu empfehlen. Denn eine offensichtliche Fehlentscheidung lag hier nicht vor , dafür war die Situation zu unklar.

Rote Karten nach gesundheitsgefährdenden Fouls

Im Unterschied dazu gab es zur Roten Karte, die der umsichtige und aufmerksame Schiedsrichter Martin Petersen in der Begegnung Borussia Dortmund Hertha BSC (2:0) dem Berliner Vladimir Darida nach 80 Minuten zeigte, wohl keine unterschiedlichen Ansichten.

Darida hatte Marco Reus bei einem Tackling von hinten mit den Stollen an der Achillessehne getroffen und den Kapitän des BVB umgehend reuig um Entschuldigung gebeten.

Zu ganz ähnlichen Vergehen war es zuvor im Nachholspiel zwischen Arminia Bielefeld und Werder Bremen unter der Woche sowie am Freitagabend in der Zweitligapartie des VfL Bochum gegen den Hamburger SV gekommen.

In allen diesen Fällen gab es einen Feldverweis für diese gesundheitsgefährdenden Fouls. Und dass die Referees hier so konsequent waren, ist so richtig wie notwendig.

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