Bakery Jattas Tor aus 30 Metern war der Hingucker im Pokalspiel zwischen dem Hamburger SV und RB Leipzig (1:3). Noch verrückter als dieser Treffer ist allerdings die Geschichte hinter diesem jungen Fußballer.

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Mit dieser Entscheidung war RB Leipzig Trainer Ralf Rangnick überhaupt nicht einverstanden. Nicht einer seiner Spieler wurde gestern nach dem siegreichen DFB-Pokalhalbfinale zum "Man of the Match" gekürt.

Stattdessen bekam Bakery Jatta vom Hamburger SV die Trophäe überreicht. "Das wundert mich schon sehr, dass ein Spieler der Mannschaft, die hier 1:3 verliert, ausgezeichnet wird", protestierte Rangnick bei der ARD.

Das Tor von Jatta zum zwischenzeitlichen 1:1 war allerdings so sehenswert, dass alleine diese Aktion die Auszeichnung rechtfertigt. Der 20-Jährige luchste seinem Gegenspieler Kevin Kampl den Ball ab, zog dann aus 30 Metern ab und traf im hohen Bogen ins Tor. RB-Torwart Peter Gulacsi konnte den Ball lediglich noch mit den Fingerspitzen streifen.

Dieser Treffer dürfte ein sicherer Kandidat für das Tor des Monats sein. "Ich habe mein Bestes versucht, um den Ball zu bekommen. Dann sah ich, dass der Torwart nicht auf der richtigen Position steht. Also habe ich einfach draufgeschossen", erzählte Jatta nach dem Spiel.

2015 als Flüchtling nach Deutschland gekommen

Was viele Zuschauer nicht gewusst haben dürften: Noch weitaus unglaublicher als dieses Tor ist die Geschichte dieses jungen Fußballspielers. Er kam im Sommer 2015 als Flüchtling vom westafrikanischen Gambia nach Deutschland und hatte bis dahin nie in einem Fußballverein gespielt. In seiner Heimat wurde nur auf der Straße, meist barfuß und auf Beton, gekickt.

Er selber hätte es damals kaum für möglich gehalten, irgendwann als Profisportler sein Geld verdienen zu können. Es war einfach nur die Aussicht auf ein besseres Leben, die ihn bei der Flucht durch die Sahara und über das Mittelmeer bis hin nach Deutschland antrieb. In seiner Heimat sah er keine Perspektive mehr.

Jatta: Der größte Albtraum meines Lebens

"Es war der größte Albtraum meines Lebens. Ich war 16 Jahre alt, war ganz auf mich alleine gestellt und hatte Angst, Angst vor der Ungewissheit", erzählte er in einem Interview mit der "Bild"-Zeitung. "Ich hatte in Gambia nichts, was mich noch dort gehalten hätte. Keine Angehörigen. Ich hatte einfach nur den Traum von einem besseren Leben, von einer fairen Chance auf eine gute Zukunft."

Von Touristen in Afrika erfuhr er, wie gut es den Menschen in Deutschland geht. "Welche Chancen junge Menschen haben. Welche Möglichkeiten es gibt, sich zu bilden. Das war mein Antrieb", erzählt er weiter.

In Deutschland angekommen, wurde er in einer Akademie bei Bremen für benachteiligte Jugendliche untergebracht. Beim freizeitlichen Fußballspielen kam sein Talent zum Vorschein. Der Spielerberater Efe-Firat Aktas vermittelte Jatta ein Probetraining bei der U 19 vom SV Werder Bremen und den Profis des Hamburger SV.

Der damalige HSV-Trainer Bruno Labbadia war von den Qualitäten des jungen Afrikaners beeindruckt. "Bakery ist ein überaus interessanter Spieler, und das nicht wegen seiner besonderen Geschichte, sondern aufgrund seiner sportlichen Anlagen", sagte Labbadia damals auf der Vereinswebseite.

Profivertrag für Jatta ein Jahr nach Ankunft in Deutschland

Die Belohnung: Im Juni 2016, also nur ein Jahr nach seiner Ankunft in Deutschland, bekam er einen Profivertrag und verdiente von diesem Zeitpunkt an ein sechsstelliges Jahresgehalt. Im April 2017 gab er sein Bundesligadebüt im Nordderby gegen den SV Werder Bremen.

Es gab allerdings auch Phasen, in denen seine Entwicklung stockte. Unglaublich viel Speed hatte Jatta zwar schon immer. Selbst mit Ball ist er schneller als die meisten Verteidiger ohne Ball. Dafür aber wies er große Mängel in der Technik und Ballbehandlung auf.

Bei den Profis kam er meist nicht über Kurzeinsätze hinaus. Spielpraxis über 90 Minuten sammelte er vorwiegend bei der zweiten Mannschaft in der Regionalliga.

Szenen, für die man ins Stadion geht

Erst als Hannes Wolf im Oktober das Traineramt beim Hamburger SV übernahm, entwickelte sich Jatta zum Stammspieler und Leistungsträger. Er hat sich technisch weiterentwickelt, ist ballsicher und effektiver geworden. In den vergangenen sechs Pflichtspielen gelangen ihm drei Tore. Erst im Januar wurde sein Vertrag bis zum Jahre 2024 verlängert.

Wolf sieht in Jatta nicht nur einen Eckpfeiler der Mannschaft, sondern sogar einen Publikumsmagneten: "Er spielt gut und sehr intensiv. Momente, wie sein Sprint über das ganze Feld, sind Szenen, für die man ins Stadion geht."

Selbiges ließe sich von dem gestrigen Tor gegen Leipzig behaupten. Dementsprechend groß war nach Abpfiff das Lob der Mitspieler. "Überragend. Er war heute unser bester Mann auf dem Feld. Er hat ein Riesen-Spiel gemacht", sagte Aaron Hunt über Jatta.

Und was sagt Ralf Rangnick? Der musste später bei der Pressekonferenz selber zugeben, dass das Tor ein echter Hingucker war: "Den Ausgleich macht Jatta klasse."

Verwendete Quellen:

  • Bild.de: Jatta: "Es war der Albtraum meines Lebens"
  • HSV.de: Bakery Jatta: "Ich habe das Gefühl, hier genau richtig zu sein"
  • mopo.de: Wolf über Jatta: "Szenen, für die man ins Stadion geht"
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