Es waren Momente für das schwarz-gelbe Herz, die sich nach dem Pokalsieg in Berlin abspielten. In einer Saison voller Rückschläge, Verletzungen und ohne die Unterstützung durch die "Gelbe Wand" waren Gefühle oft nur Nebensache. Und so hatte man den Eindruck, als würde die Emotionen nach dem 4:1 gegen RB Leipzig aus dem BVB-Team geradezu heraussprudeln.

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Lukasz Piszczek, der BVB-Veteran, der sich die Hände vor das tränenüberströmte Gesicht schlägt und von seinen Mannschaftskameraden durch die Berliner Luft geworfen wird; Marcel Schmelzer, der verletzungsgeplagt die Saison ohne Einsatzzeiten beenden wird und trotzdem, vor Freude strahlend, seine Mannschaft als Ex-Kapitän auf das Siegerpodest führt. Edin Terzic, der nach dem Abpfiff still und überwältigt in sich zusammensackt. Spieler, die die Trikots ihrer verletzten Mannschaftskollegen Mateu Morey und Axel Witsel tragen. Und immer wieder die Botschaft an die Fans vor den Bildschirmen: "Dieser Sieg ist für euch!"

Es scheint ein mehr als versöhnlicher Saisonabschluss für Borussia Dortmund zu werden. Damit konnte im Dezember 2020 keiner so wirklich rechnen, als Edin Terzic über Nacht zum Cheftrainer wurde. Nach einem ständigen Auf und Ab und einer 1:5-Blamage gegen den VfB Stuttgart war die Mannschaft laut Geschäftsführer Aki Watzke "halbtot". Aber Terzic hat dem Team und der Stimmung rund um den BVB wieder Leben eingehaucht. Freilich nicht, ohne erneute Rückschläge zu erleben.

Eine 1:2 Heimniederlage gegen Eintracht Frankfurt am 27. Spieltag, sieben Punkte Rückstand auf den Vierten aus Frankfurt und ganze elf Punkte auf den Dritten aus Wolfsburg – all das schien für den BVB gleichbedeutend mit dem Verpassen der Champions League.

Das Champions-League-Viertelfinale markierte die Wende

Die Bilanz seitdem? Alle Ligaspiele gewonnen, im Pokal-Halbfinale Holstein Kiel deklassiert und innerhalb von einer Woche RB Leipzig in der Liga (3:2) und im Pokalfinale (4:1) die Grenzen aufgezeigt. Gleichzeitig verabschiedete man sich in der Champions League im Viertelfinale gegen die wohl weltbeste Mannschaft würdevoll und musste sich Manchester City in zwei engen Spielen geschlagen geben.

Doch gerade die Phase rund um das CL-Viertelfinale zeigte: beim BVB scheint es endlich zu klicken. Edin Terzic, Talente-Trainer Otto Addo und U17-Coach Sebastian Geppert übernahmen die Mannschaft schließlich mitten in einer Saison ohne Winterpause und voller englischer Wochen. Umstände, die wirkliches Training erschwerten und eine Entwicklung nur schleichend voranschreiten ließen.

Gerade deshalb hat man anfangs auf Grundtugenden gesetzt, die sich schneller umsetzen ließen: Körpersprache, Zweikampfverhalten, gemeinsames Anlaufen. Banale Eigenschaften, die den hochtalentierten Dortmundern aber immer wieder abgingen.

Im Laufe der Rückrunde kam dann auch das spielerische Element dazu. Spieler wie Marco Reus, Jadon Sancho oder Mo Dahoud, die sich alle in individuellen Krisen befanden, drehten zum Saisonende völlig auf. Gegen das Kombinationsspiel der Borussia konnte auch die beste Defensive der Liga aus Leipzig nicht viel ausrichten und sah gegen die BVB-Offensive häufig schlicht überfordert und einen Schritt zu langsam aus.

Jetzt kommt alles auf die letzten zwei Begegnungen an

Trotz aller Lobgesänge: die Saison ist für die Borussia noch mitten in der heißen Phase. Mit dem FSV Mainz 05 wartet am Sonntag die Überraschungsmannschaft der Rückrunde auf den BVB. Am letzten Spieltag geht es dann gegen Bayer Leverkusen.

Zwar sind die Schwarz-Gelben aktuell auf dem rettenden vierten Platz und haben somit alles selbst in der Hand, aber der Vorsprung auf Frankfurt beträgt nur einen Punkt. Trotz der Euphorie um den Pokalsieg ist eines klar: wenn der BVB die Champions League-Qualifikation doch noch verpassen sollte, wäre das für den Verein wirtschaftlich und ideell eine große Enttäuschung.

Gleichzeitig besteht kein Zweifel daran, dass Edin Terzic seine Mannschaft trotz Pokal-Euphorie gut auf diese letzten beiden Aufgaben einstellen wird.

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Anschließend ist Zeit, um sich über einige Personalentscheidungen Gedanken zu machen, die den Verein die Rückrunde über medial begleiten. Aktuell sieht es sehr danach aus, als hätte der kommende BVB-Trainer Marco Rose schon vor seiner Amtszeit einen schweren Stand in Dortmund.

Zu sehr identifizieren sich die Fans mit Terzic, der seit Jahren im Verein tätig ist und in seiner Außendarstellung stets genau den richtigen Ton trifft. Auch auf Spielerseite wird es spannende Entscheidungen geben: bleibt Erling Haaland beim BVB? Wird gar Jadon Sancho noch ein Jahr im Ruhrgebiet dranhängen? Vor Monaten hätte daran keiner so richtig geglaubt. Aktuell scheint beim BVB aber so ziemlich alles möglich.

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