Es donnerte und blitzte, sintflutartiger Regen prasselte im Dortmunder Stadion auf den Rasen. Plötzlich war Christoph Kramer nicht nur als Fußball-, sondern auch als Wetterfachmann gefragt. Und auch das meisterte der ZDF-Experte am Samstagabend souverän.

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"Ich bin auf dem Bauernhof groß geworden, ich bin mit allen Bauernweisheiten gewaschen", erklärte Kramer und dozierte dann über das heftige Unwetter, das zu einer Unterbrechung in der ersten Halbzeit des Achtelfinales der Europameisterschaft zwischen Deutschland und Dänemark geführt hatte. "Ich habe mal hochgeschaut, das dauert nicht lange", prophezeite der Fußballprofi von Borussia Mönchengladbach und tippte darauf, dass in zehn Minuten weitergespielt werden könne.

Auch wenn es etwas länger dauerte, behielt Kramer am Ende Recht. Das Spiel wurde trotz sintflutartigem Regen und Hagel nach rund 25 Minuten Unterbrechung fortgesetzt. Dass diese Zeit kurzweilig überbrückt werden konnte, lag an den Experten Kramer und Per Mertesacker, die im Zusammenspiel mit Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein das Spiel und das Wetter analysierten und die eine oder andere Anekdote zum Besten gaben.

Dabei wurde zwar keine Fernsehgeschichte geschrieben, so wie es Günther Jauch und Marcel Reif 1998 beim legendären "Torfall von Madrid" gelungen war, die turbulente und kurzweilige ZDF-Übertragung des wilden Achtelfinales dürfte den Zuschauerinnen und Zuschauern aber trotzdem noch eine Weile im Gedächtnis bleiben.

Knappe Abseitsentscheidung: Kasper Hjulmand holt sein Smartphone raus

Alleine schon wegen der eingefangenen Bilder, die vermutlich in keinem Jahresrückblick fehlen werden. Und unter Umständen auch in künftigen Dokumentationen zum Klimawandel gezeigt werden könnten. Ein solches Unwetter wurde im Rahmen einer Fußballübertragung jedenfalls noch selten eingefangen. Es hagelte, es donnerte, es krachte, Wassermassen stürzten vom Dach des Dortmunder Stadions auf die Ränge, dänische Fans tanzten unter dem Wasserfall.

"Die kalte Dusche in Minute 48", rief Kommentator Oliver Schmidt dazu passend, als Joachim Andersen das vermeintliche 1:0 für Dänemark geschossen hatte. Doch der Videoschiedsrichter kassierte das Tor wegen einer minimalen Abseitsstellung ein. Dass der VAR unmittelbar darauf Andersen auf der anderen Seite des Spielfeldes eines Handspiels im Strafraum überführte und es Elfmeter für Deutschland gab, war eine weitere kuriose Situation an diesem Abend.

"Himmel und Hölle" erlebe Andersen, sagte Schmidt und fand die richtigen Worte: "Die Technik wurde zugelassen für den Fußballsport und das sind die Auswirkungen. Wahnsinn!" Sehr viel später, weit nach Abpfiff, holte Dänemarks fassungsloser Trainer Kasper Hjulmand im Interview mit Boris Büchler sein Smartphone hervor und zeigte dem ZDF-Reporter und dem TV-Publikum nochmal, wie knapp die Entscheidung tatsächlich war. "Ich habe Fragen", sagte er und der Schmerz der Niederlage war spürbar. Auch das war eine Szene, die man so in Fußballübertragungen noch selten gesehen hat.

Experten-Trio liegt mit Einschätzungen zu Füllkrug richtig

Es gab also eine Menge zu besprechen und einzuordnen an diesem Abend, was Kramer und Mertesacker sowie Fritzy Komp, die mit Jochen Breyer im EM-Studio in Berlin saß, gut gelang. Vor allem Kramer und Mertesacker entwickeln sich mehr und mehr zu einem hervorragenden Experten-Duo, der ruhigere und lockerere Mertesacker bildet einen starken Gegenpart zu dem leidenschaftlichen Kramer.

Schon weit vor Anpfiff erklärten die beiden, dass Bundestrainer Julian Nagelsmann weiter auf Kai Havertz als Sturmspitze setzen werde, obwohl sich ein großer Teil der rund 82 Millionen Bundestrainerinnen und Bundestrainer zuhause im Vorfeld Niclas Füllkrug in der Startelf gewünscht hatte.

Auch Fritzy Kromp legte sich auf Havertz fest, alle drei führten die Tiefe im Spiel des Angreifers des FC Arsenal als Grund an, was wenig später von Bundestrainer Julian Nagelsmann mit fast den gleichen Worten bestätigt wurde.

Kramer lässt Müller-Hohenstein zweimal auflaufen

Vor allem Kramer wirkte erneut, als sei er auf einer Mission, um allen seine Ansichten über Fußball näherzubringen. Zu Kompromissen ist er dabei nicht bereit. Zum einen verwendete er wieder das Wort "Spielermaterial", obwohl ihn Moderator Breyer zuletzt gebeten hatte, darauf zu verzichten. Zum anderen ließ er Müller-Hohenstein gleich zweimal auflaufen.

"Hast du hier immer gerne gespielt?", fragte die Moderatorin mit Blick auf das Dortmunder Stadion. "Ich spiele hier immer noch ganz gerne", antwortete der nach wie vor für Borussia Mönchengladbach aktive Kramer trocken. Schon vor dem Spiel war "KMH" aufgefallen, dass die deutschen Spieler nochmal die Schuhe wechselten. "Liegt das am Rasen?", fragte sie. "Mit was soll es sonst zusammenhängen, wenn nicht mit dem Rasen?", stellte Kramer leicht genervt eine Gegenfrage.

Sprechchöre sind Kramer unangenehm

Eine ganz andere Seite zeigte er dann ziemlich am Ende der Übertragung, als die verbliebenen Fans im Stadion Kramer und Mertesacker mit Sprechchören feierten. Während Mertesacker immer wieder in Richtung der Fans jubelte und die Situation sichtlich genoss, schaute Kramer verlegen unter sich.

"Ist dir das irgendwie unangenehm, Chris?", fragte Katrin Müller-Hohenstein. "Ein bisschen schon…", räumte Kramer ein. Verdient hatte sich das ZDF-Team die Sprechchöre am Ende eines denkwürdigen TV-Abends aber allemal.

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