• Erst auf dem Trainingsplatz können auch die deutschen Spieler die schrecklichen Bilder von Kopenhagen rund um Christian Eriksen ausblenden.
  • Der Schock bei den Spielern sitzt tief.
  • Der Chefmediziner der UEFA und der deutschen Nationalmannschaft sieht keine Möglichkeit für bessere Maßnahmen.

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Erst die gewohnten Rituale auf dem Fußballplatz halfen auch den deutschen EM-Kickern am Morgen nach dem "Schockmoment" um Christian Eriksen zurück in den Alltags-Modus. Beim üblichen Kreisspiel musste sich der lautstark schimpfende Verlierer Thomas Müller nicht nur von den Mitspielern am Ohr schnipsen lassen, sondern sogar von Joachim Löw. Ein bisschen Spaß musste sein.

Nach dem Drama um Dänen-Star Eriksen schaffte auch das deutsche Nationalteam am Sonntag in Herzogenaurach nur langsam die Rückkehr in eine gewisse Normalität. "Was passiert ist, war ein Schock für uns", berichtete Antonio Rüdiger. Abwehrkollege Lukas Klostermann sprach von "Bildern, die man erstmal verarbeiten muss - definitiv".

Im Lounge-Bereich rund um den Pool hatten etliche Nationalspieler am Samstagabend gemeinsam vorm riesigen TV-Bildschirm miterlebt, wie im 850 Kilometer entfernten Kopenhagen Ärzte um Eriksens Leben kämpften. Es sei "extrem wichtig" gewesen, dass "gute Nachrichten" aus Dänemark ins DFB-Quartier drangen, berichtete der Leipziger Klostermann.

DFB-Team veröffentlicht Teamfoto mit Genesungswünschen für Christian Eriksen

Trotzdem bekam über Nacht zunächst keiner die Bilder aus dem Kopf. Das gelang erst wieder, als der Ball ins Spiel kam. "Wenn man auf dem Fußballplatz steht, kann man vieles ausblenden", sagte Klostermann. Ein Teamfoto mit Genesungswünschen hatte das DFB-Team am Abend zuvor veröffentlicht. Es sei allen "ein Bedürfnis gewesen, positive Energie" an den Profikollegen Eriksen zu senden, so Klostermann.

Eriksen (29) war am Samstagabend in der ersten Halbzeit der Partie gegen Finnland (0:1) zusammengebrochen und musste auf dem Platz reanimiert werden. Er muss derzeit weiter im Krankenhaus bleiben, ist nach Angaben seines Beraters aber auf dem Weg der Besserung.

UEFA-Chefmediziner und DFB-Teamarzt Tim Meyer sieht trotz des Vorfalls keine unmittelbare Notwendigkeit für neue Sicherheitsvorkehrungen bei den EM-Spielen. "Es ist noch sehr früh, aber ich sehe keinen Ansatzpunkt für Konsequenzen", sagte Meyer bei der digitalen Pressekonferenz der deutschen Fußball-Nationalmannschaft am Sonntag.

Meyer: "Das hat funktioniert"

Medizinische Notfälle ließen sich "nie gänzlich vermeiden", meinte Meyer, der Vorsitzender der Medizinischen Kommission der UEFA ist. Offensichtlich habe die Erstversorgung im Stadion in Kopenhagen Schlimmeres verhindert. "Es war offenbar ein kardiales Ereignis. Und von Vorteil, dass ein Notarzt direkt am Spielfeldrand war, um entsprechende Maßnahmen zu veranlassen. Das hat funktioniert", sagte der 53 Jahre alte Mediziner.

In einem Kaufhaus wären die Voraussetzungen für eine rasche Behandlung von gravierenden Herzproblemen beispielsweise deutlich schlechter gewesen. Ein obligatorischer Medizincheck für alle Hobbysportler wie in Italien sei eine gesundheitspolitische Frage, da auch kostenrelevant, sagte der Mediziner, empfahl entsprechende Untersuchungen aber für Wettkampfsportler ab 40 Jahren für Männer und ab 45 Jahren für Frauen.

"Ich denke, dass wir mit unserem System sehr gut aufgestellt sind", versicherte Meyer für den Profi-Fußball. Er selbst habe im DFB-Tross einen Defibrillator dabei. Ein weiteres Gerät ist in jedem Stadion platziert. Aus wissenschaftlicher Sicht sei ein höherer Aufwand nicht zu rechtfertigen. Im Fußball würden die europäischen Mindestanforderungen für die Notversorgung übererfüllt. "Man kann nicht mehr tun, als einen Notarzt am Spielfeldrand zu platzieren."

Meyer: Man kann nicht allen Fällen mit "Protokollen vorbeugen"

Meyer wollte sich nicht an der kritisch geführten Diskussion um die Spielfortsetzung in Kopenhagen nach dem Zwischenfall beteiligen. Dazu fehlten ihm die Einblicke vor Ort. Man könne nicht allen Fällen mit "Protokollen vorbeugen", so Meyer.

Dass sich Eriksen schon kurz nach dem Vorfall wieder mit seinen Kollegen unterhalten konnte, sei aus medizinischer Sicht nicht ungewöhnlich. Der Mittelfeldspieler soll seine Kollegen aufgefordert haben, die Partie zu beenden. An der von der UEFA umgesetzten Entscheidung hatte es viel Kritik gegeben.

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Nach den ihm vorliegenden Informationen sei auszuschließen, dass eine Corona-Erkrankung oder eine Corona-Impfung Einfluss auf den gesundheitlichen Zustand Eriksens genommen habe, berichtete Meyer. (lh/dpa)

Christian Eriksen

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