Der 1. FC Köln musste zuletzt einige Rückschläge verdauen, schied unter der Woche aus dem DFB-Pokal aus. Wackelt jetzt auch Steffen Baumgart?

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Manuel Behlert sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Als Steffen Baumgart den 1. FC Köln im Sommer 2021 übernahm, entwickelte er sofort Lösungen für die damaligen Probleme der Kölner. Die Mannschaft spielte mit einer enormen Wucht, ging ein hohes Risiko, presste den Gegner früh. Es gab zahlreiche Spiele, in denen das dafür sorgte, dass sich das Team nie aufgab, auch nach Rückständen noch gute Ergebnisse feierte. Zuweilen war das Risiko auch zu groß, die Domstädter mussten bittere Niederlagen hinnehmen, die aber einkalkuliert waren.

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Aktuell, im Herbst 2023, ist davon nicht viel übrig. Der 1. FC Köln wirkt in seiner Spielanlage fahrig, hat nicht mehr die zwei großen, wuchtigen Spieler im Sturm, die permanent mit Flanken gefüttert werden. Gegen den Ball ist die Aggressivität nur noch punktuell vorhanden, die klare Struktur, gerade in der Schaltzentrale fehlt. Und die Lösungen, die 2021 sofort vorhanden waren, sind momentan nicht in Sicht. Doch wie groß ist Baumgarts Anteil an der aktuellen Krise und wäre ein Trainerwechsel eine Lösung?

Der 1. FC Köln in der Krise

Der aktuelle Blick auf die Tabelle der Bundesliga verdeutlicht die Lage des 1. FC Köln eindrucksvoll. Einen Sieg gab es bisher aus neun Spielen, den immerhin im Derby gegen Borussia Mönchengladbach. Sieben eigene Tore sind eine offensive Bankrotterklärung, 21 Gegentore viel zu viel. Die Stabilität ist nicht mehr vorhanden, zu viele Fehler werden produziert, teils ohne Not. Zuletzt gab es das Pokalaus in Kaiserslautern (2:3), davor ein 0:6 bei RB Leipzig.

Die deutliche Niederlage in Leipzig missfiel auch dem Übungsleiter, der anschließend deutlich wurde. "Wenn wir einige Sachen nicht umsetzen, haben wir in der Bundesliga nichts zu suchen. So deutlich muss man es ansprechen. Es gibt Sachen, die uns stark gemacht haben, und Sachen, die uns über einen langen Zeitraum in die Bredouille bringen. Wenn wir das nicht begreifen, haben wir ein Riesenproblem", so der Trainer auf der Pressekonferenz zwischen dem Liga- und Pokalspiel. Die Gegner vor der Länderspielphase heißen nun Augsburg und Bochum, es sind die so genannten "6-Punkte-Spiele".

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Der Anteil Baumgarts an der aktuellen Lage

Keine Frage, die Lage in Köln ist kritisch. Das einzig positive Element derzeit ist, dass auch andere Teams in der Liga straucheln und der "Effzeh" trotz vier Punkten aus neun Spielen noch nicht abgeschlagen ist. Der Trainer, Steffen Baumgart, hat sicher einen Anteil an der Situation. Er stellt die Spieler schließlich ein, motiviert sie, gibt ihnen taktische Vorgaben mit auf den Weg. Doch ihm alleine die Schuld zu geben, wäre zu einfach. Und unfair.

Die Misere fing im Sommer an, respektive ging in der dortigen Transferperiode weiter.

Nach einer Saison 2022/23, die in einigen Teilen schon sehr durchwachsen war, hätte die Kaderstruktur verändert werden müssen - und das großflächig. Dafür war aber kein Geld da. Dass Topstar Ellyes Skhiri ablösefrei wechselte und Kapitän Jonas Hector seine Karriere beendete, half weder der Hierarchie im Team noch dem Transferbudget der Domstädter.

Bezeichnend war, dass der einzige Spieler, für den eine Ablösesumme ausgegeben werden konnte, Jeff Chabot war, der unter drei Millionen Euro kostete und schon vorher ausgeliehen war. Externe Verstärkungen waren Mangelware, Spieler wie Waldschmidt, Carstensen oder Christensen mussten geliehen oder ablösefrei verpflichtet werden. Die Wünsche des Trainers konnten nicht erfüllt werden, er musste umdenken und sich mit einem weniger ausbalancierten und individuell schlechterem Kader zurechtfinden.

Kritiker mögen Baumgart vorwerfen, er müsse auch mit einem solchen Kader Mittel und Wege finden, kompakter zu agieren und fußballerische Lösungen zu finden, aber das ist nur ein Teil der Wahrheit. Jeder Trainer hat bestimmte Visionen, ein Ideal, das er anzustreben versucht. Und wenn ihm gänzlich die Mittel fehlen, dieses heraufzubeschwören, wird es nicht leicht, neue Wege zu finden.

Muss Köln irgendwann zur "letzten Patrone" greifen?

Kurzum: Die finanziellen Sorgen, die massiv in die Kaderplanungen eingegriffen haben, machen den größten Faktor der Probleme in Köln aus. Deswegen ist davon auszugehen, dass Steffen Baumgart in den beiden wichtigen Spielen vor der Länderspielpause noch die Gelegenheit hat, den Turnaround zu schaffen. Sollte das nicht gelingen, wäre eine Entlassung denkbar, doch auch hier drohen neue Probleme.

Und wieder sind die finanziellen Elemente entscheidend. Nach einem Transfersommer dieser Art stellt sich nämlich die Frage, ob die Domstädter überhaupt die Mittel haben, Baumgart zu entlassen, gegebenenfalls eine Abfindung zu zahlen und einen neuen Trainer zu bezahlen. Einen Übungsleiter aus seinem Vertrag herauszukaufen wird keine Option sein. Aktuell verfügbare Trainer wären beispielsweise Thomas Reis, Enrico Maaßen, Sandro Schwarz oder Robert Klauß, Toplösungen sind nicht zu bekommen.

Das bedeutet im Umkehrschluss, dass alle versuchen dürften, den "Bock" noch umzustoßen. Allerdings war der 1. FC Köln laut "expected Goals" in nur einer Partie besser als der Gegner und zuletzt gab es Probleme mit der Einstellung. Wenn Motivator Baumgart nicht nur die spielerischen Defizite nicht behebt, sondern die Mannschaft auch häufiger nicht erreicht, wird es endgültig eng für ihn.

Verwendete Quellen:

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