- Gerd Müller ist tot: Der beste Stürmer Deutschlands aller Zeiten verlässt die laute Fußball-Bühne leise.
- Ohne ihn wäre der FC Bayern München heute nicht einer der erfolgreichsten Klubs der Welt.
- Er selbst entfloh einst dem Schickimicki - und dem Alkohol.
"Vielleicht wären wir ohne ihn und seine Tore noch immer in unserer alten Holzhütte an der Säbener Straße." Die Säbener, das ist die Heimat des FC Bayern im beschaulichen Münchner Stadtteil Harlaching. Hier, oberhalb der Isar, wurden die "Roten" zu einem Klub von Welt.
Gerd Müller ist im Alter von 75 Jahren gestorben
Der "Bomber der Nation" ist tot. Gestorben im Alter von 75 Jahren an den Folgen einer heimtückischen Alzheimer-Erkrankung, die seine Erinnerungen verblassen ließ. Jene an Müller leben im kollektiven deutschen Fußball-Gedächtnis weiter.
Müller verkörperte das, was viele sozialromantische Anhänger bei der heutigen Spielergeneration vermissen. Der bayerische Schwabe war ein bodenständiger Arbeiter, ein einfacher Mann, auf und neben dem Platz. Er war sich für kein Tor zu fein.
Er redete nicht groß drumherum. Und er hatte Makel wie Jedermann. Auch solche, die sein Leben in den Grenzbereich trieben.
Er wuchs in einfachen Verhältnissen auf
Ein Rückblick: An der Grenze zwischen Württemberg und Bayern, in Nördlingen, wuchs Gerhard Müller auf. Er machte, gerade volljährig, in einer Metallfabrik eine Ausbildung zum Schweißer. Winkelschleifer, Schraubstock, Schweißbrenner - Müller wusste, woher er kommt.
Hemdsärmelig war auch sein Humor. So erzählte Müller gerne in markantem Schwäbisch die Geschichte seines ersten Profivertrages. Er war 19, als er ihn unterschrieb.
"5.000 Mark Handgeld und 500 Mark Monatsgehalt. Das war wie ein Lottogewinn für mich", sagte er: "Ich saß also da und dachte, ich hätte bei 1860 München unterschrieben. Die Herren verabschiedeten sich und wollten komischerweise durch die hintere Gartentür gehen." Denn: Es waren die Herrschaften vom FC Bayern. Und der war damals der deutlich kleiner als die "Löwen", die sich ebenfalls angekündigt hatten.
Gerd Müller schoss den FC Bayern zur ersten deutschen Meisterschaft in der Bundesliga
Müller kam mit der Empfehlung von 180 Toren in einer Saison für den TSV 1861 Nördlingen an die Säbener Straße - und mit Übergewicht. Der FC Bayern spielte damals Regionalliga Süd gegen Vereine wie den 1. FC Pforzheim, den SSV Reutlingen oder den FC Emmendingen.
"Kleines, dickes Müller", nannte FCB-Trainer Zlatko "Tschick" Cajkovski den jungen Mann mit den wuchtigen Oberschenkeln und der kräftigen Statur. "Was soll ich mit dem Kugelstoßer?", fragte DFB-Juniorentrainer Dettmar Cramer. Doch: Nach kurzer Zeit wurde er zum größten Fan von "Gerdchen".
Sechs Tore schoss Müller in der Bundesliga-Aufstiegsrunde 1965. Nachdem er ein paar Kilo abgespeckt hatte, wurden es immer mehr. Mit 30 Treffern führte er die Bayern in der Saison 1968/69 zur ersten deutschen Meisterschaft in der Bundesliga (insgesamt 365 Tore in 427 Spielen). Im selben Jahr erzielte er im DFB-Pokal-Finale gegen den FC Schalke (2:1) beide Treffer. Einzig in diesem Wettbewerb schoss der Angreifer in 15 Jahren FC Bayern in 62 Spielen 78 Tore – aus der Drehung, im Fallen, notfalls im Liegen.
Dreimal Europapokalsieger der Landesmeister mit dem FC Bayern
Mit den "Roten" gewann er zwischen 1974 und 1976 dreimal in Folge den Europapokal der Landesmeister, den Vorgänger der Champions League. Die deutsche Nationalmannschaft führte er 1972 zum EM-Sieg und zwei Jahre später durch sein Siegtor im Finale gegen die Niederlande (2:1) zum Weltmeister-Titel im eigenen Land. "Er war das größte Genie, das ich im Fußball jemals erlebt habe", sagte Ex-Kollege Paul Breitner einmal dem BR.
Doch auch Genies sind nicht gefeit vor Lastern. "Die Spielerkarriere ist anerkannt worden, dann folgte der Absturz", erklärte der Historiker Hans Woller der ARD-Sportschau: "Vor allem von 1985 bis 1991 war
"Es hat ihn sehr gereizt, mit der Prominenz in München Umgang zu pflegen", erzählte Woller und berichtete: "Diese Münchner Schickimicki-Gesellschaft hat sich zwar eine Weile mit Gerd Müller geschmückt, aber sie hat das Interesse an ihm verloren, weil er nicht so fit auf diesem Parkett war. Irgendwann war ihm diese Selbstinszenierung und diese ewige Schaumschlägerei zuwider."
So hätte er laut Geschichtsforscher Woller 1973 beinahe ein Angebot des FC Barcelona angenommen, weil er sich im Schatten von Hoeneß und Breitner "bei den Bayern als zweite Geige gefühlt hat. Er stand immer im Schatten von Franz Beckenbauer".
Vom FC Bayern in die USA nach Florida
Diesem entfloh er in die USA, spielte zwischen 1979 und 1981 am Ende seiner Karriere in Florida für die Fort Lauderdale Strikers - das Stadion lag wenige Kilometer vom Strand weg. Fotos aus Nachtclubs sind überliefert, die ihn mit Alkohol in der Hand zeigen. Der Versuch, hier ein eigenes Steakhouse zu etablieren, misslang.
Aus dem Genussmenschen wurde ein Süchtiger. "Anfangs hat er sich hin und wieder nach Abpfiff im Bus einen Prosecco aufgemacht und getrunken", erzählte Sepp Maier in der Biografie "Gerd Müller - Der Bomber der Nation" von Spielen mit der Uwe-Seeler-Traditionself: "Ich hatte mir nicht viel dabei gedacht, weil er ansprechbar war und recht normal wirkte." Ex-Mitspieler Franz "Bulle" Roth schilderte: "Schon in der Früh trank er am Frühstückstisch ein Glas Wein. Aber nicht exzessiv."
Hoeneß nahm sich der Sache an. "Nach einigen Wochen kam Gerd und sagte: 'Ja, ich brauche Hilfe, ich habe ein Alkoholproblem'", wird der Bayern-Patron in der Biografie zitiert. Am Entzug konnte ganz Deutschland teilhaben.
Gerd Müller hatte mit Alzheimer zu kämpfen
"Dann die Intensivstation, diese fünf Tage - null Erinnerung. Totaler Filmriss. Mein Glück", erzählte Müller im Tagebuch seiner Entziehungskur, das im November 1991 in der "Bild" erschien: "Die Ärzte haben mir erzählt, dass ich mich wie ein Wahnsinniger aufgeführt habe."
Er kämpfte sich ins Leben zurück, wurde Jugendtrainer an der Säbener. "Dass ich die Sucht bezwungen habe, war mein größter Sieg, wichtiger noch als der WM-Titel", sagte er später. Der Alzheimer-Erkrankung konnte er nicht mehr entfliehen. Im Februar 2016 musste Müller in ein Pflegeheim. Seine Jugendliebe Uschi wich ihm auch da nicht von der Seite. Mit ihr trauert ganz Fußball-Deutschland.
Verwendete Quellen:
- BR auf YouTube: Der Bomber – Porträt Gerd Müller
- ARD-Sportschau: Historiker Woller: "Gerd Müller war kein strahlender Held"
- AZ München: Gerd Müller und der Alkohol: Sein härtester Gegner
- Bild: "Gerd schläft langsam hinüber"
- SZ.de: Er wollte jedes einzelne Tor
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