In Deutschland hielt Stefan Ortega Moreno "nur" für die Underdogs Bielefeld und 1860 München. Mit dem Wechsel zu Manchester City aber wendete sich das Blatt. Und nun könnte der Routinier sogar die Gunst der Stunde bei der Nationalmannschaft nutzen.
Am Ende war es wohl ganz gut, dass Stefan Ortega am Dienstag seinem Job als "Cup"-Keeper von Manchester City nicht nachgehen durfte. Beim Auswärtsspiel in Lissabon wanderte Ortega wieder auf die Bank, stattdessen schlug es neben Ederson dann viermal im Tor der Skyblues ein. Mit dem Debakel des zuletzt etwas ins Wanken geratenen Riesen hatte Ortega also nur am Rande etwas zu tun, seine Bilanz in der Champions League bleibt mit zwei Einsätzen ohne Gegentor weiter makellos.
Also darf Ortega in der kommenden Woche sehr wahrscheinlich - auch im Ligaspiel gegen Brighton& Hove Albion am Wochenende dürfte Ederson wieder gesetzt sein - ganz unbeschwert seine erste Reise zur deutschen A-Nationalmannschaft antreten. Nachdem bereits am späten Mittwochabend erste Gerüchte durchgesickert waren, machte Bundestrainer
Paraden und fußballerisches Geschick
Für Stefan Ortega Moreno ist das ein weiterer fulminanter Schritt in einer eher etwas ungewöhnlichen Karriere. Ortega war viele Jahre Torhüter in der 2. und 3. Liga, beim TSV 1860 München und Arminia Bielefeld. Dann schafften die Ostwestfalen in der Corona-Saison 2019/20 den Aufstieg in die Bundesliga, auch dank der Paraden und dem fußballerischen Geschick ihres Torhüters.
In der ersten Saison hielt Ortega seine Mannschaft in der Liga, dann folgte der Abstieg der Arminia - und für Ortega, längst schon über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt, fast zeitgleich der Sprung zu einem der größten und erfolgreichsten Klubs der Welt.
Als er im Sommer 2022 im Urlaub auf Mallorca weilte, soll sich Manchester City erstmals konkret an Ortega gewandt haben. Der Plan war, ihn als Nummer zwei hinter Ederson zu installieren. Einen Keeper also, der im Herbst seiner Karriere nicht sofort und unmissverständlich den Anspruch auf einen Stammplatz bei einem Klub wie Man City erhebt und der zu Pep Guardiolas Idee vom Fußball passt.
Zweimal den Absprung geschafft
Ortega ist in jener Zeit Profi geworden, in der
Es waren die Jahre des Pressing- und Gegenpressing-Fußballs in Deutschland, mit vielen schnellen Umschaltmomenten in beide Spielrichtungen. Die Jobbeschreibung der Torleute änderte sich in diesen Jahren noch mehr hin zum "Torspieler", auch wenn viele Keeper und auch der damalige Bundestorwarttrainer Andy Köpke mit dem Begriff wenig anfangen konnten.
Ortega jedenfalls musste sich an den eher schwierigen und kapriziösen Standorten bei den Löwen und in Bielefeld erst ein wenig freischwimmen. Mit den Löwen stieg er im Sommer 2017 sogar aus der 2. Liga ab. Immerhin konnte Ortega ein paar Wochen später zu seinem Ausbildungsklub Bielefeld zurückkehren und damit wenigstens die Spielklasse halten.
Um dann sukzessive gemeinsam mit seiner Mannschaft immer besser zu werden und den Sprung in die Bundesliga zu schaffen und - aus seiner Sicht - etwas später sogar in die Premier League, die beste Liga der Welt.
Wie geht’s weiter in Manchester?
Und auch in Manchester setzt Ortega nun seit mehr als zwei Jahren das fort, was ihn schon in seiner Zeit in Deutschland ausgezeichnet hatte: Als klare Nummer zwei nutzte er seine Chance besonders in den Pokalwettbewerben und wenn Ederson mal wieder verletzt war. Ortega wusste nicht nur seinen Trainer derart zu überzeugen, dass zeitweise sogar ein offener Kampf um die Nummer eins möglich erschien.
Weil Ederson in seiner Entwicklung stagnierte und zuletzt auch immer wieder Wechselgedanken hegte. Und weil Ortega auf der anderen Seite nicht nur seine Befähigung als potenzielle Stammkraft unter Beweis stellte, sondern auch Signale sendet, vielleicht sogar noch länger als bis zum vereinbarten Vertragsende 2026 zu bleiben.
Neue Ausgangslage hilft Ortega
Seit über 13 Jahren spielt Ortega jetzt im bezahlten Fußball, in Deutschland war er die meiste Zeit davon aber abseits der Glitzerwelt der Bundesliga unterwegs. Dass ihm nun an seinem 32. Geburtstag die erste Einladung zu A-Nationalmannschaft ins Haus flattert, hätten selbst kühnste Optimisten vor ein paar Jahren kaum für möglich gehalten.
Zwar galt Ortega in seiner letzten Saison in der Bundesliga schon als eine Art Geheimtipp, nicht wenige hätten ihm aufgrund seiner Leistungen schon damals eine Nominierung zugetraut. Allerdings war vor zwei, drei Jahren auch die Gemengelage noch eine ganz andere.
Der Bundestrainer hieß Hansi Flick und für das deutsche Tor war das Dreigestirn Manuel Neuer, Marc-André ter Stegen und
Aktuell hat sich die Ausgangslage aber fundamental verändert: Neuer ist nach seinem Rückzug nicht mehr Teil der Mannschaft, ter Stegen noch für einige Monate verletzt, Leno hat sich im Vorfeld der letzten Länderspiele quasi selbst ins Abseits manövriert und Trapp in Frankfurt nicht mehr unumstritten.
Die Zeit war also reif für ein paar grundlegende Veränderungen. Und damit nun auch für Stefan Ortega. Der dürfte beim DFB nicht nur als Nachrücker und mit dem Ausblick auf vielleicht die Nummer drei auflaufen – sondern darf sich durchaus berechtigte Hoffnungen auf etwas mehr machen.
Ein Malus als Nummer zwei?
Inhaltlich muss sich Ortega jedenfalls nicht hinter Alexander Nübel oder Oliver Baumann verstecken. Nur diese eine Sache könnte ihm auf lange Sicht hinderlich sein: Anders als seine Kontrahenten darf Ortega im Klub nicht jedes Wochenende oder sogar alle drei Tage spielen. Ein Zustand, für den er sich im Sommer 2022 wissentlich und willentlich entschieden hatte und damit anders als noch in den Jahren davor, als Bayer Leverkusen, Ajax, Atlético Madrid und sogar die Bayern angefragt hatten und ihn als Nummer zwei wollten.
Sollte sich bei der Nationalmannschaft eine reale Perspektive auf einen der drei Plätze anbahnen, könnte sich an Ortegas Plan für die nahe Zukunft vielleicht doch noch etwas ändern – weil er eben mehr Spielpraxis bräuchte. Die Chance, mit Deutschland bei einem großen Turnier teilzunehmen, dürfte sich jedenfalls nicht mehr oft ergeben.
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