Mehr Tragik ist kaum denkbar: Marc-André ter Stegen darf endlich die Nummer eins im deutschen Tor sein - und nach zwei Einsätzen verletzt er sich schwer, fällt lange aus. Der nach der Heim-EM zurückgetretene Vorgänger Manuel Neuer ist eine mögliche Option für Bundestrainer Julian Nagelsmann.

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Marc-André ter Stegen fällt kurz nach seiner über Jahre herbeigesehnten Beförderung zur Nummer eins im deutschen Tor als Nachfolger von Manuel Neuer monatelang aus. Mit einem roten Ausrufezeichen versah Barça die Mitteilung zur Diagnose: kompletter Riss der Patellasehne im rechten Knie. Operation noch am Nachmittag.

Im DFB-Lager sitzt der Schock tief

"Die Nachricht von Marcs Verletzung war ein großer Schock für uns", sagte Bundestrainer Julian Nagelsmann nach dem Patellasehnenriss bei seiner neuen Nummer eins und ergänzte: "Er wird uns in der Nationalmannschaft auf und neben dem Platz sehr fehlen. Wir wünschen Marc alles Gute für die Operation und eine gute und schnelle Genesung. Wir werden auf seinem Weg zurück immer für ihn da sein!" Der DFB versah das Bulletin von Barça auf der Plattform X mit drei gebrochenen Herzen.

Auch DFB-Sportdirektor Rudi Völler wünschte dem Ex-Gladbacher "die schnellstmögliche Genesung". Marc habe im Laufe seiner Karriere schon einige Rückschläge verkraften müssen, meinte Völler. "Er wird auch dieses Mal gestärkt zurückkommen, davon bin ich überzeugt." DFB-Torwarttrainer Andreas Kronenberg erklärte: "Das ist eine ganz bittere Nachricht. Marc ist sowohl für den FC Barcelona als auch für die Nationalmannschaft ein wichtiger Rückhalt. Diesen wird er jetzt bei seiner Familie, dem Verein und der Nationalmannschaft finden. Wir wünschen Marc viel Kraft und eine gute Genesung. Das ist jetzt das Allerwichtigste!"

Als die tragischen Rollstuhlbilder von ter Stegen um die Welt gingen, waren die Spekulationen bereits voll entbrannt: Wer soll den schwer am Knie verletzten Nationaltorhüter in den kommenden Monaten im DFB-Team ersetzen?

Wer ersetzt Marc-André ter Stegen?

Bekommt nun Alexander Nübel eine Chance? Darf Oliver Baumann ran? Oder sollte Bundestrainer Julian Nagelsmann sich doch tatsächlich um ein Comeback von DFB-Legende Manuel Neuer bemühen? Am 3. Oktober will Nagelsmann seinen Kader für die nächsten Länderspiele in der Nations League in Bosnien-Herzegowina (11. Oktober) und in München gegen die Niederlande (14. Oktober) benennen. Er wird ganz genau abwägen, was für die gerade so verheißungsvolle Entwicklung der Nationalmannschaft Richtung WM 2026 am besten ist. Er hat verschiedene Optionen, die aller einer Richtungsentscheidung gleichkommen.

Auch wenn im Verband nach SID-Informationen derzeit (noch) nicht über eine Rückkehr des Schlussmanns von Bayern München diskutiert wird, könnte die Option Neuer als prominenter Lückenfüller durchaus Sinn ergeben. Aktuelles Leistungsvermögen, Erfahrung, Erfolge - all das dürfte in den Überlegungen von Nagelsmann eine Rolle spielen. Neuer selbst wollte sich auf SID-Anfrage zunächst nicht äußern.

So sehen Julian Nagelsmanns Optionen aus

  • Die Option Baumann:

Oliver Baumann war bei der EM eine brave Nummer drei. Klaglos wartet der Schlussmann der TSG Hoffenheim schon lange auf sein erstes Länderspiel. Und das im hohen Fußball-Alter von 34 Jahren. Sein Debüt in Bosnien-Herzegowina wäre logisch. Formal ist er die Nummer zwei hinter ter Stegen gewesen. Doch ist Baumann die WM-Alternative? Im übernächsten Sommer wäre er 36. International wird er im Kraichgau nur bedingt gefordert, am Mittwoch in Midtjylland/Dänemark in der Europa League. Und aktuell läuft es bei ihm nicht. Elf Gegentore in vier Bundesligaspielen nervten Baumann nach dem 1:2 bei Union Berlin am vierten Bundesliga-Spieltag.

  • Die Option Nübel:

Am 30. September wird Alexander Nübel schon 28 Jahre alt. Dennoch gilt die Bayern-Leihgabe des VfB Stuttgart als Mann der Zukunft in der Nationalmannschaft. Ein Länderspiel hat aber auch er in seiner wechselvollen Karriere mit Wanderjahren nach Monaco noch nicht bestritten. Vor der EM wurde er von Nagelsmann als vierter Torwart gestrichen, ausdrücklich nicht aus Leistungsgründen, wie der Bundestrainer hervorhob. Wenn Nagelsmann ihm jetzt das Vertrauen gibt, ist das eine Perspektiv-Entscheidung Richtung Amerika und das Signal, dass eine konstante Alternative zu ter Stegen aufgebaut werden soll.

  • Die Option Neuer:

"Mit dem heutigen Tag endet meine Karriere bei der deutschen Fußball-Nationalmannschaft", sagte Neuer am 21. August. Gut einen Monat später könnten diese Worte hinfällig sein. Denn der DFB-Rücktritt nach 124 Ländersielen, acht großen Turnieren und vielen Torwartrekorden fiel dem 38-Jährigen nicht so leicht. Nagelsmann wollte aber - wenn man die Signale richtig deutet - auch einen neuen Impuls auf dieser Position.

Manuel Neuer und Marc-Andre ter Stegen verlassen während der EM 2024 gemeinsam das Spielfeld
Manuel Neuer (l.) und Marc-André ter Stegen waren bis zum Sommer 2024 zwölf Jahre lang Konkurrenten im Kampf um den Platz im Tor der deutschen Nationalmannschaft. Nach der EM 2024 hat ter Stegen nach Neuers Rücktritt dessen Platz eingenommen, sich aber kurz darauf schwer verletzt. (Archivbild) © picture alliance / firo Sportphoto / Sebastian El-Saqqa

Neuer mag also keine Option für den Oktober sein, zumal ihn gerade der Oberschenkel zwickt. Aber eine generelle Option bleibt die Torwart-Legende natürlich - auch für die WM. Nagelsmann könnte ihn auch noch unmittelbar vor dem Turnier reaktivieren, sollte dann Not herrschen und Neuer mit 40 Jahren noch Form und Fitness haben.

  • Die Option Konkurrenzkampf:

Unmissverständlich hatte Nagelsmann klargemacht: Ter Stegen ist die Nummer eins. Der Bundestrainer schätzt auch klare Verhältnisse auf dieser Position. Doch nun könnte er abweichen. Festlegen muss er sich auch nicht. Er kann Baumann und Nübel in einen Zweikampf schicken, beiden zum Länderspieldebüt verhelfen und sehen, wer mit der Situation am besten umgeht.

In der Hinterhand hat er auch noch zwei Kandidaten, die schon bewiesen haben, dass sie im Nationaltrikot performen können. Bernd Leno (32/9 Länderspiele) vom FC Fulham verpasste die EM wegen einer Operation. Kevin Trapp (34 Jahre/9 Länderspiele) stünde nach auskurierter Muskelverletzung auch wieder bereit.

"Er ist ein sehr wichtiger Spieler für uns. Ich bin traurig."

Barcelonas Trainer Hansi Flick zur Verletzung seines Torwarts Marc-André ter Stegen

Das Drama um Barcelonas Schlussmann ter Stegen schockte nicht nur Nagelsmann. "Er ist ein sehr wichtiger Spieler für uns. Ich bin traurig", sagte Barca-Coach Hansi Flick. Der 5:1-Erfolg des spanischen Tabellenführers beim FC Villarreal geriet vollkommen in den Hintergrund, die schlimme Verletzung ter Stegens löste großes Mitgefühl aus. Er wünsche ihm "schnelle Genesung", schrieb etwa Toni Kroos in den Sozialen Netzwerken.

Wann ter Stegen wieder bereit sein kann, wird sich zeigen müssen. Die Spiele gegen Bosnien-Herzegowina und in Ungarn Mitte November sind unrealistische Ziele. Im März startet das Länderspieljahr 2025, im Juni könnte es um den Titel in der Nations League gehen.

Ter Stegen verletzt sich bei der Landung

Ter Stegen verletzte sich offenbar bei der Landung, nachdem er eine Flanke abgefangen hatte. Er blieb unter Schreien am Boden liegen, ehe die Teamärzte herbeieilten. Flick sank sichtlich angefasst in seinen Stuhl.

Wie schwer es ter Stegen erwischt hat, legten die Videoaufnahmen aus dem Krankenhaus nahe, die ein spanischer TV-Sender noch in der Nacht veröffentlichte. Dort wurde der 32-Jährige beim Verlassen der Klinik gezeigt, er wird von einer Armada an Betreuern im Rollstuhl zum Auto geschoben, das rechte Bein ist geschient und hoch gelegt. Ter Stegen trägt noch immer sein Trikot. Wann er es wieder anziehen wird, steht in den Sternen. (sid/dpa/bearbeitet von hau)

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