• Die 2. Bundesliga startet in die Rückrunde.
  • Im Interview spricht Sky-Experte Torsten Mattuschka über Typen wie Dirk Schuster und die spezielle Atmosphäre in Kaiserslautern.
  • Und er tippt die Aufsteiger und die Absteiger.
Ein Interview

"Tusche" ist bei vielen Fans in Fußball-Deutschland Kult. Der 42-jährige Torsten Mattuschka spielte jahrelang für Union Berlin in der 2. Bundesliga. Seit 2019 analysiert der Brandenburger für TV-Rechte-Inhaber Sky die Spiele im Unterhaus. Unsere Redaktion hat vor dem Rückrundenstart der 2. Liga mit ihm gesprochen. Über Typen, Mythen und Emotionen.

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Herr Mattuschka, was fällt Ihnen zum Begriff "Betzenberg" ein?

Sky-Experte Torsten Mattuschka: Jeder Fußball-Fan hierzulande weiß, was auf dem "Betzenberg" für eine Energie herrschen kann. Der "Betze" hat was Spezielles. Alleine der Name Fritz-Walter-Stadion. Wenn es in der Pfalz regnet, wusste man schon immer, bei Fritz-Walter-Wetter wird es ganz eklig. Es ist ein enges Stadion mit positiv verrückten Fans. Fast 50.000 passen rein, das macht Bock. Das ist schon eine geile Adresse in Fußball-Deutschland. Jede Mannschaft hat ordentlich Respekt, wenn sie nach Kaiserslautern muss.

Kaiserslautern war 1991 und 1998 Deutscher Meister. Nach schwierigen Jahren sind die Pfälzer Vierter. Kann der 1. FCK um den Aufstieg spielen?

Der Klub war von der großen Bildfläche verschwunden, wäre fast in die vierte Liga abgestürzt. Geschäftsführer Thomas Hengen hat wieder was richtig Gutes entstehen lassen. Für Lautern ist die Chance aber genauso groß wie für sieben andere Mannschaften.

Die 2. Liga können Sie in zwei Hälften teilen: Acht Mannschaften oben, die die Chance haben, anzugreifen. Zehn, die nach unten schauen müssen. Kaiserslautern hatte vor der Winterpause einen Mega-Lauf. Sie haben aus fünf Spielen 13 Punkte geholt. Mit Lautern ist zu rechnen. Der Mythos "Betzenberg" kann ein großer Faktor werden.

Die Euphorie ist groß. 38.600 Fans pro Heimspiel bedeuten den zweitbesten Zuschauerschnitt hinter dem HSV (50.600). Hat Lautern-Boss Hengen mit Dirk Schuster einen Trainer geholt, der wegen seines hemdsärmeligen Naturells zu diesem Klub passt?

Definitiv! Dirk Schuster passt zu eintausend Prozent zum 1. FCK. Dann wurde sehr genau geschaut, welche Spieler charakterlich passen. Ich bin mir sicher: Spieler aus der 2. Liga haben Bock, mal in Kaiserslautern ihre Fußballschuhe zu schnüren. Sie haben mit Nicolai Rapp (ausgeliehen von Werder Bremen, d. Red.) noch einen Spieler aus der 1. Bundesliga geholt. Die Altersstruktur stimmt, die Mannschaft ist nicht zu jung, nicht zu alt.

"Dirk Schuster nimmt die Jungs in der Kabine mit"

Dirk Schuster war selbst Bundesliga-Profi beim Karlsruher SC und dem 1. FC Köln. Als Coach führte er Darmstadt 98 zwischen 2014 und 2015 aus der 3. Liga in die 1. Bundesliga. Was ist er für ein Typ?

Dirk passt in die Welt. Jeder weiß bei ihm, woran er ist. In Darmstadt hat er bewiesen, was er kann. Mit Erzgebirge Aue (2019 bis 2021, d. Red.) hat er souverän die 2. Liga gehalten. Er ist einer, der die Jungs in der Kabine mitnimmt. Damit sie Bock haben, vielleicht das ganz große Ziel zu erreichen, als bester Aufsteiger durchzumarschieren.

Sein Ex-Klub Darmstadt ist vor dem Rückrundenstart Tabellenführer, hat immerhin sieben Punkte Vorsprung auf Lautern.

Ich glaube, dass fünf, sechs Teams bis zum Schluss um den Aufstieg spielen werden. Darmstadt, der HSV, Kaiserslautern, Hannover 96 und Fortuna Düsseldorf sind Kandidaten. Auch mit Heidenheim ist immer zu rechnen. Ich glaube einfach nicht, dass sich eine Mannschaft drei, vier Wochen vor Saisonende absetzt. Wenn du nicht einhundert Prozent bei der Sache bist, kann in dieser 2. Liga jeder gegen jeden gewinnen.

Mit dem Hamburger SV gibt es einen Klub, der zum Aufstieg verdammt ist. Wie in jedem Jahr seit dem Abstieg 2018, oder nicht?

Da bin ich bei Ihnen. Ich sage, dass sie es diesmal schaffen. Die Jungs müssen sich Woche für Woche vor Augen halten, dass sie in der nächsten Saison Bundesliga spielen können. Als der VfL Bochum in der Saison 2020/21 aufgestiegen ist, hat die Mannschaft nach einer Niederlage das darauffolgende Spiel immer gewonnen. Wenn ein Team das reinkriegt, steigt man auf.

Der HSV hat auf dem Transfermarkt nachgelegt, den Innenverteidiger Francisco Javier Montero von Besiktas Istanbul ausgeliehen, der bei Atlético Madrid ausgebildet wurde. Welchen Fußball lässt Trainer Tim Walter spielen?

Sie haben eine sehr, sehr gute Abwehr, stehen auf dem Feld kompakt und sind stabil in ihrer Spielanlage. Es ist immer eklig, gegen sie zu spielen. Entweder du musst als Gegner ganz tief im 5-4-1 stehen und versuchen, das Spiel engzumachen, um dann umzuschalten. Oder du musst vorne richtig draufpressen.

Im Hamburger Volksparkstadion ist immer Alarm. Die Fans können sich mit dem Fußball von Tim Walter identifizieren. Der Verein hat gerade erst mit ihm verlängert. Kontinuität ist wichtig, und die hat der HSV jetzt gefunden. Obwohl sie mit Tim Leibold (wechselt zu Kansas City, d. Red.) und Sonny Kittel (Freigabe für Wechsel) zwei erfahrene Spieler verlieren, erwarte ich sie auf Platz eins.

Auf diesem steht Darmstadt 98. Coach Torsten Lieberknecht erzählt in Interviews, dass er auch mal durch die Stadt läuft und mit den Leuten auf der Straße spricht, um sie beim Ziel Aufstieg mitzunehmen.

Der ist echt, der ist, wie er ist. Manche können damit umgehen, andere nicht. Er kann viel Feuer entfachen. Dann geht ein Spieler auch mal einen Meter mehr. Dann mäht der Platzwart ein Mal mehr den Trainingsplatz, weil jeder für das Ziel brennt. Wenn ehrliche Arbeit von der Mannschaft und vom Trainer kommt, ist das Umfeld da. Das ist Darmstadt.

Im letzten Jahr haben sie die Aufstiegsrelegation nur wegen der schlechteren Tordifferenz auf Platz vier verpasst. Die Mannschaft ist zusammengeblieben und will es jetzt durchziehen.

Für Zweitligaspieler ist die 1. Bundesliga nicht zuletzt finanziell hochgradig attraktiv. Bei einem Aufstieg steigen die Gehälter deutlich, weil mancher Klub durch die TV-Gelder plötzlich 20 Millionen Euro mehr zur Verfügung hat.

Dass die 1. Bundesliga für viele Vereine ein Quantensprung ist, ist klar. Mancher Klub der 2. Liga ist finanziell nicht wirklich kerngesund, gerade nach der Corona-Pause. Jetzt geht es darum: Gibt ein Klub trotzdem den einen oder anderen Euro mehr für neue Spieler aus, die die Punkte versprechen, die für den Aufstieg reichen? Das Investment holst du durch die Fernsehgelder oben wieder rein. Für Spieler können zwei, drei Jahre Bundesliga dagegen ein Leben finanziell verändern. Das sind die süßen Nebenwirkungen.

Abschließend, Ihr Tipp: Wer steigt auf? Wer steigt ab?

Der HSV und Darmstadt steigen auf. In der Aufstiegsrelegation sehe ich Kaiserslautern. Der SV Sandhausen und Jahn Regensburg müssen runter, Eintracht Braunschweig geht in die Abstiegsrelegation.

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