• Das DFB-Team steht bei der WM 2022 gegen Spanien enorm unter Druck, es droht das Aus.
  • Die Südeuropäer sind in Katar spektakulär ins Turnier gestartet.
  • Im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt ein Kenner des spanischen Fußballs Trainer, Kader und Taktik des deutschen Gruppengegners.

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Es wird eng für die deutsche Nationalmannschaft. Nach dem überraschenden 1:2 (1:0) gegen Japan erwartet das DFB-Team am Sonntag gegen Spanien (20 Uhr, MEZ, hier im Live-Ticker) bei der WM 2022 früh ein Endspiel.

Verliert die Auswahl von Bundestrainer Hansi Flick gegen die Iberer, und gewinnen die Japaner gegen Costa Rica, war es das mit dem Achtelfinale. In diesem stünden in diesem Fall die Japaner und die Spanier, die Costa Rica 7:0 (3:0) abfertigten.

Die Ausgangslage verschärft, dass der Gegner in Topform ist. Was die "Furia Roja" auszeichnet, und wie der Nationalcoach tickt, erklärt der deutsch-spanische Sportjournalist José Carlos Menzel López unserer Redaktion.

Der Trainer Spaniens: Luis Enrique ist ein "harter Typ"

"Luis Enrique ist ein sturer, harter, geradliniger Typ. In Spanien stehst du immer unter Beobachtung: Nimmst du genügend Spieler von Real Madrid und Barca mit? Das war ihm alles egal. Er hat gesagt: 'Ich mach mein Ding'", erzählt López. Der 33-Jährige ist stets bestens informiert. Er arbeitet für die Münchner "tz" als Reporter über den FC Bayern und den DFB sowie als Korrespondent für die spanische Sportzeitung "as" über die Bundesliga.

Weil sein Vater aus Andalusien stammt und auch seine Mutter spanische Wurzeln hat, ist er regelmäßig in Sevilla und macht sich vor Ort ein Bild von "La Liga". Nationalcoach Enrique wurde fußballerisch auf der anderen Seite Spaniens ausgebildet, in Gijón, im äußersten Norden.

Der heute 52-Jährige holte als Spieler Titel mit Real Madrid (1991–1996) und mit dem FC Barcelona (1996 –2004). Die Katalanen waren zwischen 2014 und 2017 auch seine erste große Station als Trainer – in diese Zeit fielen zwei spanische Meisterschaften (2015, 2016) und der Gewinn der Champions League (2015).

"Vor der letzten EM haben ihm viele nachgesagt, er nehme zu viele Barca-Spieler mit und zu wenige von Real. Das war ihm wurscht", erzählt Lopéz unserer Redaktion: "Auf Pressekonferenzen hat er immer einen flapsigen Spruch parat. Er ist locker-lässig und mürrisch zugleich." Enrique nehme indes nicht unbedingt die besten Spieler mit zu einem Turnier, "sondern diejenigen, die in seiner Nationalmannschaft funktionieren".

Der Kader Spaniens: Dani Olmo, Gavi und Ansu Fati stehen für Spektakel

Spanien kommt über das Kollektiv, erklärt López, Kapitän Sergio Busquets (34, FC Barcelona) sei der einzige ganz große Name. "Er ist aber dezent über seinem Zenit", findet Lopéz. Zur Einordnung: Spanien stellt einen der jüngsten Kader der Fußball-WM, mit Spielern wie den Barca-Juwelen Gavi (18) und Ansu Fati (20). "Sie haben alle die Ballbesitzschule von klein auf mitbekommen", erzählt der Sportjournalist.

Was auffällt: Bei all der jugendlichen Frische hat Enrique wesentliche Positionen mit Routiniers besetzt. Cesar Azpilicueta (33, FC Chelsea) und Jordi Alba (33, Barca) sind als Außenverteidiger gesetzt, Busquets dirigiert das Spiel von der Sechserposition. Alvaro Morata (30) von Atlético Madrid ist als klassischer Neuner der Edeljoker.

Eine besondere Note verleiht dem Spiel laut López aber RB Leipzigs Dani Olmo (24): "Er hat diese Explosivität, um über Außen im Eins gegen Eins hinter eine dicht gestaffelte Abwehrkette zu kommen."

Der Mentalität Spaniens: "Furia Roja" war gestern

Natürlich sei man dazu geneigt, "wenn man über südländische Mannschaften spricht, immer auf die Emotionalität zu gehen. Ich würde das bei Spanien aber komplett von der Hand weisen", meint er: "Die Zeiten der 'Furia Roja', der roten Furie, gehören der Vergangenheit an."

Luis Enrique sei ein Teil davon gewesen. López nennt ein prominentes Beispiel: Im WM-Viertelfinale 1994 brach der Italiener Mauro Tassotti dem heutigen Trainer mit dem Ellenbogen das Nasenbein – nach hitzigen Duellen zuvor. Spanien ist mittlerweile aber vielmehr eine Mannschaft, "die sich über einen klar definierten Spielstil auszeichnet", erklärt López.

Der Spielstil Spaniens: Dominant am Ball, vertikal in der Box

Geprägt ist dieser Spielstil durch die spanische Ballbesitzschule und das typische Positionsspiel. "Seit 2008 und auf Lebzeiten hinaus ist die Essenz des spanischen Spiels die gute Ballbehandlung, gepaart mit dominantem Ballbesitz. Das darf man nicht auf steriles Ball-Hin-und-Her-Geschiebe reduzieren", sagt der Fußballreporter: "Spieler wie Olmo und Ansu Fati können im letzten Drittel auch mal vertikal spielen, einen Sprint ansetzen und eine Flanke reinschlagen."

Gibt es eine Schwäche? López: "Gegen Sechser- und Fünferketten tun sie sich schwer, durchzukommen."

Der Moment der WM-Historie: Krönung gegen die Niederlande

Es war der 11. Juli 2010, Spanien im Finale von Südafrika gegen die Niederlande (1:0) klarer Favorit. "Es war der erste WM-Titel Spaniens, der Höhepunkt einer Epoche mit drei Titeln in Folge", sagt López und verweist auf die EM-Siege 2008 sowie 2012.

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"Es gab in diesem Finale viele entscheidende Momente. Zum Beispiel das Eins gegen Eins von Arjen Robben gegen Iker Casillas, als dieser den Ball irgendwie mit dem Knöchel um das Tor lenkte", meint der Sportjournalist: "Die Niederländer haben Mark van Bommel und Nigel de Jong von der Leine gelassen, damit sie die Knöchel und Kniescheiben von Xavi, Iniesta und Xabi Alonso bearbeiten." Vergeblich: Barca-Ikone Iniesta erzielte in der Verlängerung (116.) das einzige Tor.

Letztendlich habe laut López "die Überzeugung, die Idee für eine Spielphilosophie gesiegt". Typisch Spanien.

Verwendete Quellen:

  • Interview mit Spanien-Experte José Carlos Menzel López
  • transfermarkt.de: Kader der spanischen Nationalmannschaft
  • tagesspiegel.de: Als sich Luis Enrique eine blutige Nase holte
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