Bisher hat die deutsche B-Jugend jedes WM-Spiel gewonnen. Nun steht am Samstag um 13 Uhr das Finale gegen Frankreich an – und die Versuchung ist groß, dass die Erwartungen zu hoch sind.

Pit Gottschalk
Eine Kolumne
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Der Junge, der am vergangenen Dienstag zum deutschen WM-Helden aufstieg, heißt Konstantin Heide, ist 17 und Torwart bei Unterhaching. Das Halbfinale gegen Argentinien hat er nur bestritten, weil Stammtorwart Max Schmitt erkrankt ausfiel. Ob Heide nach seinen zwei sensationell parierten Elfmetern das WM-Finale am Samstag gegen Frankreich bestreiten darf, ist zur Stunde offen. Auch ein U17-Jugendteam hat seine Hierarchien. Schmitt ist wieder gesund.

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RTL wird es sich trotzdem nicht nehmenkinde lassen, Konstantin Heide und seine Mitstreiter ins Rampenlicht zu rücken. Der Kölner Fernsehsender hat sich die Rechte an der Live-Übertragung im Free-TV gesichert (Samstag ab 13 Uhr) und wird, was richtig ist, von den Heldentaten beim Fußballnachwuchs erzählen. Bisher hat die Mannschaft noch kein einziges WM-Spiel verloren. Als Zuschauer ist man dann schnell in Versuchung, dass alles andere als der Gewinn der Weltmeisterschaft eine Enttäuschung ist.

U17: Es sind noch Kinder

Man vergisst dann schnell die beiden wichtigsten Dinge. Erstens: Es sind noch Kinder. Zweitens: Der Zuschauer darf von Teenagern nichts Übermenschliches erwarten. Mehr noch: Niemand kann mit Gewissheit voraussagen, ob die Jungs, die der DFB-Auswahltrainer Christian Wück so erfolgreich auf das WM-Turnier in Indonesien vorbereitet hat, tatsächlich das Zeug zum Fußballprofi haben. Sagen wir es so: Sie bringen die besten Voraussetzungen mit – nicht mehr, nicht weniger.

Allein, dass die deutsche B-Jugend erstmals seit Jahrzehnten überhaupt in ein WM-Finale vorgestoßen ist, sollte uns stolz machen. Wie oft haben wir über Nachwuchsprobleme geschimpft, die Jugendförderung beim DFB infrage gestellt oder den Abgesang des deutschen Fußballs ab 2028 angestimmt? Nun stellen wir fest: Die B-Jugend, seit Sommer Europameister, kann sogar mit den besten Mannschaften der Welt mithalten und sie besiegen.

Konstantin Heide durfte sogar schon für seinen Verein bei den Erwachsenen in der 3. Liga ran, was womöglich sogar die größere Herausforderung ist, und muss gleichzeitig die Balance mit der Schule hinkriegen. Dass er das Abitur schafft, so liest man sein Interview in der TZ, ist keinesfalls sicher. Aber er gibt die Priorität vor: Die Schule ist wichtiger. Die Einstellung ist klug. Wir Zuschauer sollte das im Hinterkopf haben, wenn wir uns das WM-Finale vom Sofa aus ansehen.

Konstantin Heides Mitspieler Paris Brunner, der andere deutsche WM-Held, bekam im Oktober bei seinem Stammverein schon einen Vorgeschmack, dass die Öffentlichkeit die Grenze zwischen Jugendfußballer und Profispieler als fließend empfindet und nicht immer Rücksicht nimmt. Borussia Dortmund hatte seinen Jungstar "aus disziplinarischen Gründen" suspendiert, was Spekulationen befeuerte, was darunter zu verstehen ist.

Talent allein reicht nicht zum Durchbruch

Jede Berichterstattung nährte die Gerüchte. Mit Müh' und Not kamen keine Details ans Tageslicht; irgendwann konnte sich der Junge auf das WM-Turnier in Indonesien konzentrieren. Gut so!

Youssoufa Moukoko, inzwischen 19 und früher selbst ein gefeierter Spieler in den DFB-Auswahlmannschaften, sollte Vorbild und Warnung sein: Talent allein reicht nicht zum Durchbruch im Männerfußball. Man braucht mindestens Nerven aus Stahlseilen. Und ein bisschen Glück.

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Es mag unjournalistisch wirken, wenn man mit einem gewissen Wohlwollen auf das WM-Finale am Samstag blickt. Zu oft hören und lesen wir, unabhängig vom Fußball, dass die sogenannte Jugend von heute Zielstrebigkeit und Eigenmotivation vermissen lässt. In Indonesien sehen wir das genaue Gegenteil dieser falschen Behauptung: Diese Jungs leben ihren Traum. Wir sollten sie darin unterstützen. Ganz gleich, wie das eine Spiel gegen Frankreich ausgeht.

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