Wenn König Charles Deutschland besucht, jubeln ihm viele Menschen zu. Eine, die das niemals tun würde, ist die Britin Jacinta Nandi: Sie lebt seit 23 Jahren in Berlin und kritisiert die Monarchie in ihrem Heimatland und die Liebe der Deutschen für die britischen Royals.

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Wenn Jacinta Nandi über Großbritannien spricht, tut sie das leidenschaftlich. Die 43-jährige Autorin ist in London geboren, lebt aber schon seit 23 Jahren in der deutschen Hauptstadt - also in der Stadt, die König Charles derzeit unter anderem bei seiner ersten Auslandsreise besucht.

Doch Jacinta Nandi gehört nicht zu den Britinnen, die im Union-Jack-Anzug am Straßenrand stehen und ihrem König zuwinken. Nandi braucht diesen König nicht, vielmehr kritisiert sie die Monarchie und so gut wie alles, was damit zusammenhängt. "Ein erwachsenes Land braucht das System Königsfamilie nicht", sagt sie, "wir brauchen keine Familie mit magischem Blut oder magischen Spermien, die immer automatisch Staatsoberhaupt sind. Das ist Quatsch und eine Verschwendung von Leben."

Am Tag, nachdem Charles und Camilla mit militärischen Ehren am Brandenburger Tor empfangen werden, sitzt sie morgens in einem Café am Pariser Platz und spricht über ihr Heimatland, über den König, über Harry und William, über Kate und Meghan.

Deutsch ist nicht ihre Muttersprache, doch Jacinta Nandi findet direkte Worte für ein Land, das einen König verehrt, der gar nicht sein eigener ist. "Die Deutschen sind geizig, Ihr zahlt nichts für unsere königliche Familie. Wenn Ihr der Familie zujubelt, nehmt Ihr alle Benefits mit, es kostet Euch aber nichts."

Der Jubel, als König Charles III. und Queen Consort Camilla am Mittwoch am Brandenburger Tor ankommen, ist überschaubar und schnell wieder vorbei. Würde die Queen noch leben, wäre das vermutlich anders gewesen, die britische Monarchin hatte auch hierzulande viele Fans. Warum war sie so beliebt? "Weil sie so langweilig war, sie hatte keine Persönlichkeit, war total grau. Kate Middleton ist auch langweilig", sagt Jacinta Nandi bestimmt. "Camilla ist zu interessant, Meghan ist zu interessant, Charles ist zu interessant. Er ist nicht so beliebt wie die Queen."

"Harry und Meghan sind genauso rassistisch wie die königliche Familie"

Prinz Harry und Herzogin Meghan haben sich als arbeitende Royals zurückgezogen, leben seither in Kalifornien - und sorgen dennoch immer wieder für Aufmerksamkeit: durch die Interviews, die sie geben, die Netflix-Dokus, die sie drehen, oder die Autobiografien, die sie schreiben.

"Ich bin sauer auf Harry, weil er in seinem Buch geschrieben hat, es wäre so schön, eine anti-rassistische Monarchie zu haben", sagt Nandi. "Wie kann eine Monarchie anti-rassistisch sein, wenn es um Blut geht? Wenn es um die Überlegenheit des Windsor-Blutes geht? Es ist doch schon eine rassistische Idee, dass manches Blut anderem Blut überlegen ist."

Zwar kann die britische Autorin verstehen, dass sich die beiden aus dem Blitzlichtgewitter und der permanenten Aufmerksamkeit zurückgezogen haben. "Aber es ist krass, was Harry und Meghan gedacht haben: Nur weil Meghan eine etwas dunklere Hautfarbe hat, reicht es, dass sie einmal winkt, und dann sind damit alle Sünden des Empire ausgelöscht? Harry und Meghan leben eine andere Art des Rassismus, sind aber genauso rassistisch wie die königliche Familie, weil sie den Rassismus akzeptierbar machen wollen."

Queen hat sich nicht zu Kolonialismus geäußert

Das Thema Kolonialismus kam in der 70-jährigen Regentschaft der Queen immer wieder auf. Geäußert hat sie sich dazu nie, so wie es auch von ihr erwartet wurde: Der Monarch im Vereinigten Königreich lebt in einer konstitutionellen Monarchie, das heißt, dass seine Macht durch eine Verfassung beschränkt ist. Seine Aufgabe ist repräsentativ.

Jacinta Nandi: "Beim Thema Kolonialismus hieß es immer, die Queen darf sich dazu leider nicht äußern. Charles ist in Großbritannien unbeliebt bei Anti-Monarchisten, weil er seinen Mund nicht halten kann. Ich finde es super, dass er - im Gegensatz zur Queen - etwas sagt. Er wäre ein super Politiker, aber kein Staatsoberhaupt. Er ist kein geeigneter Monarch."

Irgendwann am späten Vormittag kommt Bewegung auf den Pariser Platz, Polizeiautos fahren vor, Polizisten sitzen auf Motorrädern, schwarze Autos rollen über den Platz. Auf einmal biegt König Charles' weinroter Bentley um die Ecke, das Auto, das der Monarch extra aus Großbritannien mit nach Deutschland genommen hat. Charles wird abgeholt, um um 12 Uhr seine Rede im Bundestag zu halten. Sofort finden sich Schaulustige am Straßenrand gegenüber des Hotel Adlon ein, halten ihre Handykameras in die Höhe.

Nandi zeigt sich unbeeindruckt von dem Rummel vor dem Tor. "Charles übernachtet im Adlon, wie Michael Jackson? Wer bezahlt dafür?" Dann spricht sie weiter: "Ich finde es so komisch, dass es immer heißt, die seien so bescheiden, tragen aber gleichzeitig so viele Juwelen." Die Nacht im Hotel Adlon soll das royale Paar 20.000 Euro kosten, wie die dpa berichtet, inklusive Butler rund um die Uhr in der 185-Quadratmeter-Suite.

Jacinta Nandi: In 100 Jahren gibt es die Monarchie nicht mehr

"Die Royal-Family unterstützt die doofe Idee, dass man für diese besondere Position im Leben geboren ist", sagt Nandi. "Harry ist geboren, um reich zu sein und im Luxus zu leben. Aber jemand, der in London um die Ecke vom Buckingham Palace in einem Hochhaus geboren wird und von dort den Palast sogar sehen kann, ist geboren, um arm zu sein." Wenn es nach der 43-Jährigen ginge, sollte die Monarchie komplett abgeschafft werden.

"Mein Vorschlag ist, dass die gesamte königliche Familie es genauso macht wie Harry - diese Idee habe ich mir mit meiner Tante ausgedacht: Sie dürfen ein paar Schlösser behalten, alle anderen werden öffentlich genutzt. Die Mitglieder der Royal-Family werden als Beamte angestellt, sind dann Teil des Civil Service und arbeiten als Diplomaten. Der Monarch arbeitet wie der Bundespräsident in Deutschland, als Staatsoberhaupt. Und so beschneiden wir langsam die Macht der königlichen Familie."

In 100 Jahren, so kann sie es sich vorstellen, wird es die britische Königsfamilie nicht mehr geben. Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg. Nandi: "Ich glaube, wenn ich eine alte Frau bin, wird das britische Staatsoberhaupt eine ähnliche Funktion haben wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Deutschland."

Jacinta Nandi, 43, ist Royal-Kritikerin und Autorin. Sie schreibt für Zeitschriften und Zeitungen und hat zudem Bücher veröffentlicht. In ihrem Buch "What the Fuck Berlin" gibt sie Expats, also Personen, die in einer fremden Kultur außerhalb ihres Heimatlandes leben, einen Guide durch die Hauptstadt.

Mit Material der dpa.


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