Eine intensive Woche liegt hinter mir. Erst demonstriert der BVB in München eindrucksvoll, dass auf ihn in entscheidenden Moment immer Verlass ist und die Schwarz-Gelben jederzeit fähig sind, dem finanzseitig um Lichtjahre enteilten FC Bayern auf Augenhöhe zu begegnen.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Marie von den Benken dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Jedenfalls so zehn bis zwölf Minuten lang. Spätestens dann besinnt man sich bei den Malocher-Millionarios aus dem Pott gerne auf seine Kernkompetenz: Versagen im deutschen Klassiker. Selbst der aktuell wohl beste Torwart der Liga, Gregor Kobel, spart sich seinen entscheidendsten Slapstick-Fehler ausgerechnet für den Auftritt in der Kalle-Rummenigges-Rolex-Arena München-Fröttmaning auf.

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Als wäre das nicht genug, begebe ich mich darüber hinaus auch noch in die Höhle des Altherrenwitz-Löwen und wohne am Donnerstag dem TV-Ereignis "Nuhr im Ersten" bei. Nachdem Jan Böhmermann (der einzige Mann, den die "BILD" noch dringender cancel culturen möchte als Robert Habeck) am Wochenende zuvor mit #NuhrImZweiten für einen Empörungs-Kollaps der Stufe 12 auf der "Annalena Baerbock kann kein Englisch"-Skala von 0 bis 10 gesorgt hatte.

Diese unerwartete Special-Edition des "ZDF Magazin Royale" war vom Original so wenig unterscheidbar, dass selbst im AfD-Kosmos und den angeschlossenen Medienhäusern kurz Konfusion herrschte. Da wollte ich bei der Reaktion von Deutschlands Lieblings-Spaßmacher rechts der Union natürlich live dabei sein. Und was soll ich sagen: Es hat sich, naja, gelohnt. Eine knappe Stunde wurde dem artig schenkelklopfenden Publikum erläutert, dass sich Luisa Neubauer und ihre Klimaterroristenfreunde demnächst lieber in Peking auf die Straße kleben sollten.

Bitte Nuhr in China Klebstoff mitführen

Dass China inzwischen Weltmarktführer in zukunftssichernden Branchen wie Solar, Photovoltaik oder E-Automobile ist: egal. China emittiert mehr Treibhausgase als Deutschland, also bitte dort weiter demonstrieren.

Der Anteil der Selbstdenker im Saal liegt bei nahezu 100%. Erleuchtete Mainstream-Medien-Kritiker, die dem ÖRR schon lange nicht mehr vertrauen, weil man da ja nicht mehr die Wahrheit sagen darf. Also außer Dieter Nuhr jede Woche. Und vielleicht Sahra Wagenknecht. Na gut, und hin und wieder Richard David Precht. Aber klar ist: Die woken Verbots-Nepoleoninnen, die uns Gendern vorschreiben und Fleisch aus Massentierhaltung verbieten wollen, die bekommen beim Staatsfunk mindestens zwölfhundert Mal so viel Sendezeit wie Nuhr und seine Humor-Adjutantin Lisa Eckhart zusammen im Quadrat!

Am Ende gibt es von Nuhr dann noch tagesaktuell einen hübschen Gag über das Aussehen der britischen Königsgattin ("ich dachte erst, König Charles wäre mit dem Pferd nach Berlin gekommen, aber war Camilla") – ein rundum gelungener Abend also für Freunde der politischen Korrektheit, die sich einen Tag später auf Twitter dann wieder wie selbstverständlich in Clickbait-Diarrhöe echauffieren können, wenn zwei Männer per Metaebene ironisch als vermeintlich miteinander liiert skizziert werden - und Kritik an ihrer Verbindung als homophob. Ganz so, als wäre "schwul" ein Schimpfwort oder Homosexualität etwas, mit dem man andere beleidigen könnte. Wahrhaftig faszinierend, wie die Weltmeister der Doppelmoral wirklich in jeden Honeypot springen, der ihnen auf dem Boulevard der Eitelkeiten dargereicht wird. Die Deutungshoheits-Revolution frisst ihre Kinder.

Das "K" in Lindner steht für Kinderfreundlichkeit

Das "Klimaaktivisten-sind-Scheiße"-Musical von Dieter Eckhart und Lisa Nuhr sowie die Defensivleistung des BVB bleiben aber nicht die einzigen Auftritte der Woche, die verdächtig nach Comedypreis riechen. Auch der Chris Tall der Bundesregierung, Christian Lindner, hat offenbar einen Pointen-Drucker im Keller. Anders ist sein aktueller Gag-Lauf nicht zu erklären. Erst sein Herzensprojekt E-Fuels, dann der Satz "Es ist nicht Volker Wissing, der die Klimaziele im Verkehr nicht erreicht, sondern die Bürgerinnen und Bürger." Schon jetzt Legende.

Dass "die Bürgerinnen und Bürger" zwar theoretisch entscheiden können, ob sie mit einem Porsche Turbo oder einem Lastenfahrrad zur Arbeit fahren, nicht aber, ob es überhaupt eine ÖPNV-Verbindung zu ihrer Arbeitsstelle gibt, vergisst Lindner dabei selektiv. Vielleicht wusste er aber auch nicht, wer die Verkehrswende politisch vorantreiben könnte. Der Verkehrsminister kann es ja nicht sein, der muss noch Schilder zählen, um Tempolimits zu verhindern.

Im Grand-Slam der sozialverträglichen Sympathie-Entscheidungen gelingt Lindner diese Woche sogar das Triple. Nachdem die Steuereinnahmen demnächst die Billionen-Grenze übersteigen werden, hat der Staat deutlich mehr Geld zur Verfügung als geplant. Diese Rekordeinnahmen, das unterstreicht Lindner als unermüdlicher Kämpfer gegen die Volkskrankheit "Gratismentalität" deutlich, werden definitiv nicht in eine Kindergrundsicherung fließen. Warum auch, wo doch in Deutschland nur jedes fünfte Kind in Armut lebt oder von Armut bedroht ist? Jeder Porsche-Aktionär weiß doch: Diese wichtigen Steuergelder sind bei subventioniertem E-Fuels-Treibstoff viel besser aufgehoben.

Und wenn diese in Armut lebenden Kinder sich nur mal ein paar Jahre richtig anstrengen, dann können sie vielleicht auch eines Tages Porsche fahren – und freuen sich darüber, dass Lindner 2023 die weise Entscheidung traf, lieber E-Fules zu subventionieren als Kinder. Ein politischer Geniestreich epischen Ausmaßes: Motivatorisch und bildungsfördernd. Warum Kindern, die heute hungern, bessere Versorgung ermöglichen, wenn man alternativ aufzeigen kann, wie satt man als Milliardär sein könnte, wenn man ebenfalls von Steuervergünstigungen für Superreiche profitiert. Es wird niemand gezwungen, arm zu bleiben!

Christian-Robin Lindner-Hood is in da Finanzministerium

Im Prinzip ist Christian Lindner ein "Reversed Robin Hood": Er nimmt es den Armen und gibt es den Reichen. Unglücklicherweise gibt es deutlich weniger Millionäre als Menschen, die sich ein dauerhaftes 9-Euro-Ticket, vernünftige Klimapolitik oder gar soziale Gerechtigkeit wünschen. Einer der Gründe, warum die FDP aktuell bei 1 % Zustimmung liegt und für die vergangenen Landtagswahlen Subventionen selbst ganz gut hätte gebrauchen können. Also, in Form von Stimmen. Leider kann man Wählerstimmen nach wie vor eher mit guter Politik und zukunftsweisenden Ideen generieren als mit Steuererleichterungen für Millionäre.

Was für eine Heldenreise, in der König Lindner Woche für Woche beeindruckend untermauert, dass die FDP möglichst jedes Klischee einer Bonzen-Partei zu erfüllen gedenkt. Seinen neuesten Joker innerhalb des Wettbewerbs, so viele Landesparlamente wie möglich zu verlieren und frühzeitig sicherzustellen, dem nächsten Bundestag maximal als außerparlamentarische Opposition beizuwohnen, hat Lindner diese Woche gezogen: Er will ungeplant frei gewordene 2,2 Milliarden Euro aus einem nationalen Rettungsfonds lieber an Banken verschenken, als zum Beispiel für eine Teildeckung der fast 23 Milliarden Euro Schulden zu nutzen, die noch auf dem Finanzmarktstabilisierungsfonds liegen. Obwohl dies laut einem Rechtsgutachten vermutlich der einzig legale Verwendungszweck wäre. Lieber nicht regieren als schlecht regieren. Ich wollte nur noch mal daran erinnern.

Sportliches Gendern mit Tante Käthe

Der Christian Lindner des DFB, der neue starke Mann Rudi Völler, rettet die Nationalmannschaft ähnlich souverän wie die FDP die Porsche AG. Seine erste Amtshandlung: Die "One Love"-Kapitänsbinde verschwindet. Nicht, weil Rudi etwas gegen LGBTQ+ Rechte hätte. Nein. Der Fußball soll nur nicht mehr politisch sein. Es ist Sport, keine Talkshow bei Lanz. Um zu demonstrieren, wie wenig politisch es unter ihm im Nationalteam zugehen wird, gibt er diese Woche ein Schlüsselinterview.

Da der Fisch immer vom Kopf stinkt, wie der Volksmund weiß, demonstriert Völler dabei die neue unpolitische Richtung direkt von ganz oben aus der Chefetage und fokussiert sich ausschließlich auf sportliche Themen. Etwa das Gendern: "Gendern ist nicht mein Ding".

Da sieht man mal, was linksgrüne Kinderbuchautoren mit ihren hyperkorrekten Sprachpolizeiwachen an jeder Ecke alles anrichten: Wie sehr muss das unbescholtene Gender-Opfer Völler all die Jahre gelitten haben, überall nur "Tante Käthe" genannt zu werden? Zum Glück sind diese Zeiten vorbei. Mit der Bitte, sich diese Woche ebenfalls nur um sportliche Themen zu kümmern und deshalb auf keinen Fall zu gendern, sage ich: Bis Montag!

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