Junge Spieler haben unter Carlo Ancelotti einen schweren Stand. Kimmich, Sanches und Coman kommen kaum zum Einsatz. Dabei soll beim FC Bayern München doch ein großer Umbruch geschehen. Passen die Strategie des Vereins und des Trainers überhaupt noch zusammen?

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Gestern herrschte große Aufregung bei den Bayern. Die "Stuttgarter Zeitung" und die "Stuttgarter Nachrichten" vermeldeten, dass Joshua Kimmich den FC Bayern München zum Saisonende verlassen möchte.

Der Rekordmeister dementierte die Berichte und kündigte sogar rechtliche Schritte gegen die Zeitungen an.

An der Unzufriedenheit von Kimmich dürfte allerdings kein Zweifel bestehen.

Vom Überflieger zur Spielerbank

Ein kleiner Rückblick: Als Kimmich im Sommer 2015 zum FC Bayern München kam, mutierte er sofort zum Überflieger.

Ob nun Mittelfeld, Rechtsverteidiger oder Innenverteidiger – unter Pep Guardiola war Kimmich die Allzweckwaffe.

Rechtzeitig zur Europameisterschaft schaffte er es sogar in die deutsche Nationalmannschaft. Der heute 22-Jährige zählte zu den großen Gewinnern der EM.

Als im Sommer 2016 Trainer Carlo Ancelotti den FC Bayern München übernahm, ging es für Kimmich rapide bergab.

Erst als die Meisterschaft praktisch entschieden war, kam er häufiger zum Einsatz. In den entscheidenden Champions-League-Spielen stand er ohnehin nie in der Startelf.

Im defensiven Mittelfeld kam er nicht an Xabi Alonso vorbei. Als Außenverteidiger scheint Ancelotti Kimmich nicht zu sehen. Möglicherweise aufgrund seiner Defizite in der Geschwindigkeit und im Defensivverhalten.

"Ich bin darüber nicht glücklich. Das ist nicht zufriedenstellend und auch nicht mein Anspruch", sagte Kimmich bereits im März.

Ancelotti ist kein Talentförderer

Kicker-Kolumnist und Ex-Profi Thomas Berthold glaubt, dass junge Spieler unter Ancelotti grundsätzlich einen schweren Stand haben.

"Wer einen Carlo Ancelotti verpflichtet, sollte wissen, was er kriegt: Einen Trainer, der es gewohnt ist, mit fertigen Stars zu arbeiten. Er ist keiner, der Talente entwickelt."

Bei seinen vorherigen Stationen Real Madrid, Paris Saint-Germain und FC Chelsea steckten teure Transfers praktisch in der Vereins-DNA.

Die Entwicklung junger Spieler stand zumindest nicht im Mittelpunkt. Bei den Bayern sieht die Situation etwas anders aus.

Uli Hoeneß fordert, dass zukünftig mehr eigene Talente entwickelt werden. "Es kann natürlich nicht sein, dass wir Millionen in die Jugendausbildung investieren und den Talenten den Weg mit teuren Stars von außen verbauen", sagte der Präsident gegenüber der "Sport Bild".

Am 1. August eröffnet der neue "FC Bayern Campus". In Hermann Gerland wurde ein erfahrener Trainer zum Nachwuchsleiter ernannt.

Bereits jetzt steckt der Bayern-Nachwuchs voller Top-Talente wie den U-Nationalspielern Timothy Tillmann (18 Jahre) oder Marcel Zylla (17).

Doch was nützt der beste Nachwuchs, wenn der Cheftrainer jungen Spielern wenig zutraut? Kimmich ist nicht das einzige Beispiel dafür.

Fehlendes Vertrauen

Der Fall Renato Sanches: Im Sommer 2016 kam er für 35 Millionen Euro von Benfica Lissabon nach München.

Der 19-Jährige galt als eines der größten Talente der Welt, hatte gerade erst mit Portugal die Europameisterschaft gewonnen.

Ancelotti setzte allerdings wenig Vertrauen in den Mittelfeldspieler. Mittlerweile ist Sanches als Flop verschrien.

Der Fall Kingsley Coman: Der Außenspieler kam mit 19 Jahren im Sommer 2015 von Juventus Turin zum FC Bayern München und schlug sofort ein. Er galt bereits als der Nachfolger von Arjen Robben und Franck Ribery.

Dann aber kam Ancelotti nach München – seitdem steckt Coman im Formtief. In der Champions League kam er kaum noch zum Einsatz.

Möglicherweise würde ein Sportdirektor wie früher Matthias Sammer helfen, um junge Spieler wieder aufzubauen.

Sammer war nahe an der Mannschaft dran und hatte die Zeit, frustrierten Talenten Mut zuzusprechen.

Doch ein Nachfolger für Sammer wurde bislang nicht gefunden. Und Ancelotti fühlt sich für die Nachwuchsförderung offenbar nicht zuständig.

FC Bayern vor dem Umbruch

Der Trainer sagt: "Ich bin nicht der Trainer der jungen Spieler und nicht der Trainer der alten Spieler. Ich bin Trainer von Bayern München und muss die Aufstellung auswählen, die Bayern München am besten hilft."

Klingt so, als würde er an seiner Strategie nicht viel ändern wollen. Allerdings stellt sich dann die Frage, ob Ancelotti aktuell der richtige Trainer für die Bayern ist.

Der FC Bayern München steht zweifelsohne vor einem Umbruch. Der langjährige Kapitän Philipp Lahm und Xabi Alonso machen zum Saisonende Schluss.

Die Schlüsselspieler Arjen Robben (33) und Franck Ribery (34) dürften nicht mehr lange spielen.

Auch einige andere Spieler werden schon bald das hohe Fußballer-Alter erreichen. Arturo Vidal feiert am Montag seinen 30. Geburtstag. Kommendes Jahr steht das gleiche bei Robert Lewandowski, Jerome Boateng und Mats Hummels an.

Es wäre also höchste Zeit, junge Spieler in die Mannschaft zu integrieren. Ob Ancelotti das genauso sieht, scheint allerdings fraglich zu sein.

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