In Thüringen haben CDU, FDP und AfD gemeinsam ein Gesetz durch den Landtag gebracht. Ein Tabubruch? In Berlin sind sich die Bundesparteien darüber uneinig. Der Kampf um die Deutungshoheit ist in vollem Gange.

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Das Wort AfD nimmt CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann am Montag zunächst nicht in den Mund. Wer die vergangene Woche verschlafen hat, könnte davon ausgehen, dass in Thüringen etwas Alltägliches passiert ist: Die CDU im Landtag stimmte für die Senkung der Grunderwerbsteuer, die beim Kauf von Immobilien fällig wird. Es sei der Thüringer CDU dabei um die "Entlastung von Familien" gegangen, sagt Linnemann auf der Pressekonferenz in der CDU-Bundesgeschäftsstelle.

Die Mehrheit kam allerdings nur zustande, weil CDU, FDP und AfD gemeinsam für diesen Schritt gestimmt hatten. Die anderen Parteien reagierten mit scharfer Kritik, auch weil das Landesamt für Verfassungsschutz die Thüringer AfD als "gesichert rechtsextrem" einstuft. In der CDU selbst stieß die Abstimmung teilweise auf Kritik: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther bezeichnete sie als "schwere Fehlentscheidung".

CDU argumentiert mit dem Bundeskanzler

In seiner Partei ist Günther allerdings eine Einzelstimme. Die Botschaft des Generalsekretärs lautet am Montag: Die Gremien der CDU stehen klar hinter dem Thüringer Landesverband. Zwar sagt Linnemann über die AfD: "In dieser Partei gibt es nachweislich Nazis. Mit denen möchte ich gar nichts zu tun haben."

Er sagt aber auch: "Wir dürfen uns nicht abhängig machen von anderen, wenn es um unsere Überzeugungen geht." Die CDU hat dafür auch einen prominenten Kronzeugen aus dem anderen politischen Lager gefunden: "Der Bundeskanzler selbst teilt diese Meinung", sagt Linnemann: Olaf Scholz hatte in einem Interview mit der Thüringer Allgemeinen (Bezahlinhalt) gesagt: "Niemand sollte sich davon abhängig machen, wie die AfD abstimmt."

Auch sonst spielt die Union den Ball an die anderen Parteien zurück. In Thüringen regiert eine Koalition aus Linken, SPD und Grünen, die allerdings keine Mehrheit im Landtag hat. Rot-Rot-Grün habe ebenfalls schon gemeinsam mit der AfD abgestimmt, betont Linnemann. Die stellvertretende Parteivorsitzende Karin Prien sagt auf der CDU-Pressekonferenz zur Kritik der SPD am Thüringer Vorgang: Die anderen Parteien sollten sich lieber selbst fragen, was sie gegen das Erstarken der AfD tun können.

Lars Klingbeil: "Hat mich geschockt"

Eine Kritik, die zeigt: Der Kampf um die Deutungshoheit über das, was in Thüringen abgelaufen ist, hat längst begonnen. Montagmittag, Berlin-Kreuzberg. Das SPD-Präsidium hat getagt. Mit leichter Verspätung tritt SPD-Chef Lars Klingbeil im Willy-Brandt-Haus vor die Presse. Er will etwas klarstellen: "Was letzte Woche in Thüringen passiert ist, hat mich geschockt."

"Man wollte dort gemeinsame Sache mit der AfD machen. Ich halte das für unerträglich."

Lars Klingbeil

Klingbeil befürchtet eine dauerhafte Verschiebung der politischen Landschaft. Die CDU habe begonnen, eine rechtsextreme Partei zu normalisieren und ihr Gestaltungsmöglichkeiten einzuräumen. "Man wollte dort gemeinsame Sache mit der AfD machen. Ich halte das für unerträglich", so der SPD-Chef. Rechtsextreme wie der Thüringer AfD-Vorsitzende Björn Höcke dürften keinen Einfluss auf Entscheidungen haben.

Klingbeil sagt, er habe die Hoffnung, dass so etwas nicht nochmal passiere. Mit Blick auf CDU-Chef Friedrich Merz ergänzt er: "Wenn ich allerdings sehe, wie Herr Merz sich jetzt auch ein Stück weit feiern lässt dafür, dann fehlt mir der Glaube, dass man aus diesem Fehlverhalten irgendwie eine Konsequenz zieht", so der SPD-Vorsitzende.

Linken-Chefin Wissler bezeichnet CDU als "rechts-offen"

Auch für die Linken-Bundesvorsitzende Janine Wissler ist das Verhalten der Thüringer CDU ein klarer Tabubruch. "In Thüringen gehen AfD und CDU in riesigen Schritten aufeinander zu", sagt sie am Montag ebenfalls auf einer Pressekonferenz. Von CDU-Chef Merz gebe es "Rückendeckung für die Thüringer Parteifreunde". Damit mache er "die Zusammenarbeit mit der AfD hoffähig".

Wissler erinnert an die Vergangenheit Thüringens, wo die NSDAP bereits 1930 das erste Mal an einer Regierung beteiligt war. "Aus dieser Geschichte sollte man meinen, dass man gelernt hat, dass es keine Zusammenarbeit gibt mit Nazis", sagt die Linken-Chefin.

Die CDU wirft der linken Minderheitsregierung in Thüringen vor, die Senkung der Grunderwerbsteuer blockiert zu haben. Eine Kritik, die die Linke zurückweist. Es habe ausreichend Gesprächsangebote gegeben, so auch Wissler. Es sei offensichtlich, dass es der CDU darum gegangen sei, "ihren Gesetzesentwurf in dieser Form durchzusetzen und ihr völlig klar war, das geht nur mit den Stimmen von AfD". Für diese Art der Zusammenarbeit gebe es "keine Rechtfertigung". Die Thüringer CDU zeige immer wieder, "dass sie rechts-offen ist".

Die Alternative für Deutschland kann sich derweil uneingeschränkt über die neu hochkochende Debatte über den Umgang mit ihr freuen. "Merz' Brandmauer ist Geschichte – und Thüringen erst der Anfang", schreibt die AfD-Bundessprecherin Alice Weidel auf "X", vormals Twitter. Sie wird wissen: Während sich die anderen Parteien gegenseitig die Schuld für die Vorgänge in Thüringen zuschieben, profitiert vor allem die AfD.

Verwendete Quellen:

  • Pressekonferenzen von CDU, SPD und Linken
  • thueringer-allgemeine.de: Bundeskanzler Scholz: Mindestlohn steigt zu wenig
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