Seit sie mitregiert, hat die FDP eine Reihe von Landtagswahlen verloren. Trotzdem präsentieren sich die Liberalen auf ihrem Bundesparteitag selbstbewusst. Die Partei gefällt sich in ihrer Rolle als Rowdy der Koalition und verpasst ihrem Bundesvorsitzenden nur einen verkraftbaren Dämpfer: Bundesfinanzminister Christian Lindner wird mit 88 Prozent der gültigen Stimmen als Parteichef wiedergewählt.
Christian Lindner mag den Begriff 'Dienstwagen-Privileg' überhaupt nicht. Dahinter steckt eine steuerliche Vereinfachung für Menschen, die ihren Dienstwagen auch privat nutzen. Vor allem die Grünen würden dieses Privileg gerne abschaffen, um mehr Geld in den Bundeshaushalt zu bekommen. Der FDP-Parteivorsitzende und Bundesfinanzminister
Christian Lindner auf FDP-Parteitag: Keine "drakonischen Maßnahmen" in der Klimapolitik
Lindner sagt das in seiner Rede beim Bundesparteitag der FDP am Freitagmittag in Berlin. Beim Wort "arbeitende Mitte" bricht der bis dahin lauteste Applaus aus. Die Liberalen galten für viele Menschen lange als abgehobene Partei des Unternehmertums. Doch inzwischen wittert die FDP neue Verbündete. Denn Deutschland steht vor vielen Wenden: Zeitenwende, Wärmewende, Energiewende. Verkehrswende. Das erfordert ein Umdenken und Veränderungen, die bis hinein in diese "arbeitende Mitte" viel Verunsicherung stiften.
Lindners Botschaft: Bei der FDP ist die Mitte sicher. "Drakonische Maßnahmen" in diesen Veränderungsprozessen werde man verhindern, wenn sie gegen die Auffassungen der Mehrheit in der Gesellschaft verstoßen. Niemand müsse seinen Lebensstil ändern. "Das Leben mit Verbrennungsmotor im Thüringer Wald ist nicht besser oder schlechter als das Leben mit Lastenfahrrad im Prenzlauer Berg. Das sind freie Lebensentscheidungen", ruft der Finanzminister. Noch so ein Satz, mit dem er viel Applaus erntet.
Lindner erhält bei der Wiederwahl als FDP-Bundesvorsitzender 511 von 579 gültigen Stimmen. Das sind 88 Prozent Zustimmung - und für den innerparteilich verwöhnten Lindner wohl nur ein sehr kleiner Dämpfer. Es ist das zweitschlechteste Ergebnis in bisher fünf Wahlen zum Bundesvorsitzenden. Der neue und alte Chef jedenfalls bedankt sich für diese "Rückenstärkung". Etwas anders sieht das bei Lindners Stellvertreter Wolfgang Kubicki aus: Der streitbare Bundestagsvizepräsident erhält bei seiner Wahl 72 Prozent.
Das FDP-Rezept: Regieren auf Konfliktkurs
In seiner Rede hat Lindner zuvor die meiste Zeit damit vebracht, sich von den eigenen Partnern in der Ampel-Koalition abzugrenzen. Das Bündnis mit SPD und Grünen war vielen Mitgliedern und Wählerinnen und Wählern der FDP von Anfang an schwer vermittelbar – und das ist es auch jetzt noch.
Nach dem Start dieser Koalition haben die Liberalen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein die Regierungsbeteiligung verloren, in Niedersachsen und Berlin flogen sie sogar aus den Landesparlamenten. Die Unruhe in der Partei war vor allem Ende des Jahres groß – ein früherer Bundestagsabgeordneter bezeichnete die Ampel-Koalition gar als "politische Vergewaltigung" der FDP.
Umso stärker hat sich die FDP einer Strategie verschrieben: Sie bekennt sich zwar zur Ampel, geht aber keinem Konflikt mit den Koalitionspartnern aus dem Weg – im Gegenteil. Die FDP-Minister ringen den Grünen schmerzhafte Kompromisse in der Klimapolitik ab, Finanzminister Lindner wehrt sich gegen Mehrausgaben seiner Kollegen – und schreibt eine Protestnote unter den Gesetzentwurf von Vizekanzler Robert Habeck zum Heizungstausch. Die liberale "Handschrift" der Koalition soll möglichst neongelb leuchten.
Kein lauter Unmut über Parteiführung
Lindner wird seinen Koalitionspartnern deshalb weiter auf die Nerven gehen. Wenn SPD und Grüne schon den endgültigen Ausstieg aus der Atomkraft durchgesetzt haben, will er in Zukunft zumindest die Kernfusion als Technologie in Deutschland vorantreiben. Einen höheren Spitzensteuersatz, über den inzwischen sogar die CDU nachdenkt, findet er "schlicht ungerecht". Und höheren Sätzen bei Kindergeld und Kinderzuschlag erteilt er eine Absage.
Die Umfragewerte für die FDP sind zwar weiterhin nicht gut, aber etwas besser als im Winter – und mediale Daueraufmerksamkeit ist der FDP durch den Konfrontationskurs gewiss. Unmut und Ärger über den Parteivorsitzenden Lindner und seine Stellvertreter halten sich beim Parteitag in sehr engen Grenzen. Nur ein ostdeutscher Delegierter schüttet in der Aussprache Wasser in den liberalen Wein: Wenn alles so toll wäre, wie es auf dem Parteitag besprochen wird, dann müsse die FDP doch schon bei 20 Prozent liegen. Aus seiner Sicht geht man noch viel zu pfleglich mit den Grünen um.
Christian Lindner sieht in seiner Rede allerdings keinen Grund für Selbstkritik. Vor zehn Jahren war die FDP aus seiner Sicht eine Partei, "die nicht wusste, was sie mit sich anfangen soll". Jetzt ist die FDP offensichtlich ganz glücklich mit ihrem Image als Rowdy der Koalition. Man habe weiterhin viel vor und man wolle weiterhin kämpfen, sagt Lindner: "Für ein modernes und nicht linkes Deutschland."
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