Die FDP eröffnet das politische Jahr mit dem Dreikönigstreffen. Für die Liberalen ist es der Start in einen schwierigen Wahlkampf. Die parlamentarische Existenz steht auf dem Spiel. Wie will die FDP die Stimmung drehen? Fragen an Parteivize Johannes Vogel.
Im liberalen Kalender ist es ein fester Termin: das traditionelle Dreikönigstreffen in der Stuttgarter Oper. Seit den 1860er-Jahren treffen sich die Liberalen im deutschen Südwesten. In diesem Jahr ist Dreikönig der Auftakt in den Wahlkampf. Und der ist kurz: Am 23. Februar wählt Deutschland.
FDP-Vize Johannes Vogel setzt auf eine Richtungsentscheidung. Seine Partei müsse für Aufbruch und Optimismus stehen. Schlechte Umfragewerte seien eine Momentaufnahme, sagt er.
Herr Vogel, am 6. Januar trifft sich die FDP in Stuttgart. Mit wie viel Untergangsstimmung ist zu rechnen?
Johannes Vogel: Wir werden Aufbruchstimmung für unser Land erleben. An Dreikönig beginnt nicht nur traditionell das liberale Jahr – diesmal ist es auch Auftakt für einen sehr kurzen Bundestagswahlkampf. Unsere Gesellschaft wird darüber diskutieren, in welche Richtung sie sich weiterentwickeln will. Ich rate zu Aufbruch, Wirtschaftswende und Optimismus.
Was bedeutet das für Sie?
Unser Land ist herausgefordert. Zum zweiten Mal hintereinander ist unsere Wirtschaft geschrumpft. Wir erleben die schwerste Rezession seit Anfang der 2000er-Jahre. Damals galten wir schon einmal als ´kranker Mann Europas` – und haben dank mutiger Reformen den Umschwung geschafft. Es folgte ein goldenes Jahrzehnt. Leider wurde in den 2010er-Jahren vergessen, die Grundlagen für weiteres Wachstum zu legen. Das rächt sich jetzt. Aber wir können das wieder hinbekommen. Dafür müssen wir den Menschen eine Perspektive geben. Dass sie sich und ihren Familien etwas aufbauen können – das ist Aufgabe politischer Rahmenbedingungen.
Bislang dringt die FDP mit dieser Botschaft nicht durch. Die Umfragewerte sind schlecht. Vom Ampel-Aus haben Sie nicht profitiert.
Das letzte Jahr war geprägt vom Ampel-Streit und -Ende. Die Koalition hatte keine gemeinsame Antwort auf die drängende Frage: Wie sorgen wir für neue wirtschaftliche Dynamik, Jobs und Aufstiegschancen? Jetzt ist aber ein neues Jahr. Und im Wahlkampf geht es um die besten Ideen. Dann ändern sich auch politische Konstellationen. Und vor allem gibt es in den nächsten 50 Tagen die Chance, dass sich unser Land für Wohlstand und Aufbruch entscheidet.
In der Vergangenheit setzte die FDP auf "German Mut". Jetzt scheint Angst ein bestimmendes Thema zu sein. Angst vor Zuwanderung, vor zu viel Klimaschutz, vor wirtschaftlichem Niedergang.
Das weise ich zurück. Liberalismus ist Optimismus. Wir sind die einzige Partei, die wirtschaftliche und gesellschaftliche Freiheit verbindet. Wer wirtschaftliche Stärke, eine moderne Gesellschaft und echte Lösungen für die großen Fragen will, muss FDP wählen. Das heißt: Wir werben für ein Sozialsystem, das Aufstiegschancen schafft – unabhängig von der Herkunft. Wir stehen für Leistungsgerechtigkeit und Unternehmertum. Wir sind weltoffen, aber wollen geordnete Einwanderung. Beim Klimaschutz setzen wir auf Innovationen und Ordnungspolitik. Mit Angst hat all das nichts zu tun. Die Haltung der FDP ist: Das Beste liegt vor uns, wenn wir was dafür tun. ´German Mut` ist der Kern dessen, wofür die FDP stehen muss.
Ihr Parteichef
Wir müssen als Gesellschaft in Debatten differenzieren und anerkennen, dass die Realität kompliziert ist. Dazu gehört: Elon Musk ist ein erfolgreicher Unternehmer. Er hat Elektroautos beeindruckend gemacht, er kann Raketen in den Weltraum schießen und sogar rückwärts landen lassen. Er hat in Brandenburg eine große Autofabrik gebaut – wogegen die AfD übrigens war.
Der Mensch Musk tickt anders.
Ja, er ist ein erfolgreicher Unternehmer, der zugleich politisch gefährlich dummes Zeug erzählt. Er verharmlost nicht nur eine völkisch-extremistische Partei. Er empfiehlt sie sogar zur Wahl. Das würde uns ins Verderben stürzen. Die AfD will raus aus der EU, raus aus dem transatlantischen Bündnis und sich Russland annähern. Sie gefährdet Wohlstand und Jobs. Was Elon Musk angeht: Wir sollten trennen können zwischen der Unternehmerpersönlichkeit und seinen politischen Empfehlungen. Von Letzteren sollte man sich ganz fernhalten.
Teile der FDP sympathisieren mit dem argentinischen Anarchokapitalisten
Die FDP ist die einzige liberale Partei in Deutschland. Wenn wir über Milei reden, kann man eine andere Lehre ziehen. Ich teile viele Positionen von ihm nicht – etwa die Leugnung des menschengemachten Klimawandels. Aber: Argentinien ist zu lange in die falsche Richtung marschiert. Sein Konzept von mehr Markt und weniger Staat belebt die Wirtschaft, die Inflation sinkt und jetzt auch die Armutsquote. Europa hat in der Schuldenkrise selbst erlebt, was passiert, wenn notwendige Reformen ausbleiben. Ich empfehle allerdings nicht die Kettensäge – sondern rechtzeitig mehr Freiheit zu wagen.
Die FDP hat 2017 eine Jamaika-Koalition mit Union und Grünen abgelehnt. Im vergangenen Jahr ist die Ampel geplatzt. Warum sollten die Wähler Ihnen wieder vertrauen?
Weil wir für unsere Überzeugungen einstehen. Es war 2017 richtig, die Politik Angela Merkels nicht fortzusetzen. Das sehen wir heute. Das Durchwurschteln hat dazu geführt, dass wir beim Wachstum unter allen Industrieländern ganz hinten sind. Die Koalition aus SPD, Grünen und FDP hätte das Ruder herumreißen müssen. Und zu Beginn der Legislatur – gerade nach Putins Angriffskrieg – ist uns auch vieles gelungen. Abwehr der Energiekrise, ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz, Planungsbeschleunigung. Aber das reichte bei weitem nicht mit Blick auf die Größe der Aufgaben. Jetzt brauchen wir eine Regierung, die dem Land mit einer Reformagenda wieder eine Perspektive gibt. Das war mit Rot und Grün leider nicht möglich.
Diese Regierung soll Schwarz-Gelb sein. Dafür gibt es aber keine Machtperspektive.
Die FDP ist eine unabhängige Partei. Wir werben für uns und unsere Ideen. Klar ist aber: Eine Ampel-Koalition schließt sich aus. Mit Blick auf die Programme zeigt sich, dass in der Wirtschaftspolitik die Gemeinsamkeiten zwischen Union und FDP am größten sind. Eine solche Mandatsmehrheit ist möglich, nur wenige Prozentpunkte entfernt. Die Bürgerinnen und Bürger können das entscheiden. Schwarz-Gelb ist aber auch kein Selbstläufer. Es braucht eine starke FDP, die Druck macht an entscheidender Stelle: etwa bei der Rente, wo wir auf Aktien setzen – und nicht auf steigende Beiträge.
Über den Gesprächspartner
- Johannes Vogel ist 1982 im nordrhein-westfälischen Wermelskirchen geboren, wo er dieselbe Schule wie sein späterer Weggefährte und heutige FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner besuchte. Vogel war als Jugendlicher kurz Mitglied der Grünen Jugend, ist seit 1998 jedoch bei der FDP aktiv. Von 2005 bis 2010 war er Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen. Seit 2007 ist er Vorstandsmitglied der FDP, inzwischen einer von drei Parteivizes. Vogel sitzt im Deutschen Bundestag, wo er außerdem Erster Parlamentarischer Geschäftsführer seiner Fraktion ist.
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