Der Ton in der Koalition im Streit um die Flüchtlingspolitik wird immer rauer: Kanzlerin Angela Merkel wird sowohl von der CSU als auch der SPD immer stärker unter Druck gesetzt. Um welche Punkte sich die Auseinandersetzung dreht und was die Koalitionspartner der CDU fordern.

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Bekämpfung der Fluchtursachen, die Einführung einer Obergrenze für Flüchtlinge bis hin zu Grenzschließungen: Die Koalition aus CDU/CSU und SPD überbietet sich aktuell mit Ideen wie die aktuelle Flüchtlingsproblematik gelöst werden kann. Um diese Vorschläge geht es.

Die Position der CSU: Absolute Obergrenze und Grenzschließung

Vor allem die CSU befürchtet angesichts von 1,1 Millionen Flüchtlingen, die 2015 nach Deutschland kamen, eine Überforderung. Für das kommende Jahr rechnet die CSU sogar mit noch mehr Menschen - wenn die Politik nicht weitere Maßnahmen zur Begrenzung des Zuzugs ergreife.

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer erklärte zuletzt, dass im Dezember 2015 am Tag rund 4.000 Flüchtlinge nach Bayern eingereist seien. Hochgerechnet auf das Jahr würden damit 1,5 Millionen Flüchtlinge kommen. Viel zu viel für die CSU.

Deswegen hatte Seehofer bereits in den vergangenen Monaten immer wieder eine Obergrenze für den Zuzug von Flüchtlingen gefordert - bislang konnte er sich damit in der Koalition nicht durchsetzen.

Ein entsprechender Antrag, der auf dem CSU-Parteitag im November beschlossen worden ist, war noch vage formuliert. Darin wurde lediglich davon gesprochen, dass die Bundesrepublik Bürgerkriegsflüchtlinge nur "entsprechend ihrer leistbaren Kapazität" aufnehmen solle.

Anfang Januar wurde Seehofer in der "Bild am Sonntag" dann deutlicher: "Aus den Erfahrungen der Vergangenheit kann ich sagen: In Deutschland haben wir keine Probleme mit dem Zuzug von 100.000 bis höchstens 200.000 Asylbewerbern und Bürgerkriegsflüchtlingen pro Jahr. Diese Zahl ist verkraftbar, und da funktioniert auch die Integration. Alles, was darüber hinausgeht, halte ich für zu viel."

Die CSU fordert zur Durchsetzung einer Obergrenze, dass die deutschen Grenzen geschlossen werden. "Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass wir um Grenzschließungen nicht herumkommen. Wir müssen das mit den anderen Ländern auf der Reiseroute der Flüchtlinge zügig absprechen", sagte Verkehrsminister Alexander Dobrindt nun.

Dazu gehört für die CSU auch die Möglichkeit, Flüchtlinge an der Grenze abzuweisen oder - entsprechend der Dublin-Verordnung - die Flüchtlinge in das Land zurückzuschicken, wo sie europäischen Boden betreten haben.

Die Position der SPD: Begrenzung, aber keine Grenzschließung

Die SPD hält nichts von einer Grenzschließung zur Regulierung des Zuzugs von Flüchtlingen und Asylbewerbern.

Die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung und stellvertretende SPD-Vorsitzende, Aydan Özoguz, sagte der "Passauer Neuen Presse": "Kaum ein Land profitiert so stark vom freien Warenverkehr in Europa wie wir, die Nachteile wären immens. Die Forderung nach der Wiedereinführung von Schlagbäumen in Europa ist daher nicht nur leichtsinnig, sie ist brandgefährlich."

Allerdings fordert auch die SPD eine Begrenzung des Zuzugs. Angela Merkel habe zwar mit dem Satz recht, dass das Asylrecht keine Obergrenze kenne. "Aber in einer Demokratie entscheiden die Bürger. Und ich rate uns allen, diese Grenze, die das Land aufzunehmen in der Lage ist, nicht auszutesten", sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel am Wochenende.

Anders als die CSU fordern die Sozialdemokraten aber keine starre Obergrenze: "Deutschland kann deutlich mehr als die von Horst Seehofer genannten 200.000 Flüchtlinge im Jahr aufnehmen. Aber das Kontingent muss auch deutlich unter den Zuwanderungszahlen des vergangenen Jahres liegen."

Zugleich erhöht auch die SPD den Druck auf Merkel. Gabriel setzte der Kanzlerin eine Frist: "Wenn die Maßnahmen im Frühjahr nicht Wirkung zeigen, bewegen wir uns auf Zahlen zu, die schwierig werden", sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Diese Maßnahmen plant Kanzlerin Angela Merkel

Merkel selbst setzt aktuell auf mehrere Maßnahmen, um den Zuzug von Flüchtlingen "spürbar zu begrenzen". So steht es in einem Antrag, der auf dem CDU-Parteitag im Dezember beschlossen wurde. Somit ist sie zugleich etwas von ihrer kategorischen "Wir schaffen das"-Haltung aus dem letzten Sommer abgerückt.

Damit eine "spürbare Reduzierung" gelingt, setzt Merkel einerseits auf die Bekämpfung der Fluchtursachen. Andererseits sollen die EU-Außengrenzen besser geschützt werden. Dazu soll vor allem die Zusammenarbeit mit der Türkei intensiviert werden. Über das Land fliehen die meisten syrischen Flüchtlinge Richtung Europa.

Zudem setzt sich die Kanzlerin für eine solidarische Verteilung der Schutzsuchenden unter den EU-Mitgliedsstaaten ein. Alles in allem setzt sich Merkel für ein gemeinsames Vorgehen der EU ein, um die aktuelle Flüchtlingsproblematik zu lösen.

Sowohl im Februar als auch im März stehen EU-Gipfel an. Dort soll eine Zwischenbilanz der gemeinsam vereinbarten Maßnahmen gezogen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag- "Und daraus folgt dann, wie es weitergehen muss."

Wäre eine starre Obergrenze überhaupt möglich?

Eine starre Obergrenze für den Zuzug von Flüchtlingen lehnt Merkel weiterhin ab - vor allem unter Verweis auf nationales Asylrecht, EU-Recht und die Genfer Flüchtlingskonvention. Schutzsuchenden wird generell das Recht auf individuelle Prüfung ihrer Asylanträge zugesprochen.

Ohnehin wird bezweifelt, dass eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen mit EU-Recht vereinbar ist. Der Präsident des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), Koen Lenaerts, sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Immer wenn jemand asylberechtigt ist, hat er nach dem Unionsrecht das Anrecht darauf, als Flüchtling anerkannt zu werden. Das ist schwer vereinbar mit irgendeiner Zahl oder Obergrenze."

Auf dem CDU-Parteitag erhielt Merkel für ihre Position die Zustimmung der Delegierten. Ein Antrag, Flüchtlinge an der Grenze abzuweisen, wurde von einer großen Mehrheit abgelehnt. Dennoch: Auch innerhalb der CDU wächst der Unmut über Merkels Flüchtlingspolitik.

SPD näher bei Angela Merkel als die CSU?

Nicht nur bei der Frage nach einer starren Obergrenze, sondern auch bei der Forderung, die Außengrenzen der EU besser zu schützen, steht hingegen die SPD weitgehend an der Seite der Kanzlerin. Vor allem Letzteres sehen die Sozialdemokraten als größte Aufgabe.

Gabriel warnte am Wochenende: "Wenn die Sicherung der Außengrenzen der EU nicht gelingt, dann sind die offenen Grenzen in Europa in Gefahr." Dabei müsse die Zusammenarbeit der EU intensiviert werden.

"Einfach durchwinken, keine vernünftige Registrierung und kein Datenabgleich in Europa - das führt eben dazu, dass sich selbst Kriminelle und Terroristen wie der Paris-Attentäter unerkannt durch Europa bewegen können", sagte der SPD-Chef. "Das ist gefährlich. Deshalb brauchen wir bessere Grenzkontrollen."

Nach der Klausurtagung am Montag erhöhte Gabriel dennoch den Druck auf die Kanzlerin. Der SPD-Chef verlangt von Merkel erneut, dass sie in der EU eine Gesamtlösung mit sicheren EU-Außengrenzen, Kontingenten zur Verteilung von Flüchtlingen und Hilfen für Flüchtlingslager in Jordanien, der Türkei und im Libanon erzielt.

"Das ist der Prüfstein für unsere gemeinsam erfolgte Flüchtlingspolitik. Und dafür muss sie als Kanzlerin zuallererst sorgen", sagte der SPD-Chef im Anschluss.

Mit Material der dpa
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