Zum Bundeshaushalt gibt es eine Einigung, doch aus Sicht der Grünen ist klar: Das reicht so nicht. Fraktionschefin Katharina Dröge sagt im Interview, warum sie bei der Reform der Schuldenbremse jetzt auf die Union setzt — und wie Robert Habecks Chancen aufs Kanzleramt stehen.
Nach monatelangen Diskussionen soll das Bundeskabinett am Mittwoch den Haushalt für 2025 auf den Weg bringen. Nach der Sommerpause wird sich dann der Bundestag mit den Details beschäftigen.
Katharina Dröge ist Co-Vorsitzende der Grünen-Fraktion. Bevor sie zu einer Sommerreise nach Cottbus aufbricht, empfängt sie unsere Redakteure zum Interview im Bundestagsbüro. Dröge ist insgesamt zufrieden mit dem Haushaltsplan. Aber zur Schuldenbremse soll das letzte Wort noch nicht gesprochen sein.
Frau Dröge, das Kabinett soll den lange umstrittenen Haushalt 2025 am Mittwoch beschließen. Ist die Ampel jetzt gerettet?
Katharina Dröge: Es ist gut, dass die Regierung sich auf einen Haushaltsentwurf geeinigt hat. Wir Grüne konnten darin relevante Schwerpunkte setzen. Die Koalition hat ein starkes Kinderpaket vereinbart: mit höherem Kindergeld und höherem Sofortzuschlag für die ärmsten Kinder. Wir haben damit den ersten Schritt zur Kindergrundsicherung geschafft und gleichzeitig mit dem Kita-Qualitätsgesetz die Kita-Finanzierung abgesichert. Das ist entscheidend, damit es überall in Deutschland eine gute Kinderbetreuung gibt.
Finanzminister
Das Gesetz zur Kindergrundsicherung liegt schon im Bundestag. Das nötige Geld ist im Haushalt eingeplant. Nach dem Sommer werden wir das Gesetz für die Kindergrundsicherung im Bundestag beschließen, mit dem wir diese in zwei Schritten aufbauen. Wir wollen es Familien leichter machen, die ihnen zustehenden Leistungen zu bekommen. Viele wissen nicht, dass sie ein Recht auf den Kinderzuschlag haben und wie sie ihn beantragen. Sie sollen in Zukunft direkt angeschrieben und informiert werden. Die Kindergrundsicherung macht das Leben für Eltern leichter.
Das letzte Wort zum Haushalt hat der Bundestag. Wo sehen Sie noch Verbesserungsbedarf?
Wenn man sich die angespannte internationale Sicherheitslage anschaut, lässt sich feststellen: Der Haushalt hätte mehr schaffen müssen. Gleiches gilt für die Infrastruktur und den Verkehr, zum Beispiel für die Bahn. Wir wollen ein Land, das einfach funktioniert. Dafür bräuchte es aber eine Modernisierung der Schuldenbremse. Wir laden deshalb
Wie wollen Sie das schaffen? Bisher lehnt Merz eine Reform der Schuldenbremse ganz klar ab.
Britta Haßelmann und ich sprechen als Vorsitzende der Grünen-Fraktion eine Einladung an Herrn Merz aus, über eine Modernisierung der Schuldenbremse zu sprechen. Die CDU betont selbst immer, wie wichtig es ist, mehr in Sicherheit und Verteidigung zu investieren. Das gilt auch für die Stärkung von Investitionen der Wirtschaft. Viele Wirtschaftsverbände fordern eine Modernisierung der Schuldenbremse – genau wie die Ministerpräsidenten der CDU und fast alle nationalen und internationalen Wirtschaftsexpertinnen.
Es ist doch kein Zeichen für eine stabile Koalition, wenn Sie mit der Opposition über die Haushaltspolitik verhandeln.
Für eine Modernisierung der Schuldenbremse braucht man nun mal eine Zweidrittelmehrheit. Das geht ohne die Union nicht. Wenn Friedrich Merz unserer Einladung nicht folgt, werden wir diesen Haushalt natürlich wie in der Ampel verabredet beschließen. Ich bemesse den Haushaltsentwurf aber an dem, was notwendig wäre. Wenn alle das Wohle des Landes und nicht Parteipolitik in den Mittelpunkt stellen, können wir uns noch in dieser Wahlperiode auf eine Reform einigen.
Trotzdem ist das doch ein Tritt vors Schienbein Ihres Koalitionspartners FDP.
Inwiefern? Wir haben gerade miteinander den Haushalt beschlossen, der für alle Ministerien relevante Sparmaßnahmen beinhaltet. Das haben wir mitgetragen. Regieren bedeutet aber, dass alle Kompromisse machen.
Bürgergeld-Verschärfung – die Rückkehr zu Hartz IV?
Mit dem Bürgergeld wollte die Ampel Hartz IV hinter sich lassen. Jetzt wird es merklich verschärft. Ist das die Rückkehr zu Hartz IV?
Es bleibt dabei: Es ist der beste Weg, auf Weiterbildung und auf Qualifizierung zu setzen. Denn das bringt Menschen am Ende in Arbeit. Wir wollen keinen Drehtür-Effekt: Arbeitslose so schnell wie möglich und um jeden Preis zu vermitteln, führt in schlecht bezahlte Jobs – und zu oft wieder zurück in die Arbeitslosigkeit. Das Bürgergeld geht einen anderen Weg. Es setzt auf Anreize – wie das Weiterbildungsgeld – für Menschen, die einen Berufsabschluss nachholen oder sich weiterbilden. Und wir planen weitere Anreize: Etwa, wenn Menschen aus dem Bürgergeld heraus einen Job annehmen. Das Fördern wird also weiter großgeschrieben.
Härtere Sanktionen, im Zweifel lange Arbeitswege, mehr 1-Euro-Jobs: Das ist eine deutlich härtere Gangart. Eine, die auf das "Fordern" abzielt.
Die Sanktionen werden wir im Parlament sicherlich noch einmal verhandeln. Im letzten Bundestagswahlkampf hat der Kanzler von Respekt gesprochen. Das heißt auch: Respekt gegenüber den Menschen im Bürgergeld. Lediglich 2,6 Prozent der Beziehenden kommen überhaupt mit Sanktionen in Berührung. Über 97 Prozent aller Menschen im Bürgergeld sind also überhaupt nicht von Sanktionen betroffen. Manche Aussagen in den letzten Wochen erweckten schon mal den Eindruck, es handle sich um die große Mehrheit. Respekt bedeutet für mich, auch darauf hinzuweisen, dass das nicht der Fall ist.
Die Koalition plant ein Wachstumspaket, um die Konjunktur zu beleben. Darin enthalten: steuerfreie Überstunden, Bürokratieabbau, Steuererleichterungen. Klingt alles nach FDP, oder?
Ich möchte widersprechen: Das Thema Bürokratieabbau ist für uns Grüne zentral. Es bedeutet für mich, ein Ziel zu erreichen, aber dabei Menschen und Unternehmen das Leben leichter zu machen. Das Wirtschaftspaket ist insgesamt ein Kompromiss. Es gibt Punkte, die der FDP sehr wichtig sind, etwa bei den Steuern. Und es gibt Punkte, die uns sehr wichtig sind: das Tariftreuegesetz und das Vergabegesetz, wo es um faire Löhne geht. Und es gibt Punkte, die uns allen wichtig sind, wie eben der Abbau überflüssiger Bürokratie.
Es bleibt noch ein Jahr bis zum nächsten Bundestagswahlkampf. Was muss die Ampelkoalition bis dahin noch schaffen?
Der Ausbau der Erneuerbaren Energien geht gerade durch die Decke. Es gibt aber eine Reihe an zusätzlichen Gesetzen, die für noch mehr Geschwindigkeit sorgen und zudem die Wirtschaft stärken werden. Das ist vor allem für die ostdeutsche Wirtschaft eine gute Nachricht. Dort kann man gerade sehr stolz sein auf das gute Wirtschaftswachstum. Der schnelle Ausbau der Erneuerbaren schafft riesige Standortvorteile gegenüber dem Westen.
Die Menschen rechnen das aber offenbar nicht den Grünen an. Im September werden in drei ostdeutschen Ländern neue Landtage gewählt – in Sachsen und Thüringen könnte Ihre Partei dann aus den Parlamenten fliegen.
Ich bin überzeugt, dass wir in allen drei Landtagen wieder vertreten sein werden. Und wir wollen auch an den Landesregierungen beteiligt sein. Für die Wirtschaft im Osten gibt es eine Reihe guter Nachrichten. Und daran hat gerade
Annalena Baerbock hat erklärt, im nächsten Jahr nicht als Kanzlerkandidatin der Grünen antreten zu wollen. Damit bliebe Robert Habeck. Sollte er Kanzlerkandidat werden?
Das muss er zunächst selbst entscheiden. Ich halte ihn für absolut geeignet. Er hat in den letzten drei Jahren als Vizekanzler gezeigt, wie man das Land in schwierigen Zeiten sehr gut regiert. Ich traue ihm das auch an erster Stelle zu.
Die Grünen stehen in den Umfragen zwischen 11 und 13 Prozent. Machen Sie sich mit einem eigenen Kanzlerkandidaten nicht lächerlich?
Unser Anspruch ist natürlich, bei der Wahl besser abzuschneiden. Und ich halte das auch für sehr realistisch. Als Olaf Scholz 2021 zum Kanzlerkandidaten ernannt wurde, ist er auf Platz drei ins Rennen gestartet. Am Ende lag er vorne. Wahlkämpfe haben eigene Dynamiken – und am Ende kommt es sehr stark auf die Menschen an, die vorne stehen.
Über die Gesprächspartnerin
- Katharina Dröge ist in Ladbergen im Münsterland aufgewachsen. Sie studierte Volkswirtschaft (Diplom-Abschluss) und arbeitete als Referentin im nordrhein-westfälischen Umweltministerium. 2013 zog sie für Bündnis 90/Die Grünen in den Bundestag ein, wo sie Ende 2021 gemeinsam mit Britta Haßelmann den Fraktionsvorsitz übernahm. Sie lebt mit ihrer Familie in Köln und Berlin.
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