Das britische Parlament stimmt am Dienstag über den Brexit ab. Frank Plasberg diskutierte mit seinen Gästen über die Folgen. Während ein Unternehmer leidenschaftlich für Zusammenarbeit und Freundschaft mit den Briten warb, überraschte AfD-Politikerin Beatrix von Storch mit einer gewagten These.
Im britischen Unterhaus steht die Abstimmung über den Brexit-Deal der konservativen Premierministerin
Was ist das Thema?
Seit der Volksabstimmung auf der Insel vor zweieinhalb Jahren hält der Brexit die Öffentlichkeit in Atem. Aus der theoretischen Diskussion wird allmählich Ernst. Ende März soll der EU-Austritt offiziell vollzogen werden.
Wie stark wird der Schaden für die EU und die Briten? Wird Deutschlands Wirtschaft leiden? Zieht damit eine neue europäische Krise auf oder besteht die Chance, dass Europa enger zusammenrückt?
Wer sind die Gäste?
Er sieht den Brexit wegen des politischen Chaos in London und der drohenden wirtschaftlichen Verwerfungen als "abschreckendes Beispiel" für andere Staaten. Für Weber steht fest: Die EU wird sich ohne die Briten verändern.
"Europa ist zu wertvoll, als dass man es denen überlässt", sagte der stellvertretende CSU-Chef über nationalistische und populistische Kräfte.
Julie Kurz: Die ARD-Korrespondentin in London hält ein erneutes Referendum für möglich, falls Theresa May die Abstimmung im Unterhaus tatsächlich verliert.
Jedoch habe sich nicht viel bewegt in den letzten zwei Jahren in der Stimmung der Bevölkerung. Nach ihren Beobachtungen ist der Brexit "zu einer Glaubensfrage geworden", bei der Argumente nicht mehr zählen.
Beatrix von Storch: Die stellvertretende Fraktionschefin der AfD ist großer Brexit-Fan. Von Storch würde auch ein ungeordneter Austritt nicht beunruhigen, "wenn wir weiter unsere Interessen wahren", d.h. zeitnah ein Handelsabkommen mit den Briten abschließen.
Zudem überraschte die Politikerin mit einer Erklärung zu den Ursachen der Brexit-Abstimmung: "Ohne Merkels katastrophale Migrationspolitik hätte es die Mehrheit wahrscheinlich nicht gegeben." Eine These, die Weber energisch zurückwies.
Carl Martin Welcker: Der Unternehmer und Präsident des Maschinenbauverbandes VDMA rechnet nach dem Brexit mit "Wohlstandsverlusten auf beiden Seiten des Kanals", weil Produkte langsamer geliefert werden könnten und teurer würden.
Ferner warnte er davor, in parlamentarischen Demokratien solch wichtige Entscheidungen in die Hände des Volkes zu geben. Dies sei "ein Totenstein der Demokratie". Von Storch, die sich mehr direkte Demokratie wünscht, schüttelte da mit dem Kopf.
Anthony Glees: Der britische Politologe sieht in seinem Land schon jetzt "tiefstes Chaos" und beklagte ein sinkendes Wirtschaftswachstum. Nach jetzigem Stand hält er einen harten Brexit für wahrscheinlich.
Wenn das Parlament nicht in der Lage sei, einen anderen Plan vorzulegen, fragte Glees, "wer soll dann entscheiden? Die Königin in Windsor Castle? Bestimmt nicht!" Eine zweite Abstimmung könnte nötig sein, so Glees.
Was war das Rededuell des Abends?
Ein harter Vorwurf von Beatrix von Storch und eine klare Antwort von Manfred Weber. "Sie verstehen auch nicht, warum Parteien wie die AfD entstehen und warum ich jetzt hier sitze. Das ist Ihnen ja sehr unangenehm", versuchte sie die Runde kollektiv zu belehren. "Aber weil Sie eben etwas nicht verstehen. Sie verstehen nicht, dass Bürger wollen, dass ihre nationalen Interessen vertreten werden, dass ihnen nicht in der globalen Welt oder der europäischen Welt alles vorgesetzt wird."
Manfred Weber ließ das nicht auf sich sitzen. "Die entscheidende Frage ist nicht, ob man es versteht oder nicht versteht, sondern: Wer hat Antworten auf diese Fragen? Die AfD hat sie nicht."
Damit meinte er Pläne der AfD, die Bevölkerung über einen Austritt Deutschlands aus der EU, den sogenannten Dexit, abstimmen zu lassen.
Was war der Moment des Abends?
"Die Briten sind immer herzlich willkommen, mit uns neue Abkommen zu machen. Jeder, der die Werte- und Friedensgemeinschaft stützt, den brauchen wir", erklärte Unternehmer Welcker in einem leidenschaftlichen pro-britischen Redebeitrag.
Man dürfte sie nicht, "nur weil sie einen Fehler machen, ausgrenzen." Plasberg war von so viel diplomatischer Weitsicht beeindruckt und kommentierte: "Sagt der Unternehmer, der auch einen Außenminister abgeben könnte."
Wie hat sich Frank Plasberg geschlagen?
Die pflegeleichte Runde, in der AfD-Frau von Storch mal für keinen Eklat sorgte, stellte den Gastgeber vor keine größeren Herausforderungen. Dafür platzierte er an der einen oder anderen Stelle feine Ironie.
Nach einem Einspieler, der fast 100 britische Lkw bei einer Übung für korrektes Stauverhalten zeigte, fragte er seinen britischen Gast: "Herr Glees, die Briten sind doch berühmt dafür, dass sie Geduld haben und perfekt Schlange stehen. Warum müssen sie das extra üben?"
Glees schmunzelte. "Das ist eine sehr gute Frage!" Später lies Plasberg nicht locker, als Weber eine Frage erst im dritten Anlauf beantworten wollte. Guter Jahresauftakt.
Was ist das Ergebnis?
Manfred Weber konnte dem Brexit überhaupt nichts Gutes abgewinnen und hielt sogar Gewalt in Nordirland aufgrund der wahrscheinlich nahenden Grenzkontrollen zwischen Irland und Nordirland für möglich. "Eine katastrophale Entwicklung", so Weber.
Das größte Problem sah er aber darin, dass es bisher keine Antwort gibt, wie die zukünftige Beziehung zwischen der EU und Großbritannien aussehen soll. In der Union hofft Weber auf einen Sieg des partnerschaftlichen Miteinanders gegen den Egoismus.
"Diese Partnerschaft werde ich mir von Populisten nicht zerreden lassen", sagte er und zeigte auf von Storch.
Die AfD-Politikerin hofft durch den Brexit dagegen auf eine Vorbildwirkung für andere EU-Staaten und eine völlige Neuorganisation bzw. Reform der Union.
Sie solle wieder zu dem zurückkehren, als was sie von den Gründungsvätern gedacht gewesen sei: ein vorwiegend wirtschaftlicher Zusammenschluss – und keine Vereinigten Staaten von Europa, das Schreckgespenst der AfD.
Schließlich werde sich durch den Brexit auch die deutsche Rolle in der EU verändern, prognostizierte Anthony Glees. "Deutschland wird durch den Brexit an Macht gewinnen", sagte er.
Das Land müsse "mehr tun", in der EU, in der Nato und auch außerhalb. Am Ende wurde der Brite mit den deutschen Eltern ein wenig melancholisch.
Was er Europa zum Abschied sagen wolle, fragte Frank Plasberg. "We´ll meet again somewhere, we`ll meet again" zitierte Glees ein bekanntes Lied. Wir werden uns wieder sehen. Aber nun heißt es erst einmal: Wir werden uns trennen. Und das schon sehr bald.
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