• Brüssel hat's verbockt, und bei "Hart aber fair" muss ein EU-Parlamentarier dafür den Kopf herhalten.
  • Einen Rundumschlag macht der Heinsberger Landrat Pusch.
  • Die EU habe mies verhandelt, Berlin falsche Erwartungen geweckt.
Eine Kritik

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Die Impfung kommt noch immer nicht in Gang, aber wenigstens hat Frank Plasberg bei "Hart aber Fair" die Schuldigen gefunden: Ursula von der Leyen, Brüssel und die EU-Bürokratie. Bei "Focus"-Autor Jan Fleischhauer sorgt die Impfbestellung für Bluthochdruck, ein CDU-Landrat stellt seinen Brüsseler Parteifreund in den Senkel.

Das ist das Thema bei "Hart aber fair"

Achtung, rhetorische Frage: "Die Frage nach den Impf-Deals: Taugt Europa als Krisen-Manager?

Das sind die Gäste

Daniel Caspary, Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament, hält die gemeinsame Beschaffung weiter für richtig. "Ein Wettlauf wäre zum Vollchaos geworden, die Industrie hätte uns ausgespielt."

Die britische Brexit-Befürworterin Gisela Stuart, ehemalige Abgeordnete der Labour-Partei, verteidigt Brüssel: Die EU-Bürokratie sei nicht für Krisensituationen gebaut. "Wer verhandeln will, braucht ein Mandat, um ins Risiko zu gehen."

"Es gibt keinen Grund, die Briten zu beneiden", sagt Rolf-Dieter Krause, der 15 Jahre lang das ARD-Studio in Brüssel leitete. Die Impfstoffbeschaffung sei zwar besser gelaufen, gleichzeitig häuften sich die Nachrichten, dass sich der Brexit zu einer "Katastrophe" für die Wirtschaft entwickle.

Linn Selle, Präsidentin der "Europäischen Bewegung Deutschland", weist darauf hin, dass nicht die Bestellung, sondern die Produktion das Nadelöhr sei: "Auch wenn die Großen wie Deutschland, Frankreich, Italien und die Niederlande die Beschaffung übernommen hätten, wäre es nicht schneller gegangen."

Der CDU-Landrat Stephan Pusch aus Heinsberg kritisiert vor allem die Krisenkommunikation: "Der Zorn der Menschen hat sich aufgebaut, weil das Ganze auch noch beschönigt wurde. Man muss zugeben, wenn was schlecht gelaufen ist."

Für Focus-Autor Jan Fleischhauer hat die EU "an der dümmsten Stelle gespart" und auch sonst nicht aufgepasst bei den Verträgen. "Offenbar hat Brüssel überrascht, dass es den Brexit gibt - und deswegen in Großbritannien bleibt, was in Großbritannien produziert wird."

Das ist der Moment des Abends

Das "deutsche Wuhan", unter diesem Beinamen wurde der Landkreis Heinsberg vor einem Jahr bekannt, wo der erste Corona-Cluster Deutschlands ausbrach. Landrat Stephan Pusch reagierte schnell und entschlossen, sein Krisenmanagement trug ihm das Bundesverdienstkreuz ein.

Der Erfolg gibt ihm das Recht, bei Frank Plasberg seinen CDU-Parteikollegen aus dem EU-Parlament einzuordnen: "Operativ habt ihr gar keine Ahnung davon, was tagtäglich zu tun ist und wie man die Leute mitnehmen muss."

Schließlich müssten nicht die Gesetzgeber in Brüssel und Berlin "unten am Band stehen" und die Arbeit erledigen – sondern die Kommunalpolitiker. Die wüssten auch, was vor Ort passiert, in den Gesundheitsämtern, in den Schulen, in den Altenheimen.

"Wir wissen, wie die Welt aussieht – ohne dass uns Fachleute erklären, wie die Welt aussieht." Also: Mehr Kommunen wagen im Kampf gegen Corona?

Das ist das Rede-Duell des Abends

Man würde nicht drauf kommen, aber: Stephan Pusch und Daniel Caspary sind Parteifreunde, wenn auch ungefähr in dem Sinne, wie Angela Merkel (CDU) und Friedrich Merz (CDU) Parteifreunde sind. EU-Mandatar Caspary muss sich nicht nur von Pusch darüber belehren lassen, wo die echte Politik gemacht wird, der Landrat legte ihm auch noch nahe, doch endlich mal Viktor Orbán aus der EVP zu schmeißen.

Schlussendlich verzweifelt Caspary sichtlich bei dem Versuch, Pusch von der Idee abzubringen, Brüssel habe sich von Astrazeneca über den Tisch ziehen lassen. "Jeder Landwirt aus Heinsberg hätte das besser verhandelt", hatte Pusch in einem Video gewütet.

Zu wenig gezahlt, zu spät bestellt, so lauten die Hauptvorwürfe, den letzteren lässt Caspary nicht gelten: "Ob der Vertrag zwei Wochen früher oder später geschlossen wird, hat doch nichts mit der Lieferung zu tun."

Das sei eine Frage des Vertragsinhaltes – den die Öffentlichkeit aber gar nicht kennt, wie Pusch einwendet: "Was steht denn drin? Wir bemühen uns? Oder: Wir sicher eine bestimmte Menge zu?"

Caspary, ein paar Dezibel lauter: "Herr Pusch, der Punkt ist: In beiden Fällen bemüht man sich – und wenn man es nicht hinkriegt, hat man Probleme. Egal, was im Vertrag steht: Die können nicht liefern!"

So hat sich Frank Plasberg geschlagen

"Es ist ein bisschen, als müsse man seinem Kind erklären, Weihnachten wird verschoben (…). Kann man es da verdenken, wenn die Kinder zornig sind und fragen, wer schuld hat?" Mit diesem Vergleich beginnt Frank Plasbergs Sendung und auch schon das Problem.

Natürlich kann man Kindern ihren Zorn nicht verdenken, erwachsenen Menschen darf man aber schon ein wenig mehr Komplexität zumuten. Nur ist genau das nicht das Konzept von "Hart aber fair" - im Prinzip macht Plasberg politisches Kinderfernsehen: Emotionen, Schwarzweiß-Denken, Sündenböcke.

In diesem Fall war der schon vor der Sendung gefunden: Ursula von der Leyen. Frank Plasberg formuliert es nie so direkt, aber in jeder Frage schwingt ein Tribunal mit: Muss die nicht weg?

Nun kann man die Kommissionspräsidentin aus guten Gründen für eine Fehlbesetzung und rücktrittsreif halten. Nur liefert Plasberg die nicht mit.

Das ist das Ergebnis

"Die EU ist mit dieser Aufgabe institutionell überfordert", sagt ausgerechnet der EU-Parlamentarier Daniel Caspary. Leider hat er offenbar vergessen, Angela Merkel darüber zu informieren und auf nationale Vergaben zu drängen.

Überhaupt scheinen Schlussfolgerungen nicht Casparys Stärke - schon in der Finanz- und Flüchtlingskrise will er die Grenzen der EU bemerkt haben. Das ist 13 respektive 6 Jahre her – klare Visionen für Verbesserungen kann er noch nicht nennen.

Beim Impfen soll es dafür schneller gehen, legt er sich fest, und zwar auf die Kanzlerinnenlinie: Bis Sommer hat jeder dieses ominöse "Impfangebot" auf dem Tisch.

Schuld am Desaster sei ohnehin die "Erwartungshaltung" gewesen, aber wer hat die eigentlich aufgebaut? Casparys neuer Busenfreund Pusch hat eine These: Vielleicht hätte man die Landkreise nicht anweisen dürfen, riesige Impfzentren zu errichten, in denen es jetzt ungefähr so brummt wie im BER.

Mit einem brauchbaren Vorschlag kann Rolf-Dieter Krause aufwarten: Belgien habe über Jahre gute Medikamentenpreise mit der Pharmaindustrie ausgehandelt – warum haben die nicht mit Astrazeneca verhandelt? Ein Europa der Spezialisten - wäre das nicht ein Ansatz? Ein Digital-Pionier wie Estland wuppt die Digitalisierung, Belgien die Pharma-Deals, Luxemburg die Steuerpolitik … oder vielleicht lieber nicht.

Das gemeinsame Europa braucht es jedenfalls für die Corona-Bekämpfung, sagt Caspary. Sonst fahren die Bayern nach Österreich oder Tschechien zum Einkaufen – und bringen die Viren gleich mit.

Pusch fordert gar eine "europäische Strategie, die uns sagt: Was ist normales Leben mit der Pandemie?". Gute Frage, leider etwas zu komplex für den Sendeplatz.

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