Seit Montag dieser Woche heißt der Präsident der USA wieder einmal Donald Trump und der unterschreibt in Windeseile Dekret nach Dekret. Eine gute Gelegenheit für Maybrit Illner, die Auswirkungen einer Trump-Präsidentschaft zu diskutieren. Doch stattdessen wechselt Illner am Donnerstagabend kurzerhand das Thema. Eine denkbar schlechte Idee.
Maybrit Illner lädt am Donnerstag zu ihrer ersten Nach-Biden-Talkrunde und hat dort einiges zu besprechen. Denn der neue und alte Präsident
Die Themen des Abends
Nun könnte man meinen, wenn das Thema einer Talk-Runde "Trump macht Ernst - ist Deutschland diesmal vorbereitet?" lautet, es in dieser Talk-Runde um Donald Trump und die Frage geht, wie Deutschland diesmal vorbereitet ist. Doch
Mit diesen Gästen diskutierte Maybrit Illner
Claus Kleber . Der ehemalige ZDF-Moderator sagt über den Vorschlag, Menschen mit doppeltem Pass bei schweren Straftaten den deutschen Pass zu entziehen: "Der Artikel im Grundgesetz, nach dem man das nicht entziehen kann, der stammt ja daraus, dass die Nazis das gemacht haben und Menschen staatenlos gemacht haben."Wolfgang Schmidt (SPD). Schmidt ist Chef des Bundeskanzleramtes und Bundesminister für besondere Aufgaben. Er sagt über die Ankündigung von Friedrich Merz, etwa einen europäischen Notstand in Anspruch zu nehmen: "Das was hier vorgeschlagen wird, ist schlichtweg rechtswidrig."Jens Spahn (CDU). Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag fordert: "Es muss Schluss sein an unseren Grenzen, dass es jeden Tag mehr wird und dann müssen wir in Deutschland Recht, Ordnung und Integration durchsetzen." "Das EU-Recht funktioniert nicht", behauptet Spahn.- Melanie Amann. Amann ist stellvertretende Chefredakteurin des "Spiegels" und wundert sich über
Friedrich Merz beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Erst fordere Merz dort eine europäische Einheit gegenüber Trump, dann aber wolle er an den deutschen Grenzen machen, was er will. "Du kannst nicht gleichzeitig Europa-Fan sein und gleichzeitig zuhause dein eigenes Ding machen." - Florian Neuhann. Der ZDF-Wirtschaftsexperte ist live vom Weltwirtschaftsforum in Davos für ein paar Minuten zugeschaltet. Neuhann sagt über Wirtschaftsverhandlungen mit Donald Trump: "Je stärker Europa, desto besser das Ergebnis, je uneiniger Europa, desto schwieriger für die deutsche und die europäische Wirtschaft."
Die Diskussionen an diesem Abend
Von Anfang an war also nicht Trump, sondern plötzlich Migration der rote Faden, an dem sich Maybrit Illner und ihre Gäste entlang hangeln sollten und das merkte man der Diskussion auch an. Denn am Ende ging es nicht um eine sachliche Erörterung deutscher Außenpolitik, sondern um Wahlkampfrhetorik zwischen Jens Spahn und Wolfgang Schmidt. Ob die Diskussion ohne diesen Themenumschwung besser, weil weniger polemisch, verlaufen wäre, ist allerdings Spekulation.
Auf der einen Seite stand Jens Spahn, der mit spontanen und mitgebrachten Botschaften den erfahrenen Polittalkshow-Gast gab und seine einfachen Lösungen in markigen Worten hinterließ. "Wir brauchen eine Pause im Neuzugang, ne ziemlich lange Pause", fordert Spahn etwa bei der Migration, als gäbe es so etwas wie ein Recht auf Asyl nicht. Ein anderes Mal behauptete er wieder einmal "Deutschland ist ein Einreiseland" und will eine differenzierte Diskussion "welche Behörde hätte wo wen abschieben müssen" gar nicht erst führen.
Schmidt wiederum verweist den ganzen Abend auf die Dinge, die die Ampelregierung erfolgreich angepackt habe, etwa mit einer europäischen Einigung, die lange liegen geblieben war, Binnengrenzkontrollen, Rückgang der Asylgesuche, oder "große Sprünge" bei den Abschiebungen durch die Länder. Doch so sehr Schmidt bemüht ist, die Erfolge aufzuzählen und zu differenzieren, er hat dabei zwei Probleme:
Zum einen, das Problem, dass Differenzierung nichts für Talkshows ist. Am Ende des Abends werden sich die Zuschauer an die einfachen Lösungen und Parolen erinnern und nicht an die Differenzierungen, die die Realität beschreiben und nicht nur Wünsche sind.
Schmidts zweites Problem: Eben weil Differenzierungen nicht für Talkshows in Wahlkampfzeiten gemacht sind, hilft es noch weniger, dass Schmidt seine Argumente vorträgt wie in einem Staatsrechtsseminar. Wörter wie "nachgelagerte Binnengrenzkontrollen" verfangen eben nicht so wie Spahns polemisches "Was muss denn noch passieren?". Da kann Schmidt noch so sehr Spahns "Sprücheklopfer-Ebene" kritisieren.
So schlug sich Maybrit Illner
Nun kann man sich jeden Donnerstag darüber ärgern, dass Maybrit Illner offenbar am besten weiß, wie die Sätze ihrer Gäste enden – man kann es aber auch lassen. Das sollte man vielleicht sogar, denn Illner wird diese Gewohnheit wohl beibehalten und so kann man als Zuschauer wenigstens mit innerer Gelassenheit dabei zuhören, wie man bei den ständigen Unterbrechungen und dem Ins-Wort-Fallen nichts versteht.
Am meisten dürfte sich ohnehin Wolfgang Schmidt über Illners Moderationsstil geärgert haben, denn ihn trafen die Unterbrechungen am häufigsten, während Jens Spahn in der Regel aussprechen und sich sogar selbst die Themen aussuchen durfte.
So wollte ihn Illner zu seinem Vorschlag, als die Lage in Syrien noch völlig unklar war, rückkehrwilligen Syrern trotzdem 1.000 Euro und einen Charter-Flug bereitzustellen, befragen, doch das wollte Spahn offenbar nicht. Stattdessen antwortete er, doch lieber über das eigentliche Thema, Trump, sprechen zu wollen.
Das tat er dann auch und damit wären wir beim Hauptproblem des Abends: der Themensetzung. Nun kann man darüber streiten, wie sinnvoll es ist, so ein Thema wie den tödlichen Angriff in Aschaffenburg in einer Polit-Talkshow zu besprechen, noch dazu so kurz nach der Tat und auch noch in Wahlkampfzeiten. Da wäre ein seriöserer Rahmen vielleicht besser gewesen, denn eine Talk-Show besteht nun einmal nicht nur aus Talk, sondern eben auch aus Show.
Das wird dem Ernst der Tat und auch den Opfern nicht gerecht, daher wäre eine echte Auseinandersetzung mit einer eigenen Ausgabe, mit Experten und ohne Wahlkampfbeeinflussung vielleicht angemessener gewesen. Dass das Thema Trump und die Vorbereitung dabei zu kurz kam, ist dann schon fast vernachlässigbar, darum wird es in den kommenden Wochen noch genug gehen. So aber war dieser Talk bei Maybrit Illner wohl für niemanden zufriedenstellend.
Das Zitat des Abends
"Wir stellen fest, Herr Spahn, dass tatsächlich Frau Weidel und Herr Chrupalla eingeladen waren und offensichtlich als die natürlichen Bündnispartner von Trump empfunden werden und weniger die CDU", konfrontiert Illner Jens Spahn mit der Tatsache, dass die beiden AfD-Politiker zu Trumps Amtseinführung eingeladen waren. Spahn erklärt, statt zur Inauguration zu gehen, sei es entscheidender, dass man Kontakt zur US-Regierung halte, wie man es im transatlantischen Bündnis immer getan habe.
Dann erklärt Spahn zur Rolle der AfD: "Und irgendwann werden die Kolleginnen und Kollegen, die da gerade anders unterwegs sind in Washington auch merken, mit der AfD haben sie eine Pro-Putin-Partei, eine Partei, die in weiten Teilen gegen das transatlantische Bündnis und gegen die USA ist. […] Ich wundere mich auch bei dem einen oder anderen, der da meint, die Nähe oder Unterstützung geben zu müssen für eine Pro-Putin-Partei, aber vielleicht ist da auch noch ein wenig Information nötig."
Der Schlagabtausch des Abends
Jens Spahn behauptet, das europäische Recht sei "dysfunktional". Deutschland müsse an seinen Grenzen zurückweisen und dadurch Druck auf andere Länder bis hin zu den europäischen Außengrenzen aufbauen. Daraufhin will Melanie Amann von Spahn wissen, wie das denn praktisch funktionieren soll, wo die zurückgewiesenen Menschen denn hin sollen. Man rede dann nicht mehr über "gemeinsame europäische Lösungen", stattdessen schiebe jeder die Leute hin, "wo er sie loswerden kann." Amanns Befund zu Spahns Ideen: "Sie sind da knallhart nationalistisch unterwegs und ich finde, es ist auch ganz schön hart an der Grenze zum Populismus, den Leuten zu erzählen, damit löst Ihr das Asylproblem."
Das Fazit
Über eine Stunde diskutiert Maybrit Illner mit ihren Gästen über Migration und für ein paar Augenblicke auch über Donald Trump und es bleibt nach diesen 60 Minuten ein Rätsel, was sich die Redaktion von dieser Diskussion erhofft hat.
Für eine Aufarbeitung des tödlichen Angriffs in Aschaffenburg waren es die falschen Gäste und der falsche Rahmen, für eine sachliche Diskussion über Migration gab es viel zu viele erwartbare Sprüche, die den eigenen, vielleicht sogar hilfreichen Argumenten die Kraft nahmen und für das eigentliche Thema, nämlich Donald Trump und die deutsche Außenpolitik, ging es viel zu wenig um Donald Trump und die deutsche Außenpolitik. Ein Abend, den man sich aus vielen Gründen hätte sparen können.
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