Die Amtseinführung Donald Trumps am kommenden Montag wird, wieder einmal, eine Zerreißprobe für die Partner der USA. Zumindest vermutlich, ganz sicher aber eine noch größere, als bei der ersten Amtszeit Trumps. Denn seitdem erlebte Europa einen beängstigenden Ruck nach rechts. Am Donnerstag diskutierte Maybrit Illner, was da auf Europa und die Welt zukommen wird. Ein Abend mit klaren Analysen – und einem Aussetzer.

Christian Vock
Eine Kritik
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In wenigen Tagen ist die Präsidentschaft Donald Trumps nicht mehr nur ein Schrecken am Horizont, sondern Realität. Die Vorbereitungen auf diese neue Realität laufen bereits – in und außerhalb der USA. Dementsprechend fragt Maybrit Illner in der letzten Ausgabe ihres Polittalks vor der zweiten Trump-Ära: "Trumps neue Weltordnung – Angriff auf die Verbündeten?"

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Mit diesen Gästen diskutierte Maybrit Illner

  • Ricarda Lang (Bündnis 90/Die Grünen). Die ehemalige Parteivorsitzende kritisiert Bundeskanzler Scholz wegen dessen Weigerung, der Ukraine drei Milliarden Euro für Flugabwehr-Systeme zur Verfügung zu stellen. Gerade die Unterstützung der Ukraine sei für Scholz seinerzeit so wichtig gewesen, dass er dafür bereit gewesen sei, die Koalition platzen zu lassen. Nun, drei Monate später, halte er diese Unterstützung nicht mehr für notwendig. "Das finde ich unredlich", so Lang.
  • Norbert Röttgen (CDU). Röttgen ist Mitglied des Auswärtigen Ausschuss und fordert als Antwort auf Trump eine europäische Selbständigkeit: "Wir müssen selber agieren." Auch Röttgen kritisiert Scholz wegen der drei Milliarden, sieht darin "billige Winkeladvokaten-Tricks" im Wahlkampf auf dem Rücken der Ukrainer.
  • Wolfgang Ischinger. Der langjährige Diplomat und ehemalige Leiter der Münchener Sicherheitskonferenz (MSC) sieht auch die Möglichkeit, dass Trump gegenüber Putin resolut auftrete, denn Trump wolle nicht als Schwächling in die Geschichte eingehen.
  • Achim Berg. Berg ist Investor und ehemaliger Bitkom-Präsident. Berg ist verwundert, wie schnell manche amerikanischen Tech-Größen wie Larry Ellison (Oracle), Jeff Bezos (Amazon) oder Mark Zuckerberg (Meta) auf Trump-Kurs umgeschwenkt sind und sieht dahinter starke kommerzielle Gründe.
  • Elmar Theveßen. Der Leiter des ZDF-Studios in Washington erklärt das Ziel hinter Trumps Forderung, die Nato-Mitglieder sollten ihre Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent ihres Bruttoinlandprodukts erhöhen. Demnach seien 3,5 Prozent für Trump in Ordnung, wenn Europa zusätzlich 250.000 Soldaten aufstelle und für die Verteidigung Europas künftig alleine verantwortlich sei. Die USA würden nur den Nuklearschutzschirm beisteuern.
ZDF-Sendung "maybrit illner", 16.01.2025.
Von links: Achim Berg, Norbert Röttgen, Maybrit Illner, Ricarda Lang, Wolfgang Ischinger im Rahmen der ZDF-Sendung "Maybrit Illner". © ZDF/Svea Pietschmann

Die Analysen des Abends

Norbert Röttgen soll für Maybrit Illner die Unterschiede zwischen Putin, Trump und Xi herausarbeiten und kommt zu folgendem Ergebnis: Putin habe "eine historische Mission mit einem klaren Inhalt": "Das russische Imperium wieder zu begründen." Er wolle ohne jede Rücksicht den Ausgang des Kalten Krieges revidieren. Chinas Staatsoberhaupt Xi hingegen akzeptiere den Ausgang des Zweiten Weltkrieges mit seiner liberalen Weltordnung nicht, in der China damals schwach gewesen sei. Trump wiederum definiere amerikanische Interessen und stelle erst einmal Maximalforderungen, um das Bestmögliche zu erreichen.

Maybrit Illner beginnt mit dem Griff Trumps nach Kanada, dem Panama-Kanal oder Grönland. Für Wolfgang Ischinger sind Trumps Getöne und die Diskussion darüber nur "Geplänkel". Ab Dienstag nächster Woche sei Trump Präsident und "dann tauchen die Probleme auf, die wirklich weltpolitisch gravierend sind." Diese sind für Ischinger etwa der Waffenstillstand in Gaza, der Umgang mit China oder die atomaren Absichten des Irans. Ischingers Warnung: "Ab nächsten Dienstag wird's ernst."

Elmar Theveßen sagt zu einem möglichen Treffen Trumps mit Putin: "Ich glaube, er will erstmal reden." Laut Theveßen laufen bereits "Vorerkundungen", "wann man sich mit Wladimir Putin wo treffen könnte." Die große Frage bei einem solchen Treffen sei, ob man über den Kopf der Ukraine hinweg die Abtretung von Territorien zulassen und ob man die Sanktionen aufheben wird. "Was immer am Ende dazu führt, dass Donald Trump vielleicht […] den Friedensnobelpreis für sich reklamieren kann, das wird er in solche Verhandlungen mit Wladimir Putin mitnehmen", so Theveßen.

Norbert Röttgen spricht über die Absichten, die hinter Elon Musks Einmischung in die europäische Politik stecken. So sagt er über Musks Werben für die AfD: "Es geht ihm natürlich gar nicht um die AfD." Musk habe eine Vision für die Menschheit, in der ihm der demokratische Rechtsstaat europäischer Prägung mit Regeln und Institutionen zuwider sei. Um diese Staaten zu destabilisieren und zu zerstören, suche sich Musk "nützliche Idioten". In Großbritannien sei dies Nigel Farage und in Deutschland die AfD. Beide sollen im Gegenzug machen, was Musk sagt, so wie etwa Alice Weidel. "Sie war ja hinreichend servil und unbeholfen", urteilt Röttgen über die AfD-Chefin.

So schlug sich Maybrit Illner

Gut vorbereitet, die Spannung in der Diskussion hochhaltend, ohne zu überdrehen, die richtigen Fragen – Illners Leitung der Runde war an diesem Donnerstag kaum zu beanstanden, vielleicht auch, weil es ihr die weitgehende Einigkeit der Gäste leicht machte. Gleichzeitig konnte Illner auch diesmal nicht von ihrer Angewohnheit lassen, ihre Gäste zu unterbrechen oder deren Sätze zu beenden. Das fällt ein ums andere Mal auf, weil sich Illner dadurch von anderen Talkshowgastgebern unterscheidet.

Warum macht Illner das? Zeitdruck, ein zu voller Stichwortzettel, eine falsch verstandene Moderationsrolle, Unhöflichkeit oder etwas ganz anderes – die Gründe bleiben Spekulation. Doch was auch immer dahinterstecken mag, das Resultat ist immer dasselbe: eine Auflösung der Augenhöhe zwischen ihr und ihren Gästen und, was vor allem für den Zuschauer unangenehm ist, ein Stimmengewirr, bei dem man nichts mehr versteht.

Der Aussetzer des Abends

Man muss die Argumente und Einschätzungen von Achim Berg nicht teilen, aber der Investor trat den ganzen Abend durch einen sachlichen Diskussionsstil in Erscheinung. Zumindest fast den ganzen Abend. Denn kurz vor Schluss leistet sich Berg einen arg polemischen Patzer. "Wir wollen sehen, dass endlich mal was passiert", findet Berg, als es um Wirtschaftsreformen geht und wendet sich dann direkt an Ricarda Lang: "Gerade auch das Überwoke, jetzt guck' ich Sie mal speziell an, das hat die Leute auch echt genervt."

Illner
Achim Berg diskutierte bei Maybrit Illner sehr sachlich – mit einer Ausnahme. © ZDF/Svea Pietschmann

"Wo finden Sie mich denn überwoke?", fragt Lang direkt zurück, doch Berg kann keine Antwort geben, biegt ins Allgemeine ab und redet von "fast inquisitorisch". Doch auch hier will Lang ein Beispiel wissen, aber Berg bleibt beim Ungefähren. Bei jedem Brief habe man aufpassen müssen, "dass wir sehr vorsichtig sind." Am konkretesten wird der Vertreter der Wirtschaft noch, als er sagt: "Ich finde es richtig, dass wir uns um Klimaschutz und um andere Themen kümmern. Aber ich finde es nicht richtig, dass das immer nach vorne geschoben wird."

Nun kann man sich allen Ernstes fragen, ob Berg entweder die Dimension der Klimakrise und deren Auswirkungen auf die Wirtschaft oder den Begriff "woke" nicht verstanden hat. Man könnte aber auch Kalkül hinter seinen Behauptungen vermuten, denn es wäre nicht das erste Mal, dass jemand "Wokeness" permanent zum Thema macht, um sich dann darüber zu beschweren, dass von der politisch anderen Seite angeblich ständig darüber gesprochen werde.

Doch während Illner als Moderatorin Berg unwidersprochen Behauptungen aufstellen lässt, versucht wenigstens Ricarda Lang die Dinge klarzustellen: "Ich weiß nicht, was an Klimaschutz woke sein sollte", hinterfragt Lang, woraufhin Berg auch schnell wieder zurückrudert. Eine Diskussion der Marke "Mal eben was rausgehauen, vielleicht fällt ja jemand darauf rein."

Das Fazit

Das Verhalten der Tech-Milliardäre, die Absichten Elon Musks, der Ukraine-Krieg, der Waffenstillstand im Nahen Osten, das deutsch-amerikanische Verhältnis, Grönland, Panama, Kanada, die drei Milliarden Ukraine-Hilfe, Wirtschaftszölle, das Fünf-Prozent-Ziel für Verteidigungsausgaben oder die Faszination für Disruptionen – es war eine ganze Menge, was Maybrit Illner auf ihrem Zettel hatte.

Am Ende muss man festhalten: Es war zu viel. Zumindest, wenn man die durchaus scharfen Analysen ein wenig tiefer hätte angehen wollen, denn für jedes der diskutierten Themen hätte man eine eigene Sendung machen können.

Der Zuschauer kann aber trotz dieses wilden Ritts einiges an Erkenntnissen mitnehmen, was vor allem an den Gästen und ihren klar und ohne allzu viel Agenda formulierten Einschätzungen lag. Deren Kern: Europa muss nicht auf jede Äußerung Trumps reagieren, solle sich vielmehr auf die eigenen Stärken konzentrieren und so selbstständig, selbstbewusst, unabhängig und einstimmig wie möglich auftreten.

Ob das gelingen wird, diese Ungewissheit war auch der Runde bewusst. Denn all die Selbständigkeit funktioniert nur, wenn die europäischen Staaten mit einer Stimme sprechen. Doch davon kann bereits jetzt nicht die Rede sein, stattdessen erlebt Europa durch den Rutsch ins Rechte, ins Radikale und ins Rechtsradikale bereits jetzt eine Spaltung. Keine gute Ausgangslage für Europa, wenn es ab Dienstag ernst wird.

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Teaserbild: © ZDF/Svea Pietschmann