Journalist Frederik Pleitgen warnte bei "Maischberger" vor einem russischen Sieg in der Ukraine und dem Ende der US-Hilfen für Kiew. SPD-Urgestein Franz Müntefering übte scharfe Kritik an Altkanzler Gerhard Schröder. Und Sänger Heinz Rudolf Kunze erklärte, warum er die SPD nicht mehr mag.

Eine Kritik
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Das war das Thema bei "Maischberger"

Ukraine-Krieg, Israel-Iran-Konflikt: Über die großen Krisen der Welt sprach Sandra Maischberger am Dienstagabend mit ihren Gästen. Im Solo-Gespräch mit dem früheren SPD-Chef Franz Müntefering erfuhr die Gastgeberin, wie der frühere Vizekanzler über seinen ehemaligen Weggefährten, Altkanzler Gerhard Schröder, und die Entwicklung der SPD denkt.

Das waren die Gäste

  • Wolfgang Ischinger: Der langjährige Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz warnte vor zu hohen Erwartungen an China, was eine Vermittlerrolle im Ukraine-Krieg angeht. Der ganze Vorgang in der Ukraine werde überschattet durch die chinesische Rivalität mit den USA. China wolle Russland daher nicht schwächen, "weil sie sie noch gebrauchen können", so der frühere US-Botschafter. Irans Angriff auf Israel nannte der Experte einen "noch größeren Bock" als den russischen Angriff auf die Ukraine. Der israelische Premierminister Netanjahu sei dadurch wieder gestärkt worden. Etliche Länder wie die USA und Großbritannien, auch arabische, halfen bei der Abwehr der iranischen Geschosse und Drohnen. Ischinger hofft nun, dass Israel nicht überreagiert und die iranischen Atomanlagen angreift. Seine Befürchtung: Auf lange Sicht sei der Konflikt zwischen den Ländern "nicht heilbar".
  • Frederik Pleitgen: Auch der CNN-Korrespondent kann nicht erkennen, dass China eine Rolle einnehmen wird, um den Konflikt in der Ukraine zu lösen. Die Frage wäre auch, was dabei herauskommt: ein Diktatfrieden nach Moskaus Vorstellungen? Pleitgen sieht die Ukraine derzeit "an allen Frontabschnitten unter Druck". Russland verliere zwar "unglaublich viele Soldaten", baue seine technischen Fähigkeiten aber immer weiter aus. Man müsse zum jetzigen Zeitpunkt anerkennen, so Pleitgen, "dass Wladimir Putin den Westen und die Ukraine ausmanövriert hat". Trotzdem hält er es weiter für möglich, dass Russland den Krieg verliert.
  • Franz Müntefering (SPD): Der ehemalige Parteivorsitzende hadert damit, dass Altkanzler Gerhard Schröder nach Beginn des Ukraine-Kriegs nicht mit Russlands Präsident Wladimir Putin gebrochen hat. "Ich bedauere das sehr. Ich kann ihn gar nicht verstehen in der Sache." Für Schröder hat Putin mit dem Angriff auf die Ukraine lediglich einen Fehler gemacht. "Nein", sagte Müntefering. "Das ist ein Verbrecher", der Huntertausende Leute töten, Frauen vergewaltigen und Kinder verschleppen lasse. Das müsse man in dieser Deutlichkeit auch sagen. "Auch Gerd Schröder." Dafür gab es großen Applaus. Der SPD riet Müntefering, erkennbar zu machen, wo bei ihr die Prioritäten liegen ("Alle Menschen sind gleich viel Wert") und dafür zu kämpfen.
  • Heinz Rudolf Kunze: Der Rocksänger und Liedermacher hält es für ausgeschlossen, dass die Ukraine Russland bezwingt und sprach sich dafür aus, den Krieg zu beenden und "erstmal einzufrieren". Dafür gab es nur spärlichen Applaus im Studiopublikum. Er fürchtet, dass es nicht durchsetzbar ist, dass die Ukraine in den alten Grenzen wieder auferstehen wird. "Was nützt mir ein Recht, wenn ich keine Chance habe, zu gewinnen"
  • Helene Bubrowski: Nach Ansicht der stellvertretendem Chefredakteurin von Table.Briefings steht es uns nicht gut zu Gesicht, "aus den warmen Wohnzimmerstuben der Ukraine zu sagen, wann sie aufhören soll zu kämpfen". Putin will, dass sie aufhört zu existieren, daher hält Bubrowski Forderungen wie von Kunze für "unverantwortlich". Es sei außerdem "hochgradig zynisch", die Ukraine in einen Diktatfrieden zu zwingen, indem man die Waffenlieferungen einstellt.
  • Khesrau Behroz: Der Journalist und Podcaster betonte, dass beide Länder, die Ukraine und Russland, der "Idee des Einfrierens" zustimmen müssten. Bei Russland sei da derzeit keine Bereitschaft zu erkennen. Behroz sieht eine Chance darin, dass Bundeskanzler Olaf Scholz auf seiner China-Reise auf den chinesischen Machthaber Xi Jinping einwirken könnte, damit Peking mehr Druck auf Russland ausübt.

Das war der Moment des Abends

Die USA als unangefochtene Führungsmacht des Westens, die sowjetische (früher) oder russische (heute) Aggressionen um jeden Preis zurückschlägt - diese Zeiten sind vorbei. Deutlicher als CNN-Korrespondent Frederik Pleitgen hätte man es nicht sagen können. "Amerika ist ein ganz großes Fragezeichen."

Auch wenn das 60-Milliarden-Dollar-Paket für die Ukraine womöglich nächste oder übernächste Woche vom US-Repräsentantenhaus freigegeben wird, ist eine langfristige Strategie ein halbes Jahr vor der US-Wahl völlig ungewiss. Sollte Donald Trump gewinnen, muss sich Kiew wohl auf ein Ende der Unterstützung einstellen.

Das war das Rededuell des Abends

Heinz Rudolf Kunze hat mal links angefangen, er war früher SPD-Mitglied und ist inzwischen ein "melancholischer Bürgerlicher geworden", wie er bei Sandra Maischberger zugab. Was er genau an der SPD kritisiert, wollte die Gastgeberin wissen. Dass sie keine Politik für ihre Stammklientel mehr mache, die einfachen, hart arbeitenden Leute, moserte Kunze. Stattdessen reibe sich die SPD auf "in irgendwelchen postfeministischen Bullerbü-Wolkenkuckucksheimen". Maischberger wunderte sich amüsiert und wollte es genauer wissen. "Was ist ein postfeministisches Bullerbü?" Kunze antwortete: "Zum Beispiel die Genderei."

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So hat sich Sandra Maischberger geschlagen

Bei Kunzes Kritik am Gendern verpasste Maischberger die Chance, noch einmal nachzuhaken. Denn eigentlich war die SPD, anders als die Linkspartei, bisher nicht als politische Kraft bekannt, die sich extrem stark fürs Gendern einsetzt, sondern wie Kanzler Scholz höchstens für einen gelassenen Umgang mit geschlechtergerechter Sprache wirbt. Ging es Kunze um eine generelle Kritik am sogenannten woken Zeitgeist vieler junger Leute?

Etwas billig versuchte Maischberger kurz darauf, Kunze nach seiner etwas nach Stammtisch klingenden Bullerbü-Wolkenkuckucksheim-Kritik zu entlocken, welche Partei denn zum selbst ernannten "melancholischen Bürgerlichen" passt. Eine, die das Gendern scheiße findet. Nein, die AfD ist es nicht, wie die Fragestellerin vielleicht vermutete. Auch zum Bündnis Sahra Wagenknecht und der Union, alles Kräfte aus der gender-kritischen Ecke, bekannte sich Kunze nicht. "Ich suche mir meine Wahrheiten hier und da."

Das ist das Fazit

China will sich nicht recht um Frieden in der Ukraine bemühen, die USA sind nur noch ein großes Fragezeichen. Die Expertenmeinungen bei Sandra Maischberger ließen eigentlich nur den Schluss zu, dass der russische Machthaber Wladimir Putin in der Ukraine weiter schalten und walten kann, wie es ihm beliebt. Düstere Aussichten für Kiew.

Wolfgang Ischinger wollte dem ehemaligen und vielleicht nächsten US-Präsidenten Donald Trump zumindest zugute halten, dass er nicht "kriegslüstern" ist und die USA vor weiteren Abenteuern abhalten würde. Wie ein Militärschlag gegen den Iran, auf den Trumps früherer Sicherheitsberater John Bolton schon in der ersten Präsidentschaft Trumps gedrängt habe.

SPD-Urgestein Franz Müntefering, Jahrgang 1940, gab seiner Partei mit Blick auf die hohen Umfragewerte der AfD noch einen Ratschlag. Sie sollte sich 2025 mit allen Demokraten unterhaken. "Wir werden verhindern, dass diese rechten Neonazis in Deutschland Macht gewinnen", rief der 84-Jährige. "Wir Alten müssen mitkämpfen und mitabstimmen, dafür dass die Demokratie in Deutschland gefestigt bleibt. Ganz ganz wichtig."

Wobei die AfD im Bund keinerlei Machtoption hat und im kommenden Bundestag maximal stärkste Oppositionspartei werden kann. Selbst wenn sie ihre Umfragewerte von 16 bis 19 Prozent wieder steigern sollte. Schwieriger sind die Konstellationen vor den drei Landtagswahlen im Herbst in Sachsen, Thüringen und Brandenburg, die teilweise vor der Unregierbarkeit stehen. Doch damit wird sich Sandra Maischberger in den kommenden Monaten ganz sicher noch einmal in einer extra Sendung beschäftigen.

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