Besonders in Thüringen und Sachsen fuhr die SPD bei den diesjährigen Landtagswahlen katastrophale Ergebnisse ein. Bei "Markus Lanz" (ZDF) erklärte Generalsekretär Kevin Kühnert am Donnerstagabend, warum ein Rücktritt nicht die Lösung aller Probleme wäre.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Nach den Landtagswahlen in Ostdeutschland zogen die Grünen mit dem Rücktritt von Ricarda Lang und Omid Nouripour ihre Konsequenzen. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert erklärte bei "Markus Lanz" (ZDF), warum er selbst einen Rücktritt nicht in Betracht ziehe. Mit seiner Erklärung schockte er nicht nur den ZDF-Moderator.

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Das war das Thema bei "Markus Lanz"

Die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg haben gezeigt, dass traditionelle Parteien wie die SPD oder die Grünen an Vertrauen in der Bevölkerung verloren haben. Stattdessen scheint es, als setzen mehr und mehr Bürger auf Parteien wie die AfD und das BSW. Markus Lanz nahm dies zum Anlass, am Donnerstag über die Gründe für die jüngsten Wahlniederlagen der SPD zu sprechen. Gleichzeitig blickte er auch auf den deutschen Einfluss im Nahen Osten und die Beziehung zu Israel.

Das waren die Gäste

  • Kevin Kühnert, SPD-Generalsekretär: "Jeder in führenden Ämtern sollte sich hinterfragen, ob er im positiven Sinne einen Unterschied in seinem Amt machen kann."
  • Robin Alexander, Journalist: "In diesem Land läuft was schief und das ist mehr als die Umfragen der SPD."
  • Rüdiger Maas, Generationenforscher: "Wir sollten jetzt nicht den Fehler machen und die hohe Zustimmung junger Wähler zur AfD als Protestwahl zu verklären."
  • Corinna Milborn, Politologin: "Was wir da in Österreich gerade sehen, ist die rechteste FPÖ seit Jahrzehnten."

Das war der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

In Bezug auf den iranischen Luftangriff auf Israel wollte Markus Lanz zu Beginn der Sendung wissen: "Mit welchen Gefühlen schauen Sie in den Nahen Osten?" SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert antwortete ehrlich: "Mit einem großen Bedrücktheitsgefühl." Der Politiker ergänzte: "Innerhalb eines Jahres haben wir jetzt Angriffe aus dem Gazastreifen erlebt, immer wieder im Westjordanland, aus dem Libanon." Es handle sich dabei um "das, worauf der Staat Israel immer wieder hingewiesen hat. Er ist nicht ringsherum, aber doch in großer Zahl umzingelt von Ländern, wo die Machthaber ihm nicht freundlich gesinnt sind."

Markus Lanz, Kevin Kühnert, Corinna Milborn, Robin Alexander, Rüdiger Maas
Zu Gast bei Markus Lanz waren (v.l.n.r.) Kevin Kühnert, Corinna Milborn, Robin Alexander und Rüdiger Maas. © ZDF / Markus Hertrich

In dem Zusammenhang stellte Kühnert klar, dass die Bundesregierung hinter der militärischen Reaktion Israels stehe, denn: "Die Existenz dieses Staates Israel ist zu schützen und deswegen hat dieser Staat auch das Recht, sich gegen fortwährende Angriffe auf sein Staatsgebiet (…) zu wehren." Grund genug für Lanz, den SPD-Mann zu fragen, ob bei der israelischen Bodenoffensive im Libanon "auch deutsche Waffen mit im Einsatz" seien. Kühnert reagierte zurückhaltend: "Das kann ich nicht beantworten, ob das der Fall ist." Er fügte nüchtern hinzu, dass die israelische Armee "nicht exklusiv" auf die deutsche Unterstützung angewiesen sei.

Lanz fragte dennoch unbeirrt weiter: "Liefert Deutschland im Moment Waffen an Israel?" Kühnert antwortete schwammig: "Wenn wir für das Existenzrecht Israels (…) einstehen", müsse das bedeuten: "Wir müssen dafür sorgen, dass dieses Land in der Lage ist, sich militärisch zu jeder Zeit effektiv verteidigen zu können." Die Antwort schien den ZDF-Moderator immer noch nicht zu befriedigen, denn er wiederholte seine Frage. Erst jetzt rückte Kühnert mit der Sprache heraus und sagte, Lieferungen seien in den letzten Jahresberichten inkludiert gewesen. "Ich kann mich jetzt nicht auf die Millionenumfänge oder so festlegen und weiß auch nichts (…) über die Qualität dieser Waffen, aber es hat auch immer wieder Lieferungen gegeben, ja", so der SPD-Politiker.

Journalist Robin Alexander machte daraufhin deutlich: "Es könnte gut sein, dass die Bundesregierung guckt, dass sie die Defensivsysteme der Israelis – also den Iron Dome und was die Bevölkerung schützt – weiter beliefert. Und bestimmte offensive Komponenten, die für ein Vorgehen in Gaza genutzt werden, (…) dass die nicht mehr genehmigt werden." Mit Blick auf Gaza wollte Lanz schließlich von Kühnert wissen, wie weit das Selbstverteidigungsrecht Israels reiche. Dazu sagte der Politiker ehrlich, dass "präventive Einsätze" auch mit dazugehören, "weil man dem existenzbedrohenden Angriff manchmal zuvorkommen muss".

Das war das Rede-Duell des Abends

Als Markus Lanz den SPD-Generalsekretär auf die schlechten Wahlergebnisse seiner Partei bei den Landtagswahlen im Osten ansprach, erklärte Kevin Kühnert nüchtern, dass die Ergebnisse vor allem "eine hohe Volatilität" bei den Wählern zeigen. Lanz reagierte fassungslos: "Sie sind die Regierungspartei!"

Der ZDF-Moderator wollte daraufhin wissen, was Kühnert von dem Rücktritt der grünen Parteispitze halte. Der Politiker nannte es einen "respektablen Schritt", stellte aber auch klar, dass er "noch nicht so richtig verstanden" habe, "warum eigentlich der Rücktritt der grünen Parteivorsitzenden die passende Antwort auf die Problemsituation der grünen Partei sein soll." Lanz konterte streng: "Verantwortung übernehmen für miese Wahlergebnisse?" Und auch Journalist Robin Alexander stichelte: "Kevin Kühnert baut vor. Sollte Olaf Scholz auf die Idee kommen, den SPD-Generalsekretär auszuwechseln."

Kühnert reagierte genervt: "Dann hätten wir das schon gemacht. Ich klebe da bestimmt auch nicht an meinem Sessel." Grund genug für Lanz, zu fragen, ob er schon über einen Rücktritt nachgedacht habe. Der Politiker antwortete: "Jeder in führenden Ämtern sollte regelmäßig sich hinterfragen, ob er im positiven Sinne einen Unterschied in seinem Amt machen kann."

Lanz erklärte daraufhin, dass Kühnert seit Dezember 2021 das Amt des Generalsekretärs bekleide und in dieser Zeit "drei Wahlen gewonnen, neun Wahlen verloren" habe. "Das ist doch katastrophal!", so Lanz empört. Kühnert gab zwar zu, dass er mit dem Ergebnis "auch nicht zufrieden" sei, dennoch merkte er an, dass ein Auswechseln seiner Person "erstmal nichts ändern" würde, "weil die grundsätzliche Stimmung gegenüber der Bundespolitik sich nicht in der Mitte einer Wahlperiode fundamental ändert". Der SPD-Mann fügte hinzu: "Ich bin da ganz unorthodox." Wäre ein Rücktritt seinerseits hilfreich, würde er das "sofort machen".

Robin Alexander konterte fassungslos: "Sie haben gerade etwas gesagt, was echt fatal ist. Nämlich: Die Stimmung ändert sich nicht mehr. Und das ist nicht okay! In diesem Land läuft was schief." Die Lage sei "schlecht und die Stimmung ist noch schlechter und deshalb muss sich ein Kanzler oder eine Regierung einen Kopf machen: Wie drehe ich das?" Der Journalist ergänzte wütend: "Wenn der Kanzler keinen neuen Plan mehr hat, dann müssen wir eigentlich einen neuen Kanzler finden." Kühnert blieb dennoch bei seiner Meinung und sprach von einem "Grundsatzverdruss, der sich gar nicht mehr an konkreten politischen Maßnahmen festmacht, sondern zum Beispiel an dem Gefühl: 'Was ich auch wähle, mit wem ich auch spreche – (…) im Ergebnis ändert sich nicht viel'." Eine "fatale" Aussage, wie Lanz klarstellte: "Sie sagen, da gibt's einfach nur ein Gefühl?!"

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz forderte vor allem SPD-Politiker Kevin Kühnert mehrmals verbal heraus und konnte ihm einige überraschende Aussagen entlocken. Als Kühnert versuchte, zu erklären, dass nicht alles an der Ampel schlecht sei und einige der gemeinsamen Ziele bereits umgesetzt wurden, unterbrach ihn Lanz mit den wütenden Worten: "Es brennt doch gerade wirklich der Busch!"

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Bei "Markus Lanz" machte Kevin Kühnert am Donnerstag deutlich, dass die Regierung auch nach den teils schockierenden Wahlniederlagen bei den Landtagswahlen im Osten keine Lösung parat hat. Stattdessen sprach er von "Verschiebungen in der politischen Landschaft" und erklärte, dass es vor allem bei jungen Menschen ein "flexibleres Wahlverhalten" ohne starke Parteienbindung gebe.

"Wir haben einen Anstieg (…) von Menschen mit geschlossen rechtsradikalen Weltbildern", so Kühnert, der ergänzte, dass sich dies "auch in den Wahlergebnissen" widerspiegle. Wie seine Partei den Trend zu ändern versucht, konnte der SPD-Politiker jedoch nicht erklären. Stattdessen gab Kühnert zu, dass er selbst "mit einer gewissen Ohnmacht" davorstehe und "noch nicht die abschließende Antwort gefunden" habe.  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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