Mit einigem Recht kommt auch Maybrit Illner mit ihrem Polittalk gestern Abend nicht am Thema Jamaika-Koalition vorbei. Zwar gab es auch hier wieder das übliche Parteien-Gebell. Am Ende ist die Reisegruppe aber gar nicht so weit von Jamaika entfernt, wie sie gerne behauptet.

Christian Vock
Eine Kritik
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Die Große Koalition ist, Stand jetzt, Geschichte. Die SPD will nicht mehr und eine andere Koalition als die aus CDU/CSU, FDP und den Grünen ist zwar rechnerisch möglich, will aber niemand.

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Nun also Jamaika oder auch "Schwampel", wie beispielsweise die stellvertretende Vorsitzende der FDP, Marie-Agnes Strack-Zimmermann bevorzugt.

Die Ausgangslage:

Noch bevor die Koalitionsvorhandlungen beginnen, gibt es unter den möglichen Koalitionspartnern Unstimmigkeiten darüber, wie denn nun das Jamaika-Projekt angegangen werden soll.

Grüne und FDP möchten zunächst jeweils bilaterale Gespräche führen, die CSU hingegen will, dass gleich alle vier Verhandlungsparteien am Tisch sitzen. Am kommenden Sonntag setzen sich aber erst einmal die beiden Unionsparteien zusammen.

Bei dem ganzen Vorgeplänkel kommen aus Bayern gewohnt polemische Töne: "Jetzt ist uns Tofu in die Fleischsuppe gefallen", hört man beispielsweise von Alexander Dobrindt darüber, dass er lieber alleine mit CDU und FDP eine Koalition gehabt hätte, nun aber die Grünen dabei sein könnten.

Inhaltlich interessant bei diesem Spruch ist höchstens, dass er eine Schwarz-Gelb-Koalition offenbar als politische Fleischsuppe sieht. Nun denn, man kann auch entspannter in Koalitionsverhandlungen gehen.

"Offene Flanken, rote Linien – klappt das mit Jamaika?", fragt deshalb Maybrit Illner ihre Gäste nicht ganz zu Unrecht.

Das waren die Gäste bei "Maybrit Illner":

• Alexander Dobrindt (CSU), Bundesverkehrsminister und Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Bundestag

Katrin Göring-Eckardt (B'90/Die Grünen), Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag

Christian Lindner (FDP), Partei- und Fraktionsvorsitzender der FDP

• Carsten Koschmieder, Politikwissenschaftler an der Freien Universität in Berlin

• Bernd Ulrich, stellvertretender Chefredakteur der Wochenzeitung "Die Zeit"

• Malu Dreyer (SPD), Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz war ebenfalls eingeladen, konnte aber wegen des Sturms "Xavier", der am Donnerstag über Deutschland fegte, laut Illner nicht kommen.

Darum ging's:

Was gebietet jetzt der Respekt vor den eigenen Wählern? Was gebietet die Verantwortung für das Land? Wie gewinnt man die Unzufriedenen an den Rändern zurück? Wie bindet man die Wähler aus der Mitte?

Das waren die Fragen, die Maybrit Illner mit ihren Gästen am gestrigen Abend diskutieren wollte. Mit den Wählern am rechten Rand ging es los und damit auch mit der spannenden Frage, wie die CSU die "offene" Flanke denn schließen möchte, die sie selber auf ihrer rechten Seite entdeckt hat.

"Wir wollen keinen Rechtsruck, sondern als Volkspartei das politische Spektrum Mitte bis zur demokratischen Rechten abdecken", erklärte Dobrindt ein wenig unkonkret die Strategie der CSU.

Wie er aber das Kunststück vollbringen will, auch das rechte demokratische Spektrum abzudecken, ohne nach rechts zu rücken, verriet Dobrindt nicht. Auch nicht, wie er es dann als Volkspartei gerne mit den linken Rändern halten will.

Auch für Göring-Eckardt stellt sich bei der Einbindung der rechten Wähler die Frage, "ob man das macht, indem man genau das macht, was da rechts passiert." Stattdessen sieht sie die Wahlergebnisse der CSU viel eher in dem Vertrauensverlust begründet, der durch das interne Durcheinander entstanden sei.

Nach einem kurzen Diskurs über den Streit zwischen Seehofer und Söder gelangte Illner dann doch noch einmal zum eigentlichen Thema, den Koalitionsverhandlungen und den aus ihrer Sicht strittigsten Themen Obergrenze und Wirtschaftspolitik zurück.

Nachdem jeder Parteivertreter noch einmal seine inzwischen mehr als bekannten Positionen darlegen durfte, konnte man, wenn man erst einmal den ganzen Pulverdampf der Wortscharmützel weg gewedelt hatte, sehen: So weit wie immer behauptet liegen die Parteien nun auch wieder nicht voneinander entfernt.

Klappt das nun mit Jamaika?

Sagen wir einmal so: Wenn sich die Parteienvertreter am Verhandlungstisch genauso verhalten wie gestern Abend, wird es schwierig. Vielleicht ist es Verhandlungskalkül, vielleicht noch der Wahlkampfmodus, jedenfalls waren manche Sprüche, die man sich da gestern Abend an den Kopf warf, alles andere als Teil einer Sachlichkeitsoffensive.

Besonders doll trieb es Christian Lindner: "Wenn Sie aufhören, die Unwahrheit über die FDP zu sagen, höre ich auf, oft die Wahrheit über die Grünen zu sagen", giftete Lindner bei der Diskussion über die richtige Energiepolitik gegen Göring-Eckardt in einer Breitbeinigkeit, die die Grünen-Chefin zuvor bereits bei Markus Söder ausgemacht hatte.

Allerdings war es ebenfalls Christian Lindner, der sich an anderer Stelle immer wieder dafür aussprach, statt über Schlagworte, doch lieber über konkrete Inhalte zu sprechen.

"Ich will von der CSU einfach mal einen Gesetzesentwurf sehen", forderte Lindner beispielsweise beim Thema Obergrenze in Richtung Dobrindt und ergänzte: "Wie sieht das aus mit der Obergrenze? Das ist bisher immer nur so eine Talkshowformulierung."

Und auch Katrin Göring-Eckardt sendete etliche Signale aus, dass es am Verhandlungstisch anders zugehen wird.

Als Maybrit Illner am Ende nämlich Jürgen Trittins Zitat hervor kramte, welche Partei wie werden müsse, damit es mit Jamaika klappt, antwortete Göring-Eckardt verantwortungsbewusst: "Wir reden jetzt erstmal darüber, wie man dieses Land vernünftig regieren kann und nicht darüber, wie wer werden muss."

Man kann also zumindest ein wenig hoffen, dass sich die potenziellen "Jamaikaner" schon irgendwie einig werden, wenn erst einmal die Kameralichter aus sind. Danach kann dann ja wieder jeder die Verhandlungsergebnisse ganz breitbeinig als Erfolg seiner Partei verkünden.

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