Es ist still geworden um den Scholz'schen "Doppelwumms". Die Preisbremsen und Entlastungspakete finden kaum noch in Talkshows statt. Maybrit Illner holte das nun am Donnerstagabend nach. Heraus kam eine interessante, aber überladene Diskussion, bei der der Finanzminister einen Gast an die Versäumnisse seiner Partei erinnern musste und eine Verbraucherschützerin einen klaren Auftrag an die Politik richtete.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Vock dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Bundeskanzler Olaf Scholz machte seinerzeit auch sprachlich klar, dass er Großes zur finanziellen Entlastung der Bürger vorhabe. Ein "Doppelwumms" sollte es werden und da darf man mit ein bisschen Abstand zu Recht fragen, was denn aus diesem "Doppelwumms" geworden ist. Das tat Maybrit Illner am Donnerstagabend unter dem Titel "Die Kosten der Krise – wem hilft der Doppelwumms?"

Mehr aktuelle News

Die Themen des Abends

Unter das Stichwort "Doppelwumms" packten Maybrit Illner und ihre Redaktion doch reichlich verschiedene Themen. So ging es zunächst darum, wie es den Bürgern mit den Entlastungspaketen geht, wie es um die Entlastungen für Menschen steht, die mit Öl oder Pellets heizen und was eigentlich aus den Entlastungen für Studierende geworden ist. Dabei wurde auch noch einmal die Hast, in der die Beschlüsse seit September gefasst wurden, aufgewärmt.

Über die Fragen, wer denn eigentlich die Energieunternehmen und ihre Preisgestaltung kontrolliert, was passiert, wenn von den 200 Milliarden etwas übrig bleibt und wie man die Übergewinne der Energiekonzerne besteuern sollte, landete man schließlich bei den jüngst angekündigten Steuer-Unterstützungen der USA für die heimische Wirtschaft und den richtigen Reaktionen der EU.

In den letzten verbliebenen Minuten wollte Maybrit Illner noch einmal das Faß Fachkräfte durch Zuwanderung aufmachen, blieb aber auch hier nur an der Oberfläche.

Mit diesen Gästen diskutierte Maybrit Illner

  • Christian Lindner (FDP). Der Bundesfinanzminister resümiert: "Im Ergebnis ist unser Land gut durch das Jahr 2022 gekommen." Bei der Entlastung von Studierenden gebe es noch technische Probleme, die gerade gelöst würden. Zur Besteuerung von Zufalls- und Übergewinnen sagt Lindner: "Ich glaube, dass man die ethische Frage von Bewertung von Gewinnen nicht in einem Krisenjahr alleine bewerten sollte, sondern man muss es über mehrerer Jahre betrachten."
  • Friedrich Merz (CDU). Merz ist als CDU-Parteivorsitzender Oppositionsführer. Er sorgt sich um Deutschland als Unternehmens- und Finanzstandort. Über den Umstand, dass Biontech nicht in Frankfurt, sondern in New York an die Börsen gegangen ist, sagt Merz etwa: "Wir sind in Deutschland kein Kapitalmarkt, der für solche Unternehmen groß und breit und attraktiv genug ist." Außerdem stehe sich Deutschland mit seiner Bürokratie selbst im Weg: "Wir machen Subventionen mit unendlich langen Antragsverfahren, wir fördern Wasserstoff, aber bitte nur den grünen, auf gar keinen Fall irgendjemand anders. Wir sind einfach zu kompliziert."
  • Annabel Oelmann. Oelmann ist im Vorstand der Verbraucherzentrale Bremen und berichtet aus dem Alltag: "Die Angst und Sorge ist bei vielen VerbraucherInnen immer noch wirklich groß." Gleichzeitig warnt Oelmann trotz hoher Kosten vor teuren Notlösungen, etwa den Dispo des Kontos zu nutzen. Stattdessen gebe es bessere Möglichkeiten, "aber die Menschen wissen oft nicht um ihre Optionen." Man solle deshalb nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern sich Hilfe holen, etwa bei den Verbraucherzentralen.
  • Jens Südekum. Südekum ist Professor für internationale Volkswirtschaftslehre. Er sagt: "Insgesamt sind die drei Entlastungspakete plus die Strom- und Gaspreisbremse schon ein wichtiges und gutes Programm, aber optimal sind sie nicht, das hätte besser laufen können." Gemeint ist damit, dass es bereits im Frühjahr 2022 günstigere Vorschläge zu den Preisbremsen, auch von ihm selbst, gegeben habe, die aber von der Bundesregierung im Sommer abgelehnt worden seien. Dann sei im September über Nacht eine Kehrtwende in Windeseile gekommen. Einen Protektionismus-Wettstreit mit den USA lehnt Südekum ab, bei der Besteuerung der Übergewinne hätte die Regierung einen höheren Steuersatz nehmen sollen, so der Professor.

Der Schlagabtausch des Abends

Wahrscheinlich hat man in der Redaktion von "maybrit illner" das größte Schlagabtausch-Potenzial bei Christian Lindner und Friedrich Merz gesehen und die beiden dementsprechend einander gegenüber platziert. Trotzdem beginnt es vergleichsweise harmlos zwischen den beiden, zumindest bis Christian Lindner Friedrich Merz bei dessen Kritik an der Ampel daran erinnert, wer denn die vergangenen Jahre große Themen liegen gelassen hat.

Als Merz erneut vorschlägt, man solle doch besser "ein so brutales Überangebot an Stromerzeugung schaffen", gibt es von Lindner einen deutlichen Hinweis auf die Untätigkeit der unionsgeführten Regierung der vergangenen Jahre: "Wenn Friedrich Merz für mehr Kapazität bei der Energieerzeugung wirbt - das ist ja gut. Aber wir sind jetzt nicht im Jahr 2016, wo man die Kraftwerke des Jahres 2023 hätte planen können. Wir sind schon in 2023, wir planen jetzt die Energiekapazität für 2028."

Und als Merz die Kompliziertheit des Standorts Deutschland kritisiert, erklärt Lindner: "Unser Problem ist, dass wir nicht wettbewerbsfähig sind wegen anderer Fragen, die lange Jahre nicht gelöst worden sind: Infrastruktur, schlechter Zustand, hohe Energiepreise, wir haben in Deutschland einen Fachkräftemangel."

So schlug sich Maybrit Illner

Maybrit Illner zeigt sich am Donnerstagabend versiert im Thema , konnte auch Detailfragen stellen und entsprechend nachhaken. Einmal ließ sie sich gleich zu Beginn von Friedrich Merz niederreden, hatte die Runde aber ansonsten im Griff und – anders als sonst: Sie ließ ihre Gesprächspartner aussprechen.

Die ehrlichste Selbsteinschätzung des Abends

Einen kompetenten Menschen erkennt man nicht daran, dass er zu allem etwas sagt. Einen kompetenten Menschen erkennt man daran, dass er weiß, wenn er etwas nicht weiß. An diesem Abend wies sich Annabel Oelmann als eine solch kompetente Person aus.

Als Illner Oelmann fragt, ob Übergewinnsteuern ein wichtiges Symbol seien, erklärt Oelmann ihre Unentschlossenheit. Moralisch müsse man darüber nicht diskutieren, aber ob es ökonomisch und rechtlich geboten sei, "da geb' ich ganz klar ab. Brauch ich nicht machen, ist nicht mein Job. Meine Herren, liefern Sie die Lösung!", gibt sie den Ball in die Herrenrunde zurück.

Das Fazit

"Wem hilft der 'Doppelwumms'?", wollte Illner zu Beginn wissen und über diese Frage kann man sich in Details verlieren - und das tat die Runde auch. Denn man entschied sich, zum einen eine Ratgeber-Sendung zu machen und zum anderen über Grundsätzliches zu diskutieren. Diesen Spagat bekam die Runde am Donnerstag insofern nicht hin, als dass dabei vieles auf der Strecke blieb. Und so war Maybrit Illner zwar in dem gut, was sie machte, musste aber einige Male an der Oberfläche bleiben.

Zum Beispiel, als Christian Lindner beim Thema Übergewinnsteuer für die Rüstungsindustrie sagt: "Im Nachhinein moralisch zu kategorisieren in der Marktwirtschaft fällt schwer, weil es führt dazu, dass das Steuerrecht anfällig wird für politische Werturteile, für Geschmacksurteile, für Stammtischurteile." Das wäre eigentlich eine eigene spannende Diskussion wert gewesen, schließlich ist das Steuerrecht wie jedes andere Recht nur ein Ausdruck des gesellschaftlichen moralischen Empfindens. So aber blieb Linders Satz einfach stehen.

Und wenn Friedrich Merz mal wieder mehr Atomkraft fordert, dann bleibt auch dieser Einwand undiskutiert und so kann Illner Merz nicht mehr fragen, was denn seine Lösungen sind für die Kosten der Kernkraft, die Endlagerfrage und so weiter. So bleibt beim Zuschauer nur unwidersprochen der Eindruck eines Ich-hab's-schon-immer-besser-gewusst-Mannes, als habe Merz noch nie etwas von den nicht wenigen Argumenten gegen Atomkraft gehört.

Besonders oberflächlich bleibt die Diskussion aber, als Illner wenige Minuten vor Schluss noch das Thema Zuwanderung anschiebt. Das macht sie zwar mit dem richtigen Einstieg, als sie eine Rede von Christian Lindner einspielt: "Wer pauschal über Sozialtourismus und kleine Paschas spricht, der kann keinen Führungsanspruch für das moderne Deutschland begründen", sagt der Bundesfinanzminister dort über Friedrich Merz. Doch weil zu wenig Zeit für eine ordentliche Diskussion bleibt, kann Merz seine Diffamierungen mit ein paar vermeintlich launigen Behauptungen gegen Christian Linder hinweg reden. Das war der Wichtigkeit des Themas nicht angemessen.

Anne Will

Nach 16 Jahren Schluss: "Anne Will"-Talk endet

Ihre Sendung ist für viele ein Sonntagabend-Ritual wie der "Tatort". Anne Will talkt spätabends im Ersten, so ist man es gewohnt. Doch Ende 2023 wird damit Schluss sein.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.