- Maybrit Illner fällt aus, Kollege Theo Koll springt ein und diskutierte am Donnerstagabend (17.) mit seinen Gästen über die aktuelle Situation in der Ukraine: Gefahr einer atomaren Eskalation, Umsetzbarkeit einer Flugverbotszone, Beitrittsperspektive in die EU.
- Die Sendung verläuft weitgehend analytisch, der Tonfall besonnen und nüchtern. Bis der Moderator den ukranischen Botschafter mit einer zynischen Frage aus der Fassung bringt.
Seit knapp drei Wochen herrscht Krieg in der Ukraine und ein Ende ist nicht in Sicht. Eine Flugverbotszone über der Ukraine haben die Nato-Staaten bereits abgelehnt, ebenso eine "Friedensmission" vor Ort. Gleichzeitig hat die Ukraine dem russischen Vorschlag eines "neutralen Status" eine Absage erteilt. Vor den Abgeordneten des deutschen Bundestags appellierte Selenskyi in einer Video-Schalte erneut für weitere Unterstützung.
Das ist das Thema bei "Koll"
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Das sind die Gäste bei Illner-Ersatz Koll
Andrij Melnyk: Der ukrainische Botschafter hält den Einsatz von Atomwaffen durch Putin für unrealistisch. "Wir glauben nicht, dass Putin ein Selbstmörder ist", sagte er. Der Einsatz von Atomwaffen bedeute für die ganze Welt ein zähes Ende. "Putin möchte in die Geschichte eingehen und diese Geschichte muss noch geschrieben werden", so Melnyk. An die Bundesregierung richtete er klare Worte: "Der Krieg betrifft uns alle!" Man müsse den Menschen erklären, dass das, was Putin womöglich vorhabe, über die ukrainischen Grenzen hinausgehe. "Dieses Risiko ist da, auch wenn man sich raushalten möchte", so Melnyk.
Erich Vad: Der Brigadegeneral a.D. hält eine Flugverbotszone für nicht sinnvoll. "Das wäre ein Schritt in den Weltkrieg", so Vad. Die Grenze zwischen Kriegs- und Konfliktpartei sei fließend. "Wenn man Waffen liefert, ist man zwar de jure noch keine Kriegspartei, aber man befindet sich auf dem Weg dorthin – auch in der Wahrnehmung des anderen", führte er aus. Wenn Putin mit dem Rücken zur Wand stehe, könne er versucht sein, zur atomaren Eskalation zu schreiten. "Offensichtlich gibt es keinen kurzen Krieg. Man bewegt sich in einen lang andauernden Krieg hinein", analysierte der Militärexperte.
Michael Roth (SPD): "Wir dürfen uns von Putin nicht einschüchtern lassen, das tun wird seit 2008", sagte der SPD-Politiker am Donnerstagabend. Man könne und müsse mehr tun, um der Ukraine zu helfen. "Nur, wenn sie siegt, hat die Ukraine eine Chance zu überleben, haben unsere Werte eine Chance zu überleben. Und das ist noch nicht in Stein gemeißelt", so Roth. Der Westen sei so geschlossen wie nie, eine Spaltung nutze nur Putin. "Wir dürfen keine Angst haben", mahnte er.
Das ist der Moment des Abends bei "Maybrit Illner" mit Theo Koll
Mit dieser Frage hat Moderator Theo Koll etwas losgetreten: "Gibt es für Ihr Land so etwas wie eine Grenze an zivilen Opfern, die sie bereit sind, in Kauf zu nehmen?", will er von Botschafter Melnyk wissen. Der entgegnet scharf: "Diese Frage ist so zynisch, dass ich keine Antwort darauf geben werde!" Man fordere von der Ukraine, sie solle sich so schnell wie möglich ergeben, weil die zivilen Opfer so hoch seien.
"Herr Putin und Russland sind dafür verantwortlich und nicht wir!", erinnert der Botschafter und schob hinterher: "Diesen Gefallen werden wir weder unseren deutschen noch unseren amerikanischen Freunden tun – uns zu ergeben, damit sie dieses schrecklichen Bilder nicht mehr ertragen müssen." Die Ukraine werde solange kämpfen, bis die Bodenoffensive von Putin zum Ersticken komme.
Das ist das Rede-Duell des Abends
Nach der Beitrittsperspektive der Ukraine in die EU gefragt, sagt Verteidigungsexpertin Strack-Zimmermann: "Die Entscheidung, dass die Urkaine in die EU aufgenommen wird, sollte nicht von dem Krieg oder der jetzigen Situation abhängig gemacht werden." Es gäbe einen Prozess, an dem man festhalten müsse. Botschafter Melnyk sieht das anders: "Es war für uns schon eine gewisse Enttäuschung, dass die Entscheidung so aussieht, wie Sie sie gerade formuliert haben", gibt er zu. Deutschland hätte auf die Bremse getreten.
Hierzulande werde es so interpretiert, dass die Ukraine für demokratische Werte kämpfe und dies die größte Bedrohung für Putin sei. "Und gleichzeitig wird uns dieser Weg versperrt. Diese politische Entscheidung würde nichts kosten", so der Botschafter. SPD-Politiker Roth erinnerte ihn dennoch: "Bislang gab es für die Ukraine überhaupt gar keine Perspektive!" Jetzt habe man die Tür aufgestoßen: "Aus Nachbarn sollen Mitbewohner des Hauses der Europäischen Union werden", so Roth.
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So hat sich Theo Koll geschlagen
Man merkt schnell, dass es normalerweise nicht Theo Koll ist, der wöchentlich die Gäste in seiner Talkshow empfängt: Er stockt ein paar Mal, er liest mehr von seinen Notizen ab, als die Zuschauer das von Moderatorin Maybrit Illner gewohnt sind. Abseits davon: Koll stellt viele Fragen, auch viele wichtige – ob der Westen zu stark in den Krieg einbezogen werden könnte, wie weit Deutschland gehen werde, wie groß die Sorge vor einem Atomwaffeneinsatz sei.
Statt eine Frage nach der nächsten abzuarbeiten, hätte er aber lieber den Fokus auf Debatte und Diskussion legen sollen. Die kommt nämlich kaum zustande. Und seine tatsächlich zynisch formulierte Frage an den Botschafter über das Limit an zivilen Opfern, bekommt Koll dann auch mit dem Nachschub "Das war nicht meine Frage, meine Frage war: Wie belastbar ist ein Volk?" nicht mehr eingefangen.
Das ist das Ergebnis bei "Koll"
Debatte und Diskussion kommt am Donnerstagabend kaum zustande. Deutlich wird aber: Die Ukraine erwartet mehr von Deutschland – aus Sicht des ukrainischen Botschafters tritt Deutschland an vielen Stellen auf die Bremse. Gleichzeitig sieht die Politik ihre Handlungsmöglichkeiten begrenzt, vor allem durch energiepolitische Abhängigkeit und Angst vor atomarer Eskalation.
In seiner Rede hatte Selenskyi von einer Mauer zwischen Freiheit und Unfreiheit gesprochen und Bundeskanzler Scholz aufgefordert: "Zerstören Sie diese Mauer, geben Sie Deutschland die Führungsrolle, die Deutschland verdient". Ob Scholz noch zu mehr bereit ist, wird sich in den nächsten Tagen zeigen.
Verwendete Quellen:
- ZDF: Sendung "Maybrit Illner" vom 17.03.2022
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