Sandra Maischberger lieferte sich in der Mittwochsausgabe ihrer Sendung ein intensives Rededuell mit Bundesfinanzminister Christian Lindner. Dem FDP-Chef unterstellte eine Journalistin in einer anderen Frage rückständig zu sein. Und Grünen-Veteran Daniel Cohn-Bendit ätzte gegen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

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Das war das Thema

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Sparen oder Schulden machen? Die Ampel-Koalition streitet um den Haushalt 2025. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat sich bei seinen Kabinettskollegen nicht nur Freunde gemacht, weil er einige zur Haushaltsdisziplin ermahnt hat.

Bei Sandra Maischberger äußerte er sich zum neuen Bundesetat und der Zukunft der Koalition. Zudem diskutierte Maischberger mit ihren Gästen über Europa. Am Wochenende stehen die Wahlen zum EU-Parlament an. Zur Sprache kam auch der tragische Messerangriff in Mannheim, bei dem ein aus Afghanistan zugewanderter Mann einen Polizisten tötete.

Das waren die Gäste

  • Christian Lindner: Der Bundesfinanzminister wollte die Größe des derzeitigen Haushaltslochs nicht verraten. Es sei ein "zweistelliger Milliardenbetrag". Lindners Schlussfolgerung: "Es gibt Ausgabeobergrenzen für die einzelnen Häuser und der Haushalt muss insgesamt zukunftsweisend sein." Das bedeutet: Er will mehr tun für Sicherheit und Bildung sowie Investitionen auf Rekordniveau bereitstellen für digitale Netze und Verkehrsinfrastruktur. Lindners Plan, um mehr Geld einzunehmen? Nicht neue Schulden machen, sondern ein stärkeres Wirtschaftswachstum. Dies sei auch mit Maßnahmen zu erreichen, die kein Geld kosten: Bürokratieabbau und mehr Menschen in Arbeit bekommen statt ihnen Bürgergeld überweisen. Sparen will der FDP-Chef natürlich auch: Projekte wie den von der BRD finanzierten Radweg in Lima/Peru nannte er als Symbol für die in seinen Augen zu hohen Ausgaben in der Entwicklungshilfe. Deutschland könne nicht weltweit Erster sein bei Entwicklungshilfeausgaben und zugleich stärkster Unterstützer der Ukraine abseits der USA.
  • Daniel Cohn-Bendit: Der ehemalige Europa-Abgeordnete der Grünen warnte vor einem künftigen Bündnis der konservativen Kräfte mit den Rechtspopulisten im EU-Parlament. "Europa kann sterben, Europa kann zugrunde gehen, wenn wir uns machtpolitisch nicht anders organisieren." Von Bundeskanzler Olaf Scholz wünscht er sich mehr Führungsstärke. "Ich wusste nicht, dass jemand, der nie was sagt, die stärkste Stimme Europas ist. Das ist wirklich was Neues!" Kritik des EU-Abgeordneten Nico Semsrott (ehemals "Die Partei") am Missbrauch der Bürofinanzierung durch Parlamentarier nannte Cohn-Bendit in der jetzigen Situation in der Welt "beschämend".
  • Markus Preiß: Auch der Leiter des ARD-Hauptstadtstudios fragt sich, ob die Mitte im EU-Parlament nach den Wahlen am Sonntag die Mehrheit in der Mitte suchen will. "Wollen die Konservativen lieber mit den Grünen Kompromisse suchen als mit den Rechtspopulisten?" Preiß ist sich da nicht so sicher. Viele Länder in Europa würden sich mehr Orientierung aus Deutschland wünschen, auch die Zusammenarbeit mit Frankreich könnte besser sein. "Die Züge in Europa stehen nicht ewig im Bahnhof", warnte Preiß.
Maischberger
Markus Preiß und Daniel Cohn-Bendit bei "Maischberger". © WDR/Oliver Ziebe
  • Hubertus Meyer-Burckhardt: Der Moderator und TV-Produzent versuchte sich an einer Erklärung für das tödliche Messer-Attentat eines mutmaßlichen Islamisten auf einen Polizisten in Mannheim. Die Gesellschaft vermittele Zuwanderern nicht mehr "Die nehmen ihre liberalen Werte ernst und verteidigen sie. Das kommt mir zu kurz." Positiv bewertete Meyer-Burckhardt den als zögerlich wahrgenommenen Kurs des Bundeskanzlers bei Waffenlieferungen für die Ukraine. Dadurch nehme er vielleicht Leute mit, vermutete der Moderator, die sonst AfD wählen würden.
  • Julia Löhr: Die F.A.Z.-Wirtschaftskorrespondentin hatte eine klare Botschaft an Zuwanderer: "Wer zu uns kommt, muss sich an die freiheitliche Grundordnung halten." In ihren Augen lässt Deutschland zu viele Menschen ins Land - oder zumindest zu viele unqualifizierte - und nicht die dringend benötigten Fachkräfte, die allerdings aus vielerlei Gründen kaum kommen wollen. Löhr kritisierte den großen Anteil an Sozialausgaben im Bundeshaushalt. "Wir haben in diesem Jahr 26 Milliarden Ausgaben an Bürgergeld bei 1,7 Millionen offenen Stellen. Das ist irre."
  • Ulrike Herrmann: Die Wirtschaftskorrespondentin der TAZ nannte Lindners Polemik gegen die deutsche Finanzierung eines Radweges in Peru "rückständig" und Teil eines rechten Kulturkampfes gegen das Fahrrad. Sie betonte: "Wir haben eine Klimakrise". Den zuwanderungskritischen Tönen in der Runde entgegnete sie: "Wenn man eine hohe Rente haben will, braucht man Zuwanderung. Das ist meine Botschaft." Abschiebungen nach Afghanistan – wie nach der Tötung des Polizisten in Mannheim gefordert – erteilte Herrmann eine klare Absage.
Gäste bei Maischberger
v.l.n.r.: Ulrike Herrmann, Julia Löhr, Hubertus Meyer-Burckhardt und Sandra Maischberger. © WDR/Oliver Ziebe

Das war der Moment des Abends

Hat sich Marine Le Pen nach den verharmlosenden SS-Aussagen des AfD-Europaspitzenkandidaten Maximilian Krah nur aus taktischen Gründen von der AfD distanziert? Oder war das aus voller Überzeugung?

"Marine Le Pen will in Frankreich regieren", sagte Daniel Cohn-Bendit. "Natürlich kann sie mit solchen Dummbeuteln wie der AfD nicht ein Bündnis eingehen. Ich bitte Sie." Dabei verwies er auf Verbrechen, die die Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg in Frankreich begangen hatte. Wie das Massaker in Oradour-sur-Glane mit mehr als 600 Toten.

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Das war das Rededuell des Abends

Charlie Hebdo, Salman Rushdie: Diese Namen stehen für Attentate von Islamisten auf Institutionen oder Personen, die in deren Augen den Islam beleidigt haben. Hubertus Meyer-Burckhardt zählte diese Beispiele auf: "Ich weiß nicht, ob unsere Werte Menschen vermittelbar sind, die im muslimischen Kulturkreis aufgewachsen sind. Ich weiß es nicht." Ulrike Herrmann wollte das so nicht stehen lassen. "Sie tun ja so, als sei jeder Muslim Islamist. Und das finde ich dann doch ein bisschen extrem."

Meyer-Burckhardt verteidigte sich: "Nein, das definitiv nicht." Herrmann nahm noch einmal auf den Mannheim-Attentäter Bezug, der bis dahin polizeilich nicht in Erscheinung getreten war. "Man kann das vorher nicht wissen, sonst wäre es nicht passiert. Und das ist internationales Recht: Leute aus Bürgerkriegsgebieten, die haben hier Anrecht auf Schutz." Es sei wirklich tragisch, dass es gelegentlich zu solchen Taten komme. Aber sie hielte es für "unmenschlich" aufgrund dieser Einzelfälle keine Flüchtlinge mehr aufzunehmen.

So hat sich Sandra Maischberger geschlagen

Deutschland und das Mehrwertsteuer-Chaos. Das bringt sogar Sandra Maischberger, die normalerweise ihre eigene Meinung aus ihren Sendungen heraus hält, auf die Palme. "Es geht darum, dass man es nicht versteht", sagte sie zu Christian Lindner, der ihr kleines Steuerquiz nicht mitmachen wollte. "Das regt mich wirklich auf: Babynahrung 19 Prozent, Tiernahrung sieben Prozent – warum?" Der Minister entgegnete: "Ich habe mein Examen schon hinter mir. Wir müssen das nicht fortsetzen."

Er habe keine Kraft, in dieser Legislatur noch eine Mehrwertsteuerreform zu machen. Das will er sich für die zweite Amtsperiode aufheben. Ob es die gibt, ist – zumindest in der Ampel-Konstellation – allerdings sehr ungewiss.

Als Maischberger fragte, ob er die Koalition fortsetzen wolle, blieb Lindner vage. "Ich wollte nur sehen, ob Sie Schmerz oder Freude im Gesicht haben", entgegnete die Gastgeberin schlagfertig.

Das ist das Fazit

Das EU-Parlament als "Entsorgungsanstalt" für abgehalfterte Politik-Opas. Diese Zeiten sind für Daniel Cohn-Bendit, der diese Formulierung Mitte der 90er Jahre wählte, lange vorbei. Heute sind zahlreiche EU-Außenminister zuvor EU-Parlamentarier gewesen – das Standing des Hohen Hauses hat sich über die Jahrzehnte gebessert. Politikerinnen wie Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die Spitzenkandidatin der FDP, wollen dort ihre Karriere fortsetzen und nicht beenden.

Christian Lindner, der Sparfuchs der Nation, verliert damit eine der wenigen bekannten FDP-Frauen nach Straßburg, wo das EU-Parlament seinen Sitz hat. Zurück bleibt seine "Boygroup", wie F.A.Z-Journalistin Löhr spitzzüngig bemerkte.

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Auch mit ihnen wird Lindner an seinen Prinzipien festhalten – und da steht die Haushaltsdisziplin ganz oben. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will die Zeitenwende mit 6,5 Milliarden Euro mehr in seinem Etat unterfüttern, doch Lindner bremst. Zu einem möglichen Sondervermögen für die Bundeswehr wollte der Minister bei Sandra Maischberger nichts sagen. Die Verhandlungen werden intern geführt.

Nur eines machte Christian Lindner klar: "Die Schuldenbremse ist unsere Versicherung für die Generationengerechtigkeit." Die Haushaltsverhandlungen werden diese ohnehin gebeutelte Koalition noch intensiv beschäftigen. Streit auf offener Bühne um die Verteilung der Milliarden? Ist mal wieder nicht so unwahrscheinlich.

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