• Österreichs Bundeskanzler galt bislang vielen Mitgliedern von CDU und CSU als Vorbild. Politiker wie Tilman Kuban und Christoph Ploß haben Sebastian Kurz in den vergangenen Wochen ausdrücklich gelobt.
  • Jetzt erhebt die Justiz gegen Kurz massive Vorwürfe – und die Union möchte sich über den Freund aus Österreich nicht mehr äußern.
Eine Analyse

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Österreich erlebt gerade ein politisches Beben: Bundeskanzler Sebastian Kurz sieht sich schweren Korruptionsvorwürfen ausgesetzt und muss um sein Amt fürchten. Unangenehm ist das nicht nur für ihn, sondern auch für einige in Deutschland. Vor allem in der CDU und CSU galt der 35-Jährige vielen als Vorbild: Weil er jünger, moderner und gleichzeitig konservativer sei als die eigene Parteiführung.

Landes-Chef lobte "klaren Kurs"

Da wäre zum Beispiel Christoph Ploß. Der Landesvorsitzende der Hamburger CDU hatte noch am Sonntag im "Bericht aus Berlin" vorgeschlagen, seine Partei solle sich nach der Niederlage bei der Bundestagswahl an der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) von Kurz orientieren: "Es gibt auch gute Beispiele wie zum Beispiel in Österreich. Da ist die Partnerpartei wieder nach oben gekommen mit einem klaren Kurs."

Tilman Kuban, Bundesvorsitzender der Jungen Union, hatte vor einer Woche mit einer ähnlichen Äußerung für Aufsehen gesorgt. Tilman habe in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung einen "deutschen Sebastian Kurz" gefordert, lauteten die Überschriften.

Nach den Ereignissen in Österreich betonte Kuban am Mittwoch auf Twitter: Das habe er so nicht gesagt. Der Junge-Union-Chef hatte in dem Interview gefordert, die Union müsse "jüngere Köpfe sichtbarer machen": Wörtlich sagte er: "Man sieht doch in Österreich, dass Sebastian Kurz es auch als junger konservativer Politiker schafft, bei den Jüngeren auf Platz eins zu liegen."

Keine Zeit für Statement

Am Mittwoch hatten Fahnder im Wiener Kanzleramt, in der ÖVP-Zentrale, im Finanzministerium und in einem Medienhaus Datenträger, Server, Handys und Laptops gesichert. Sebastian Kurz und sein Team sollen ein österreichisches Medienhaus für geschönte Umfragen mit mehr als einer Million Euro aus Steuermitteln bezahlt haben. Sowohl Kurz als auch das Medienhaus bestreiten die Vorwürfe vehement.

Was sagen die deutschen Kurz-Sympathisanten zu diesen Entwicklungen? Christoph Ploß lässt sich auf Anfrage unserer Redaktion entschuldigen: Er habe am Donnerstag und Freitag wegen zahlreicher Termine keine Zeit für ein Statement.

Auch Tilman Kuban möchte zu dem Thema auf Anfrage nichts sagen. Von der Jungen Union heißt es, man äußere sich grundsätzlich nicht zur Innenpolitik anderer europäischer Staaten.

Junge Menschen angesprochen

Auf jeden Fall hatte der österreichische Kanzler in der Jungen Union bisher zahlreiche Fans. Inzwischen heißt es dort, dass die Faszination für Kurz sich weniger an dessen Person festmache. Sondern eher an Strategie und politischen Inhalten.

Kurz hat in seiner Partei alte Strukturen aufgebrochen. Der ÖVP verordnete er ein moderneres Bild und schaffte es, auch jüngere Wählerinnen und Wähler anzusprechen. 2017 und 2019 bescherte er der Partei klare Wahlsiege. Zur Zeit der großen Flüchtlingsbewegung 2015 hatte er sich zudem als Kritiker der deutschen Politik der offenen Grenzen profiliert.

Später zeigte er sich flexibel, wenn es um die Bildung von Regierungskoalitionen ging: Erst koalierte er mit der rechtspopulistischen FPÖ, ab 2019 dann mit den Grünen. Dass es ausgerechnet Kurz gelang, die Grünen ins Boot zu holen, verschaffte ihm in Deutschland auch bei jenen Unionspolitikern Respekt, die auch hierzulande von Schwarz-Grün träumten.

"Welt"-Journalistin wurde es "warm ums Herz"

In manchen deutschen Medienhäusern hat Kurz ebenfalls begeisterte Fans. "Warum haben wir nicht so einen?", fragte zum Beispiel die "Bild" 2017 anlässlich des ersten Wahlsiegs von Kurz. Im vergangenen April erhielt der junge Kanzler beim Ludwig-Erhard-Gipfel in München den "Freiheitspreis der Medien" überreicht. Da Kurz zu mehreren Medien in Österreich eher ein angespanntes Verhältnis pflegt, hatte dieser Preis in seiner Heimat durchaus für Überraschung gesorgt.

Besonders schwärmerisch äußerte sich noch im Sommer dieses Jahres Anna Schneider, Chefreporterin der "Welt": "Fangen Ihre Augen an zu funkeln, wenn Sie den Namen Sebastian Kurz hören? Damit sind Sie nicht allein", schrieb sie. Man könne sich des Eindruckes kaum erwehren, "dass es fast ganz Deutschland beim Gedanken an den österreichischen Kanzler ähnlich warm ums Herz wird".

Dabei hatte sich das Verhältnis zu diesem Zeitpunkt stellenweise schon ein bisschen abgekühlt. Ende 2020 weigerte sich die Kurz-Regierung strikt, nach dem Feuer im griechischen Lager Moria Geflüchtete aufzunehmen. Das stieß nicht nur bei Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) auf Kritik. "Werden Sie nicht zum Herzlos-Kanzler, Herr Kurz!", schrieb in der "Bild" der stellvertretende Chefredakteur und Kurz-Biograf Paul Ronzheimer.

Enges Verhältnis zu Markus Söder

Auch in der Corona-Krise ruckelte es bisweilen in den deutsch-österreichischen Beziehungen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) pflegt zwar ein enges Verhältnis zu Kurz. Dem Bayerischen Rundfunk zufolge kam es aber zu Konflikten, als Österreich trotz hoher Infektionszahlen früh auf Lockerungen setzte. Nicht jedes Telefonat mit seinem Freund Kurz sei ein "Honeymoon-Telefonat" – so beschrieb es Söder.

"Wie es bei engen Freunden und Partnern ist, gibt es immer mal ein kleines Auf und Ab, aber es gibt ein gutes Grundverständnis." Das sagte Markus Söder im Mai dieses Jahres, als Kurz in Bayern zu Besuch war. Nun wird sich zeigen, wie belastbar dieses Grundverhältnis ist. (Mit Material von dpa)

Quellen:

  • Twitter-Profil vom "Bericht aus Berlin"
  • Twitter-Profil von Tilman Kuban
  • Bild.de: Sebastian Kurz kann neuer Ösi-Kanzler werden – Warum haben wir nicht so einen?
  • Bild.de: Werden Sie nicht zum Herzlos-Kanzler, Herr Kurz!
  • BR.de: Jungstar Kurz – Ein leuchtendes oder abschreckendes Beispiel?
  • Welt.de: Warum die Deutschen Sebastian Kurz sexy finden


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