Der Wahlkampf der Grünen verläuft holprig, die Parteiführung wirkt nervös. Kanzlerkandidat Robert Habeck will mit einer Zukunftsagenda in die Offensive kommen. Viel Zeit bleibt ihm nicht.

Eine Analyse
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Die Grünen haben einiges versucht im Wahlkampf. Sie haben das Thema Bezahlbarkeit ins Schaufenster gestellt und versprochen, das Leben günstiger zu machen. Kanzlerkandidat Robert Habeck hat einen Zehn-Punkte-Plan für mehr Sicherheit vorgestellt. So richtig gezündet hat das nicht.

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Zwar verzeichnet die Partei immer noch steigende Mitgliederzahlen, doch die Umfragewerte verharren seit Wochen etwa auf dem Niveau der Bundestagswahl 2021. Ob die Grünen nach der Wahl am 23. Februar wieder mitregieren, ist fraglich. In CDU und CSU ist das Interesse an einer schwarz-grünen Koalition jedenfalls gering.

Habecks Programm für das erste Regierungsjahr

Elf Tage vor der Bundestagswahl sieht offenbar auch Habeck Handlungsbedarf. Am Mittwoch hat seine Partei zur Vorstellung einer "Zukunftsagenda" geladen. Es soll Habecks Programm für das erste Regierungsjahr sein. Wirklich Neues steht nicht darin – aber der Kanzlerkandidat und Noch-Wirtschaftsminister will neue Themen in die öffentliche Diskussion bringen. Dabei sind einerseits grüne Klassiker wie sozial verträglicher Klimaschutz, andererseits auch Themen, die die Partei bisher nicht nach vorne gestellt hat. Etwa der Bürokratieabbau.

"Auf einmal fällt uns allen auf, dass wichtige Zukunftsthemen bisher kaum diskutiert wurden", sagt Habeck am Mittwoch bei der Vorstellung seiner Agenda in Berlin. So hat er es zumindest wahrgenommen. "Die Frage der Schuldzuweisungen der Vergangenheit sollte jetzt überführt werden in die Frage: Wer hat eigentlich Rezepte für die Zukunft?"

Es läuft bisher nicht rund für die Grünen

Der Bundestagswahlkampf läuft für die Grünen bisher holprig. Zuerst sorgte ihre Forderung für Kritik, Sozialversicherungsbeiträge auf Kapitalerträge zu erheben. Dann stellte sich heraus, dass mindestens ein Belästigungsvorwurf gegen den Bundestagskandidaten Stefan Gelbhaar von einer Parteifreundin erfunden worden war.

Auch das heiß diskutierte Thema Migration stellt die Partei vor Schwierigkeiten. Um der Stimmung in der Bevölkerung entgegenzukommen, spricht sich Habeck zwar für eine Begrenzung der irregulären Migration aus. Eine entsprechende Passage in seinem Zehn-Punkte-Plan zur inneren Sicherheit wurde aber auf Betreiben des linken Flügels gestrichen. So stellt es zumindest die "Bild"-Zeitung dar. Auf jeden Fall hat der Plan für Diskussionen innerhalb der Grünen gesorgt. Die Vorsitzende Franziska Brantner pries ihn zuerst auf Instagram an – und löschte ihre Posts dann wieder, als Widerspruch kam. Die Parteiführung wirkt nervös.

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Habeck muss in die Offensive kommen, wenn er für die Grünen noch ein achtbares Ergebnis einfahren will. Von der Konkurrenz will er sich mit der Botschaft absetzen, als einziger Kanzlerkandidat wirklich in die Zukunft zu denken. Friedrich Merz sei ein Mann der Vergangenheit, Olaf Scholz ein Mann der Gegenwart – nur Habeck stehe für die Zukunft. Diese Erzählung versuchen die Grünen unter die Leute zu bringen.

Das steht in Habecks Zukunftsagenda

Die "Zukunftsagenda" der Grünen enthält Punkte aus dem Wahlprogramm zur Bundestagswahl, die die Partei zum Teil noch konkretisiert hat. Unter anderem gehört dazu:

  • Alle Bundesministerien sollen Entbürokratisierungspakete erarbeiten. Über vier Jahre soll die Bürokratie um ein Viertel zurückgefahren werden.
  • Ein Investitionspaket soll insgesamt 50 Milliarden Euro für die Förderung der Künstlichen Intelligenz zur Verfügung stellen, sowohl aus staatlichen wie aus privaten Mitteln.
  • 10 Milliarden Euro pro Jahr sollen in die Sanierung von Schulen fließen.
  • Um das alles zu finanzieren, soll die Schuldenbremse reformiert werden. Wenn das nicht möglich ist, hält Habeck auch zusätzliche Schulden in Form von Sondervermögen möglich. Die Kredite sollen in einen Deutschlandfonds fließen.
  • Das Rentenniveau soll bei mindestens 48 Prozent stabilisiert werden.
  • Familien versprechen die Grünen eine finanzielle Entlastung von durchschnittlich 1000 Euro pro Jahr, unter anderem durch niedrigere Stromkosten und höheres Elterngeld.

Habeck: "Ich bin der Underdog"

In Sachen Flucht und Zuwanderung spricht Habeck in seiner Zukunftsagenda davon, die Migration "weiter zu ordnen". Von einer Begrenzung ist also nicht die Rede. Er sagt aber: "Wenn man Migration steuert, dann dämmt man sie ein oder begrenzt sie." Alles andere sei Wortklauberei.

Wer viele Menschen von sich überzeugen will, der muss es vielen Menschen gleichzeitig rechtmachen. Vor dieser Herausforderung stehen die Grünen, seit sie mehr sein wollen als eine Zehn-Prozent-Partei.

Habeck räumt am Mittwoch ein: Er sei der "Underdog" im Rennen um das Kanzleramt. Er hofft noch auf eine neue Dynamik der verbleibenden Tage. Allerdings hat er das selbst nicht in der Hand. Andere Parteien wie die CDU/CSU haben jedenfalls wenig Interesse daran, im Wahlkampf einen Themenschwenk zu machen. Sie wollen vor allem über die wirtschaftliche Lage und die Migration reden: Themen, bei denen die Grünen in der Defensive sind.

Bleibt noch ein letzter Höhepunkt des Wahlkampfs: Am Sonntagabend treffen bei RTL und NTV die Kanzlerkandidaten aufeinander – im Gegensatz zum Duell am vergangenen Sonntag in ARD und ZDF sind dort neben Olaf Scholz und Friedrich Merz auch Habeck und Alice Weidel (AfD) eingeladen. Er hoffe, dass dann auch Themen wie Bildung, Innovationen und Klimaschutz zur Sprache kommen, sagt Habeck am Mittwoch. Die Zukunft ist die letzte Hoffnung der Grünen.

Verwendete Quellen

  • Pressekonferenz zur Zukunftsagenda von Bündnis 90/Die Grünen
  • bild.de: Jetzt zensieren die Grünen schon Habeck!
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