Für knapp zwei Drittel der Wähler steht bereits fest, wem sie bei der Bundestagswahl ihre Stimme geben. Um die verbleibenden Unentschiedenen kämpfen die Parteien. Doch für die meisten von ihnen verlaufen die Kampagnen bisher holprig bis schlecht. Ein Überblick.

Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von F. Busch, L. Czypull, F. Hartmann und R. Sawicki sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Plakate, Haustürbesuche, Kundgebungen und sehr, sehr viele Posts in den sozialen Medien: Die Parteien befinden sich in der heißen Wahlkampfphase und damit mitten in einer Materialschlacht. Für die Bundestagswahl 2021 gaben der Bundeszentrale für politische Bildung zufolge alleine SPD und CDU 24 Millionen beziehungsweise 20 Millionen Euro aus. In diesem Jahr dürften die Beträge ähnlich hoch sein.

Bundestagswahl

Lohnt sich das alles? Möglicherweise nur bedingt. Die meisten Menschen, die an der Bundestagswahl 2025 teilnehmen wollen, haben ihre Entscheidung nämlich schon getroffen. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage hervor, die das Meinungsforschungsinstitut Civey im Auftrag unserer Redaktion vom 27. bis 29. Januar durchgeführt hat.

Viele potenzielle Wähler von FDP und BSW schwanken noch

"Steht Ihre Wahlentscheidung fest oder wird sie durch den aktuellen Bundestagswahlkampf beeinflusst?", hat Civey gefragt und die Antworten von 5.027 Bürgerinnen und Bürgern ausgewertet. Das Ergebnis: 64 Prozent der Befragten haben sich bereits eindeutig entschieden, für weitere 23 Prozent steht die Entscheidung "eher" fest.

Vor allem unter den Wählerinnen und Wählern der AfD sind sich viele bereits sicher: Für 79 Prozent von ihnen steht die Entscheidung für die Partei fest. Bei den Anhängern der CDU/CSU beträgt der Anteil der Festentschlossenen 67 Prozent und bei SPD und Grünen jeweils 60 Prozent.

Bangen müssen dagegen vor allem die FDP und das BSW: Von ihren potenziellen Wählern ist sich jeweils rund die Hälfte nicht sicher, ob das Kreuz am Ende wirklich bei der Partei landet.

Auf viele Menschen dürfte die Materialschlacht des Wahlkampfs also kaum Eindruck machen. Aber wie das bei Wahlen so ist: Am Ende kommt es auf jede Stimme an. Deswegen wird um die noch Unentschlossenen verbissen gekämpft. Doch ein Wahlkampf bietet nicht nur Chancen. Auch Fehler passieren. Und rund drei Wochen vor der Wahl lässt sich feststellen: Für die meisten der im Bundestag vertretenen Parteien läuft es bisher nicht gerade rund.

SPD: Hoffnung auf ein Wahlkampfwunder

"Mehr für dich. Besser für Deutschland." Das ist der Slogan, mit dem die SPD und allen voran Bundeskanzler Olaf Scholz die Menschen für sich gewinnen möchte. Gleichzeitig setzen die Sozialdemkraten auf eine klare Zuspitzung: Scholz oder Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz? Aus Sicht der SPD ist das eine Wahl zwischen Zukunft (Scholz) und Vergangenheit (Merz).

Die Umfragewerte allerdings stagnieren zwischen 15 Prozent und 19 Prozent. Zwar hoffen die Genossen, das Wunder vom Wahlsieg 2021 wiederholen zu können – bislang aber bleibt die große Aufholjagd auf die Union und sogar die AfD aus.

Mit der aktuellen Debatte nach der Bluttat von Aschaffenburg haben die Sozialdemokraten ihre Chance erkannt, einmal mehr lautstark vor Merz zu warnen. Der CDU-Chef hat kurz vor der Wahl einen Migrationsantrag in den Bundestag eingebracht – und sich die Mehrheit mit Stimmen der AfD gesichert. Die Hoffnung der SPD: Dass sich genügend Menschen durch den Balanceakt der Union abgeschreckt fühlen. Und sich stattdessen für Scholz entscheiden. Eine Garantie, dass das für ein Wahlkampfwunder 2.0 reicht, ist das aber nicht.

CDU: Aschaffenburg hat den Wahlkampf verändert

Der Lacher von Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet im Ahrtal hat ihn 2021 die Wahl gekostet. Verstolpert die CDU jetzt wieder den Wahlkampf auf den letzten Metern? Zumindest schmilzt der Vorsprung in den Umfragen auf die AfD.

Dabei fing aus Unions-Sicht alles so gut an, Kanzlerkandidat Friedrich Merz ist entschlossen in den Wahlkampf gestartet. Eine Zusammenarbeit mit der AfD schloss er mit Blick auf die mögliche Koalition in Österreich zwischen Konservativen und Rechtsextremen konsequent aus. Auch nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg gab sich Merz besonnen. Doch nach der Bluttat von Aschaffenburg kippte diese Besonnenheit von einem Tag auf den anderen: Merz stellte einen Fünf-Punkte-Plan vor. Er will unter anderem ein generelles Einreiseverbot verhängen – auch für mögliche Flüchtlinge.

Kompromisse wolle er dabei nicht eingehen. Es sei ihm auch egal, wer bei einem entsprechenden Antrag mitstimmt, sagte er später. Damit hat Merz den Wahlkampf endgültig auf das Thema Migration gelenkt, was er eigentlich nicht wollte. Er geht damit ein hohes Risiko ein. Vor wenigen Tagen wirkte Friedrich Merz trotz derzeit nur passablen Umfrageergebnissen von um die 30 Prozent für die Union noch wie der fast sichere nächste Kanzler. Ob das so bleibt? Der Wahlkampf nach Aschaffenburg ist nun auf jeden Fall ein anderer.

Grüne: Eigene Fehler belasten Kampagne

Den Grünen war der Start in den Wahlkampf noch geglückt: Mit 96,5 Prozent Zustimmung schickte ein Parteitag Robert Habeck als Kanzlerkandidaten ins Rennen. In einer aufgeriebenen Gesellschaft wollte er sich als Versöhner am Küchentisch präsentieren. Eine Welle neuer Mitglieder schloss sich der Partei an, zu den Wahlkampfveranstaltungen kamen in vielen Städten deutlich mehr Menschen als erwartet.

Doch wie schon 2021 könnten die Grünen ihre Kampagne mit eigenen Fehlern vergeigen. Mitte Januar schlug Habeck in einem Interview vor, Sozialversicherungsbeiträge auf Kapitaleinkünfte zu erheben. Neu war diese umstrittene Forderung nicht, sie steht auch im Wahlprogramm der Grünen. Der Befürchtung, es gehe ans Geld der Kleinanleger, hatte die Partei aber wenig entgegenzusetzen. Auch, weil sie Fragen zu den Details nicht beantworten konnte.

Obendrauf kommt die Causa Stefan Gelbhaar: In Berlin wurde der Direktkandidat erst von seinen Parteifreunden wegen Missbrauchsvorwürfen abgewählt – dann stellte sich heraus, dass mindestens einer dieser Vorwürfe erfunden war. Die Partei ist zum Teil mit sich selbst beschäftigt statt mit einem schlagkräftigen Wahlkampf, der für sie ohnehin schwierig ist: Grüne Kernthemen spielen nur eine untergeordnete Rolle. Stattdessen hat der tödliche Messerangriff von Aschaffenburg wieder die Migrationsdebatte befeuert – und da sind die Grünen traditionell in der Defensive.

FDP: Christian Lindner soll's richten

Für viele im politischen Berlin steht fest: Die FDP hat auf den Bruch der Ampelkoalition hingearbeitet. Doch das Aus hat ihr nicht genutzt. Die Liberalen scheinen in den Umfragen bei vier Prozent eingemauert. Die Partei muss damit ernsthaft um den Wiedereinzug in den Bundestag bangen – und Christian Lindner um seine Zukunft als Vorsitzender. Zur Erinnerung: 2021 holten die Liberalen noch 11,4 Prozent.

Die FDP setzt vor allem auf ihre Kernwählerschaft. Der Wahlkampf: voll auf Schwarz-Gelb ausgerichtet. Dabei müssen sich die Liberalen – etwa in der Steuerpolitik – den Vorwurf gefallen lassen, vor allem Besserverdiener anzusprechen. Auch etwas Provokation darf nicht fehlen: Mit seiner Empfehlung, Deutschland solle "mehr Milei oder Musk wagen", handelte sich Lindner viel Kritik ein. Ein Schielen auf die Libertären? Damit will Lindner eigentlich nicht in Verbindung gebracht werden. Darüber hinaus hat die FDP bisher aber kaum eigene Akzente im Wahlkampf gesetzt.

Auch wenn der Parteichef zum Wahlkampf-Start vor Journalistinnen und Journalisten versicherte, dass er nicht alleine im Zentrum der Kampagne stehe, blickt er doch von den meisten Wahlplakaten auf die Bürgerinnen und Bürger des Landes. Christian Lindner ist nach wie vor der Hoffnungsträger Nummer 1 der Partei.

AfD: Radikal erfolgreich

Die AfD könnte als großer Gewinner aus der Bundestagswahl hervorgehen. Seit Monaten liegt die Partei konstant bei rund 20 Prozent. Und mit Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel stellt sie erstmals eine Kanzlerkandidatin. Zwar liegen ihre Chancen aufs Kanzleramt bei null, weil niemand mit Weidel regieren will, aber die Kandidatur ist vor allem symbolisch zu verstehen: Die AfD will mehr. Sie will an die Macht. Und wenn es diesmal nicht klappt, soll es spätestens 2029 soweit sein. Dann nämlich ist die "Brandmauer" eingerissen – so die Hoffnung der AfD-Strategen.

Noch steht sie aber. Und so verwundert es nicht, dass sich AfD-Chefin Weidel beim Parteitag in Riesa vor allem an der Union und deren Kanzlerkandidat Friedrich Merz abgearbeitet hat. Ihre Wortwahl: hart, der Auftritt: aggressiv. Weidel schreckt auch nicht mehr vor umstrittenen Begriffen wie "Remigration" zurück. Dabei galt sie einst als vermeintlich bürgerlich-konservatives Gesicht der AfD.

Mit dem Thema Migration hat der Wahlkampf ein bestimmendes Thema gefunden. Davon profitiert bislang am meisten die AfD. Und mit Tesla-Chef und Trump-Berater Elon Musk hat die Partei zudem einen prominenten Unterstützer gefunden. Es läuft also gut für die AfD. Sie ist radikal erfolgreich.

Die Linke: Kämpfen bis zum Schluss

Bei den Linken geht es um alles, das ist unschwer zu erkennen. Die Genossen kämpfen um den Wiedereinzug in den Bundestag. An 150.000 Haustüren hätten die Mitglieder geklopft, sagte Parteichefin Ines Schwerdtner auf dem Parteitag Mitte Januar. Das Ziel: die Nöte der Menschen in das Wahlprogramm aufnehmen. Und dabei belassen es die Linken nicht.

Die Genossen versuchen auch, den Menschen im Alltag zu helfen: mit einer Heizkostenaktion und einer Mietpreis-App, die es Menschen erleichtern soll, gegen Mietwucher vorzugehen. Der Kampf ums politische Überleben zeigt in den Umfragewerten allerdings kaum Wirkung. Zwischen drei Prozent und fünf Prozent rangieren die Linken. Ein Hoffnungsschimmer für die Partei und ihre Anhänger bleibt die Direktmandatsklausel: Die drei selbsternannten Silberlocken Gregor Gysi, Bodo Ramelow und Dietmar Bartsch sollen der Partei den Wiedereinzug in den Bundestag retten.

BSW: Die Euphorie ist vorbei

Nach einem fulminanten Start ist dem BSW etwas die Puste ausgegangen. Einige Umfragen sehen das Polit-Start-Up von Sahra Wagenknecht bei unter fünf Prozent – und damit nicht im nächsten Bundestag. Rückblick in den Herbst: Das BSW zieht fulminant in die Ost-Landtage ein, liegt in bundesweiten Umfragen zweistellig. Dann kommt das Ampel-Aus. Und der Absturz der Wagenknecht-Truppe.

Inzwischen gibt es parteiintern Kritik an der Frontfrau. Von einem "Führerkult" spricht Mitgründer Torsten Teichert. In Thüringen kam es zum Showdown zwischen Wagenknecht und BSW-Landeschefin Katja Wolf. Die Pragmatikerin Wolf setzte sich durch und führte ihren Landesverband in eine Koalition mit CDU und SPD. Doch die grundsätzliche Frage bleibt: Will das BSW regieren oder ist es Protestpartei?

Erschwerend kommt hinzu: Der Ukraine-Krieg spielt in der öffentlichen Debatte aktuell keine große Rolle. Damit fehlt der Wagenknecht-Partei ein Thema, das zieht. Bis zur Bundestagswahl sind es noch knapp drei Wochen. Die Euphorie beim BSW ist vorbei.

Hinweise zur Methode

  • Das Meinungsforschungsinstitut Civey hat vom 27. bis 29. Januar 2025 online 5.027 Bundesbürgerinnen und Bundesbürger ab 18 Jahren befragt. Die Ergebnisse sind repräsentativ unter Berücksichtigung des statistischen Fehlers von 2,5 Prozentpunkten (Gesamtergebnis). Zusätzliche Informationen zur Methode finden Sie auf Civey.com und im Civey-Whitepaper.
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