Rund ein Jahr nach der Bundestagswahl liefert die Landtagswahl in Bayern einen aktuellen Stand der Politik in Deutschland. Während der Platzhirsch CSU eine historische Niederlage befürchten muss, steigen die Grünen in der Gunst der Wähler. Welche Signalwirkung hat die Wahl für die Bundesregierung?

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Umwälzungen im Jubiläumsjahr: Am 8. November wird der Freistaat Bayern 100 Jahre alt. Dreieinhalb Wochen zuvor, am 14. Oktober, finden die Landtagswahlen statt, die die politischen Verhältnisse in Bayern durcheinander wirbeln könnten. Denn die Umfragen deuten erstaunliche Entwicklungen an.

Der CSU, gewohnte Alleinherrscherin im Freistaaat, droht eine heftige Wahlschlappe. Nach aktuellen Befragungen wollen nur 35 Prozent der Wähler ihre Stimme den Christsozialen geben.

Es wäre der schlechteste Wert für die CSU seit den frühen 1950er Jahren. Noch im Frühjahr lag die Partei stabil bei mehr als 40 Prozent.

Für Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing hat die CSU zwei Probleme: "Meines Erachtens verliert die CSU in zwei Richtungen." Zum einen wandere ein Teil der Wählerschaft, der eine restriktive Flüchtlingspolitik befürwortet, zur AfD ab.

In ihren Augen erscheine die CSU nicht mehr glaubwürdig, da sie Zugeständnisse an die CDU machen musste. Zum anderen schrecke der verschärfte Kurs der CSU die liberaleren Wähler ab.

Markus Söder betont die Stabilität in Bayern

Hinzu kommt die Person des Ministerpräsidenten Markus Söder: "Söder ist Franke. Die CSU hat aber die meisten Wähler in Oberbayern. Das spielt auch noch eine Rolle", meint die Politik-Expertin.

Auch die Verunglimpfung Söders durch den Ex-Ministerpräsidenten Horst Seehofer wirke noch nach, glaubt Münch: "Das klebt ein bisschen an ihm."

Es gibt also mehrere Gründe für das Umfragetief der CSU. Doch ob das tatsächliche Ergebnis bei der Landtagswahl auch so ausfallen wird, da ist Münch skeptisch. 40 bis 50 Prozent der Wähler seien noch unentschlossen.

Genau die versuche Söder nun zu erreichen: "Er betont bei seinen Reden, dass Bayern Stabilität braucht. Und dass die gefährdet ist, wenn sieben Parteien in den Landtag einziehen."

Denn neben den bisherigen vier Parteien CSU, SPD, Grüne und Freie Wähler könnten die FDP wieder und die AfD und die Linke erstmals in den bayerischen Landtag einziehen.

Expertin: CSU wird auf die Bundesregierung verweisen

Sollte es dennoch zu einem schlechten Wahlergebnis kommen, werde die CSU wohl die Schuldigen vor allem bei der Bundesregierung suchen. Der Parteivorsitz von Innenminister Horst Seehofer ist dann gefährdet.

"Welche Wellen das schlägt, hängt auch davon ab, wie geschickt die CSU argumentiert", glaubt Münch. Ob ein Wahldesaster der CSU auch für Bundeskanzlerin Angela Merkel Folgen haben könnte, hängt nach Auffassung von Münch von der hessischen Landtagswahl zwei Wochen später ab.

Sollte die Union weitere Misserfolge in Wahlen erleiden, würde die Kanzlerin noch mehr unter Druck geraten.

Schon bei der Wahl von Ralph Brinkhaus zum Fraktionsvorsitzenden der Union im Bundestag statt des von Merkel unterstützten Kandidaten Volker Kauder, musste die Kanzlerin eine Niederlage einräumen.

Auch der Koalitionspartner SPD muss einen heftigen Absturz befürchten, obwohl der bayerische Landesverband Niederlagen gewohnt ist. Doch die derzeit prognostizierten 12 Prozent wären das schlechteste Ergebnis in Bayern überhaupt.

Die Grünen sind im Umfrage-Hoch

Des einen Tief ist des anderen Hoch: Die Grünen stehen bei 18 Prozent und wären damit zweitstärkste Partei. Das wäre das mit Abstand beste Ergebnis in Bayern. Der heiße und trockene Sommer, der die Klimadebatte wieder entfachte, könnte dabei eine Rolle spielen.

Die Sorge um den Klimawandel ist für Münch aber nicht alleinentscheidend für deren Hochphase: "Die Grünen sind nicht mehr so verbohrt, sondern haben sich geöffnet, auch für andere Themen."

Als Beispiel nennt sie das Thema innere Sicherheit, mit dem sich die Grünen nun auch beschäftigen. So wendeten sie sich zwar gegen das bayerische Polizeiaufgabengesetz, würden sich inzwischen aber auch für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen der bayerischen Polizei einsetzen.

Auch mit dem Thema Heimat setzten sie sich auseinander, womit sie im ländlichen Raum punkten könnten.

Ein solches Ergebnis würde natürlich auch den grünen Bundesverband beflügeln. Schon bei den "Jamaika"-Koalitionsgesprächen zwischen Union, Grüne und FDP im vergangenen Jahr, zeigten sich die Grünen engagiert.

Ob es auch in Bayern zu Koalitionsgesprächen zwischen CSU und Grünen kommt?

Eine Koalition von CSU und Grünen hält Münch für unwahrscheinlich. "Ich glaube, dass die Hürden für beide Seiten zu groß sind. Gerade in der Migrationspolitik können weder CSU noch Grüne Zugeständnisse machen, um ihre Wähler nicht zu verärgern."

Am wahrscheinlichsten sei eine Koalition mit den Freien Wählern. Dass die CSU mit der AfD koalieren könnte, die derzeit bei 10 Prozent liegt, schließt sie kategorisch aus.

"AfD ist eine Provokation für die CSU"

Im Aufstieg der AfD drücke sich der Frust über die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung in Regionen wie Niederbayern aus, führt die Akademie-Direktorin aus. Wahlkampfplakate mit Sprüchen wie "Die AfD hält, was die CSU verspricht" seien eine Provokation für die CSU.

Als die NPD 1966 überraschend mit 7,4 Prozent ins bayerische Parlament einzog, schaffte es Franz-Josef Strauß, die Wähler wieder zurück in die CSU zu holen.

Ähnliches gelang der CSU zuvor bei der Bayern-Partei, die 1950 noch 17,9 Prozent der Stimmen holte und es 12 Jahre später nicht mehr in den Landtag schaffte, woran sich bis heute nichts mehr geändert hat. Die heutige CSU hatte bisher damit noch keinen Erfolg.

Ursula Münch ist Direktorin der Akademie für Politische Bildung Tutzing. Zudem ist sie seit 1999 Professorin für Politikwissenschaft an der Universität der Bundeswehr München. Davor war sie Wissenschaftlerin am Geschwister-Scholl-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München.

Unser Portal führt mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey eine Umfrage zur Landtagswahl in Bayern durch. Nehmen Sie gerne teil:

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

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