Dietmar Woidke oder die AfD: Bei der Brandenburg-Wahl läuft es auf einen Showdown zwischen dem Ministerpräsident von der SPD und der Rechtsaußen-Partei hinaus. Auch für den Kanzler ist der 22. September entscheidend: Bei einer Niederlage in Potsdam wird es für Olaf Scholz ungemütlich.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Fabian Hartmann sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Der Amtsinhaber versucht es mit Humor. "Wenn Glatze, dann Woidke", heißt es auf einem Motiv, das die Brandenburger SPD für die heiße Phase des Wahlkampfs entwickelt hat. Zu sehen ist darauf nur der kahlköpfige Ministerpräsident, der Mann, auf dem alle Hoffnungen der SPD ruhen. Dietmar Woidkes Popularität soll die Genossen bei der Landtagswahl am 22. September zum Sieg führen.

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Daher setzen die Parteistrategen in Potsdam auf maximale Zuspitzung: Woidke oder die AfD. In den letzten beiden Umfragen kommt die Rechtsaußen-Partei auf 29 und 27 Prozent, sie liegt damit nur noch knapp in Führung, jeweils ein bis drei Prozentpunkte vor der SPD. Allerdings hat Amtsinhaber Woidke klargemacht: Er will nur dann weitermachen, wenn er die Wahl auch gewinnt – auf Platz 1, vor der AfD.

Woidke setzt auf eines: sich selbst

"Es ist doch so: Ein Bürgermeister muss gewählt werden, ein Landrat – und ein Ministerpräsident auch. Manchmal ist Demokratie ganz einfach", sagte Woidke kürzlich im Interview dieser Redaktion. Also tourt der Ministerpräsident durchs Land, besucht Wahlkampfveranstaltungen, schüttelt Hände. Sein Vorteil: Woidke ist bodenständig, nahbar und mit 1,96 Metern Körpergröße fällt er sowieso auf.

In Brandenburg gibt es allerdings Stimmen, die meinen, dass Woidke möglicherweise amtsmüde ist und deshalb bereits eine Exit-Strategie formuliert. Er selbst verneint das. Doch so oder so: Der Amtsinhaber geht ein hohes politisches Risiko ein. Gewinnt er die Wahl, ist alles nochmal gutgegangen. Mund abwischen und weiter geht's. Landet die AfD aber auch in Brandenburg auf dem ersten Platz, dürfte es die SPD durchrütteln. Dann muss schnell ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin her – und möglicherweise ein neues Regierungsbündnis gezimmert werden.

Aktuell regiert in Potsdam eine Koalition aus SPD, CDU und Grünen. Die Öko-Partei schrammt in den Umfragen aber an der Fünf-Prozent-Marke. Ob sie nochmal in den Landtag einzieht, ist ungewiss. Potenzieller Partner wäre dann, neben der Union, das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). "Allerdings gleicht die neue Partei ein bisschen einer Wundertüte", sagt Werner Krause, Politikwissenschaftler an der Universität Potsdam.

Auch in Brandenburg könnte das BSW mitregieren

Das BSW ist nicht mal ein Jahr alt, manche Landesverbände bestehen nur aus einer Handvoll Personen, unklar ist, ob Parteigründerin Sahra Wagenknecht auch auf Länderebene mitspricht – und wie sich das BSW dann in Koalitionsverhandlungen verhält. Kurzum: Auch die Brandenburger Regierungsbildung könnte kompliziert werden.

Es ist ein Problem, vor dem die etablierten Kräfte im Osten stehen: Um ohne die AfD eine Regierung zu bilden, müssen sich Parteien zusammenschließen, die weltanschaulich, vorsichtig formuliert, nicht unbedingt auf einer Wellenlänge liegen. Auch in Brandenburg ist klar: Niemand will mit der AfD koalieren. "Der Landesverband wird vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft", sagt Politologe Krause. Die Partei versucht zwar, sich ein bürgerlich-konservatives Image zu geben. Aber: "Sie ist in Brandenburg ähnlich radikal wie in Thüringen oder Sachsen", so Krause.

In den Umfragen tut ihr das keinen Abbruch. Vieles davon dürfte auch mit dem Frust über die Ampel-Koalition in Berlin zusammenhängen. Olaf Scholz gilt in den Augen der Bevölkerung als schwacher Kanzler, seine Ampel ist unbeliebt wie kaum eine Regierung zuvor. Für wahlkämpfende SPD-Politiker ist das ein Problem. Die Brandenburger Genossen setzen sich daher dezidiert von der Bundespolitik ab.

Die Brandenburger SPD setzt sich von der Ampel ab

Dietmar Woidke will kein Berliner Spitzenpersonal in Brandenburg sehen, auf Auftritte mit dem Kanzler verzichtet er lieber. Landauf, landab macht der Ministerpräsident klar: Es geht am 22. September um Brandenburg und nicht um eine Abrechnung mit der Ampel. Ob er gehört wird?

Klar ist aber auch: Für die Bundes-SPD ist Brandenburg extrem wichtig, anders als Sachsen und Thüringen, wo die Landesverbände traditionell schwach sind und Niederlagen eingepreist waren. In Potsdam regiert die SPD seit 1990, Dietmar Woidke ist der dritte Ministerpräsident nach Manfred Stolpe und Matthias Platzeck. Im Osten ist Brandenburg eine der letzten roten Hochburgen.

Der GAU wäre es, wenn das Bundesland für die Genossen verlorenginge. Das würde ein Beben auslösen, das auch Berlin erfasst. In der SPD rumort es schon länger, ein Jahr vor der Bundestagswahl steht die Partei in Umfragen bei 15 Prozent. Bei einem solchen Wahlergebnis würde die Bundestagsfraktion auf die Hälfte zusammenschrumpfen. Eine Niederlage in Potsdam könnte der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Ob Olaf Scholz sich auch dann noch sicher sein kann, die SPD in die nächste Bundestagswahl zu führen? Oder ob jene Auftrieb bekommen, die schon länger mit dem Kanzler hadern? Ein Name fällt immer wieder als potenzieller Scholz-Ersatz: Boris Pistorius, der Verteidigungsminister. Klar ist jedenfalls, dass der Partei unangenehme Debatten bevorstünden.

Die CDU kämpft gegen die Bedeutungslosigkeit

Andererseits: Dass die SPD die Staatskanzlei verliert, ist eher unwahrscheinlich. Die CDU in Brandenburg ist blass, die letzten Umfragen sehen sie bei maximal 16 Prozent, im Niemandsland knapp vor dem BSW. Dass der Ministerpräsident die Wahl also zum Duell Woidke gegen die AfD hochjazzt, ist ein geschickter politischer Schachzug. Niemand spricht mehr über die Christdemokraten.

Die Frage ist nun: Holt Woidke den Rückstand noch auf und sichert sich eine weitere Amtszeit? Die SPD-Spitze übt sich jedenfalls in Zweckoptimismus. "Ich bin der festen Überzeugung, dass Dietmar Woidke die AfD besiegt und Ministerpräsident bleibt", sagte Parteichef Lars Klingbeil dieser Redaktion.

Eine Woche hat Woidke dafür noch Zeit, die Brandenburger von sich zu überzeugen. Er wird weiter durchs Land touren, seine Erfolge betonen, Hände schütteln. Und auf maximale Distanz zur Bundespartei gehen. Hat er damit Erfolg, dürfte ihm das in Berlin niemand übel nehmen.

Verwendete Quellen

SPD

Neue Umfrage zehn Tage vor der Wahl in Brandenburg: SPD holt auf

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