Zurück auf Anfang: Das Modell einer Übergangsregierung mit der CDU-Politikerin Christine Lieberknecht ist in Thüringen geplatzt. Linke, SPD und Grüne erhöhen nun den Druck auf die CDU und verlangen eine Neuwahl. Lieberknecht selbst rät ihrer Partei zum Tabubruch – und der Noch-CDU-Vorsitzende von Thüringen, Mike Mohring, pflichtet ihr bei.

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In Thüringen ist der Versuch gescheitert, eine rot-rot-grüne Übergangsregierung unter der früheren CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht zu bilden - nun wächst der Druck auf die Christdemokraten. Vertreter von Linke, SPD und Grünen bedauerten am Mittwoch Lieberknechts Rückzug und forderten die CDU auf, den Weg für eine schnelle Neuwahl freizumachen.

Die CDU sträubt sich jedoch dagegen. Lieberknecht begründete ihren Rückzug mit den diametralen Vorstellungen über den Zeitpunkt einer Neuwahl und riet der CDU zum Tabubruch - durch Kooperation mit der Linken.

"Wer keine Neuwahlen will, muss Bodo Ramelow zu einer Mehrheit im Landtag verhelfen", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt. Die CDU-Politikerin, die in Thüringen seit 1990 auch Ministerin, Landtagspräsidentin und Parteichefin war, forderte ihre Partei auf, eine "verlässliche parlamentarische Vereinbarung mit der Linken" zu schließen. Die Vereinbarung dürfe sich nicht nur auf die Wahl Ramelows zum Ministerpräsidenten beziehen, sondern müsse ein "dauerhaft verlässliches Regierungshandeln ermöglichen".

Mike Mohring pflichtet Christine Lieberknecht bei

Das sieht auch Thüringens Noch-CDU-Vorsitzender Mike Mohring so und fordert für die Landesverbände seiner Partei mehr Spielraum beim beschlossenen Verbot, mit der Linken zusammenzuarbeiten. Er stimme mit Lieberknecht überein, dass der Unvereinbarkeitsbeschluss des Bundesparteitags mit der Lebenswirklichkeit in einigen Bundesländern nicht übereinstimme, sagte er am Mittwoch in Erfurt: "Frau Lieberknecht hat klug und richtig zusammengefasst, was jetzt noch möglich ist."

Mohring, der sich vom Fraktions- und Parteivorsitz in Thüringen zurückzieht, sieht die CDU "eingemauert in Beschlussfragen", wie er sagte. "So lassen sich schwer Lösungen aus der Krise finden." Es gehe ihm nicht um eine Aufhebung des Unvereinbarkeitsbeschlusses, der im Grundsatz richtig sei, sondern um ein "Austarieren in jedem Bundesland". Das gelte ausdrücklich nicht für das Kooperationsverbot mit der AfD, das nicht infrage stehe. Nach einem Bundesparteitagsbeschluss kann aber die CDU nicht mit der AfD und auch nicht mit der Linken zusammenarbeiten.

Kritik an möglichem Tabubruch von der CSU

Das sieht CSU-Chef Markus Söder ganz anders: "Eine CDU muss sich klar von der Linkspartei abgrenzen, zumal die Linkspartei es nach wie vor nicht schafft, die DDR als Unrechtsstaat zu bezeichnen", sagte Söder bei der Aufzeichnung der ZDF-Sendung "Was nun, Herr Söder?", die am Mittwochabend ausgestrahlt werden soll.

Söder nannte es ein "geschicktes taktisches Manöver" des ehemaligen Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke), die frühere CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht als Übergangsregierungschefin ins Gespräch gebracht zu haben. "Ob die Antwort der CDU die beste war, darüber kann man streiten", ergänzte er. Söder selbst halte Neuwahlen in Thüringen nach wie vor für die beste Idee, doch es gibt massiven Widerstand der Thüringen-CDU gegen diese Lösung. Aktuelle Umfragen prognostizieren der Union bei Neuwahlen massive Verluste.

Ramelow weiter bereit, sich Ministerpräsidentenwahl zu stellen

Indes ist der Linke-Politiker Ramelow weiterhin bereit, sich einer erneuten Ministerpräsidentenwahl zu stellen - wenn es dafür eine Mehrheit im Landtag ohne AfD-Stimmen gibt. Seinem favorisierten Bündnis aus Linke, SPD und Grünen fehlen vier Stimmen für eine Mehrheit. Via Twitter dankte Ramelow Lieberknecht für ihre ursprüngliche Bereitschaft, "in kritischen Zeiten staatspolitische Verantwortung übernehmen zu wollen". Die 61-Jährige, die sich im vergangenen Herbst aus der Berufspolitik zurückgezogen hatte, verbindet seit Jahren ein von Respekt geprägter guter Draht zu Ramelow.

Die Linksfraktionschefin im Landtag, Susanne Hennig-Wellsow, forderte die CDU auf, den Weg für eine zügige Neuwahl freizumachen oder Ramelow aktiv zu unterstützen, "bei der MP-Wahl mit einer anschließenden Tolerierung von Rot-Rot-Grün". Es gebe nur diese beiden Wege. Grünen-Fraktionschef Dirk Adams sagte, es werde mit den Christdemokraten hart verhandelt, "dass wir zu Neuwahlen kommen". Noch am Mittwoch sollten die am Dienstag begonnenen Gespräche mit der CDU fortgesetzt werden.

Lieberknecht: "Gegensatz nicht auflösbar"

Bei der ersten Runde dieser Verhandlungen war deutlich geworden, dass sich die Interessen beider Gruppen bezüglich einer schnellen Neuwahl "diametral gegenüberstehen", wie Lieberknecht erklärte. "Der Gegensatz ist nicht auflösbar, auch wenn weiter über einen Kompromiss verhandelt wird." Sie nehme deshalb "ihren Namen aus der Debatte".

Für eine Neuwahl ist im Thüringer Landtag eine Zwei-Drittel-Mehrheit der 90 Abgeordneten nötig. Linke, SPD und Grüne kommen zusammen nur auf 42 Sitze im Parlament. Gebraucht wird somit die Unterstützung der CDU mit ihren 21 Sitzen. (mgb/dpa)

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