Hamburg - Rund eineinhalb Monate nach Veröffentlichung der neuen Pläne zur Bebauung des Paloma-Viertels in Hamburg St. Pauli hat sich die Planbude als Vertreterin der Anwohner tief enttäuscht zu Wort gemeldet.

Mehr News aus Hamburg finden Sie hier

"Der neue Entwurf wird dumm, brutal und teuer", heißt es in einer auf Facebook veröffentlichten Erklärung. Es entstehe ein utilitaristischer Riesenklotz ohne Nachbarschaftsbezug, "entworfen von ChatGPT auf Basis einer Exceltabelle".

Die Planbude war nach dem Abriss der sogenannten Esso-Häuser und der namensgebenden Tankstelle unweit des Spielbudenplatzes und der Reeperbahn 2014 im Auftrag des Bezirks Mitte gegründet worden und sollte die Anliegen und Wünsche von Interessenvertretern und Anwohnern bündeln. Nach deren Angaben beteiligten sich rund 2.300 Menschen an dem Entwurf und entwickelten in einem bundesweit einmaligen Verfahren den "St. Pauli-Code".

Unglaublich viel Wissen und Vertrauen in Prozess geflossen

Es sei unglaublich viel Wissen und Vertrauen in diesen Prozess geflossen, viele Menschen, Läden und Initiativen hätten sich bereitgehalten und tausende Stunden und Geld investiert, erklärten die Planbuden-Vertreter. Doch "nichts davon wird umgesetzt". Das beschädige die Planungskultur bundesweit - und ganz massiv das Vertrauen in demokratische Prozesse.

Die Bayerische Hausbau hatte die nach der berühmten Kiez-Tankstelle benannten "Esso-Häuser" 2009 gekauft. Bereits 2011 wurde in drei Gutachten festgestellt, dass die Gebäude wirtschaftlich nicht zu retten seien. Im Dezember 2013 mussten dann alle Bewohnerinnen und Bewohner über Nacht ihre Wohnungen wegen Einsturzgefahr verlassen.

Bayerische Hausbau hat über Jahre nicht mit dem Bau begonnen

Obwohl es seit Jahren einen städtebaulichen Vertrag und einen Bebauungsplan gibt, hat die Bayerische Hausbau die viel beachteten Vorschläge wegen der Immobilienkrise, wie sie selbst sagt, nie umgesetzt. Im vergangenen November teilte der rot-grüne Senat dann mit, dass die städtische Wohnungsgesellschaft Saga und der Immobilienentwickler Quantum das Areal übernehme.

Die Pläne der neuen Eigentümer weichen jedoch deutlich von den Ideen der Planbude ab. Nun sollen bis zum ersten Halbjahr 2028 insgesamt 164 öffentlich geförderte Wohnungen, eine Kita sowie Flächen für eine nachbarschaftliche Nutzung entstehen. Geplant ist auch ein Hotel mit rund 350 Zimmern und ein Haus der Kreativwirtschaft, das auf sieben Etagen für kreative Nutzungen vorgesehen sei und im Erd- und Untergeschoss Platz für einen Livemusik-Club haben soll. Das Investitionsvolumen wurde auf 200 Millionen Euro beziffert.

Weniger Wohnungen, aber fast doppelt so viele Hotelzimmer

Dem gegenüber stehen die damals eigentlich verbindlich verabredeten Ideen der Planbude. Die Zahl der Wohnungen sei nun um knapp 40 gesunken, dafür habe sich die Zahl der Hotelzimmer fast verdoppelt. Zudem fehlten unter anderem der "Stadtbalkon" und die dadurch erschlossene Ladenfläche im Obergeschoss mit Publikumsverkehr. Gestrichen seien auch die bekletterbare Hotelhochhausfassade oder der Plan, die Dächer der Öffentlichkeit zugänglich zu machen etwa zum Verweilen, Basketball spielen oder Gärtnern.

"Mit dem Engagement der Saga hatte der Rot-Grüne Senat die Chance, mit dem gründlichsten Beteiligungsverfahren der Galaxis im Rücken an der Reeperbahn zu zeigen, wie kommunal verantwortete und finanzierte Stadtplanung mit hoher Qualität und Konsequenz aussehen kann", erklärte die Planbude. Dabei hätte aus deren Sicht das viele Geld auch für den "aufregenden Originalentwurf" gereicht.  © Deutsche Presse-Agentur

Nachrichten aus anderen Regionen
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.