Office-Rent: Tische und Stühle für Büros zu mieten, ist für Behörden noch unüblich. Ein Teil der Stadtverwaltung der hessischen Kommune Bad Nauheim spielt jetzt den Vorreiter und arbeitet dafür mit einem Unternehmen aus Ober-Mörlen zusammen.
Eine Abteilung im Rathaus von Bad Nauheim bekommt mehr Personal. Aber die Räume wachsen nicht mit. Gleichzeitig wandelt sich die Stadtverwaltung wie die Arbeitswelt im Allgemeinen. Seit der Corona-Zeit lässt sich mobile Arbeit nicht wegdenken. Längst kommen nicht mehr alle Büroarbeiter jeden Werktag an ihren Platz in der Behörde. In der Folge benötigt die Abteilung von Matthias Wieliki weniger Arbeitsplätze, als sie Köpfe zählt. Wieliki kümmert sich um die Zentrale Steuerung und hat im vergangenen Vierteljahr gleich vier neue Beschäftigte begrüßen können – die Digitalisierung hat zu einem Zuwachs an Aufgaben geführt, wie er sagt. Es gibt mehr Teamarbeit als in früheren Zeiten. Aber nicht jeder mag in einem Großraumbüro arbeiten. Was tun bei der Gemengelage?
Gemeinhin greifen Behörden wie Betriebe bei Personalzuwachs auf schon vorhandene Büromöbel zu oder kaufen bei Bedarf welche. Allerdings drohen Fehlkäufe, wenn sich in der täglichen Arbeit ein Arrangement als untauglich erweist. Plötzlich stehen Bürostühle, Rollcontainer und Tische ungenutzt herum. Wieliki nimmt für seine Abteilung ein recht neues Angebot wahr und mietet Mobiliar. Den Dienstleister hat er wenige Kilometer von Bad Nauheim entfernt in Ober-Mörlen gefunden. Dort sitzt die Rent-Group, die sich früher Party-Rent nannte. Mit dem Namenswechsel geht ein Wandel im Angebot einher. Das Unternehmen vermietet neuerdings nicht mehr nur Möbel, Wohnaccessoires und Geschirr für Veranstaltungen, sondern auch Büromöbel.
Möbel an Art der Nutzung angepasst
Dessen geschäftsführenden Gesellschafter Christian Eichenberger hat der Abteilungsleiter über ein lokales Netzwerk kennengelernt. Eichenberger wohnt in der Kurstadt, sein Unternehmen sponsert den Eishockeyklub EC Bad Nauheim. Die Rent-Group arbeitet schon an anderer Stelle mit der Stadt zusammen. Es hat den Co-Working-Space "Work Nouveau" mit Mietmöbeln ausgestattet. Die Grundhaltung des Unternehmens passe gut zum Bestreben der Stadt, möglichst nachhaltig zu wirtschaften. So fertigt Party-Rent die etwa für "Work Nouveau" verwendeten Regalbretter aus Transportbohlen. Die Hölzer landeten sonst in der Müllverbrennung und erhalten ein zweites Leben. Angesichts der Erfahrungen mit diesem Pilotprojekt lag es nah, auch für seine Abteilung im Rathaus keinerlei Möbel mehr zu kaufen.
"Wir haben versucht, die Beschäftigten ziemlich früh in den Prozess einzubeziehen", sagt Wieliki. Zumal manche von ihnen im Rathaus umziehen mussten. Das Einzelbüro aufzugeben sei für Kollegen mit erheblichen Emotionen verbunden gewesen. So berieten sie demnach über verschiedene Arten zu arbeiten und die daraus folgenden Ansprüche an die Arbeitsplätze. Stillarbeit verlange eine andere Ausstattung als Teamarbeit. Vertrauliche Gespräche ließen sich nicht im großen Kreis führen und ebenfalls nicht in einem Zweipersonenraum. Videokonferenzen nicht zu vergessen. "Wir haben das alles im Wissen getan, dass das alles ein Ausprobieren ist", so Wieliki.
Letztlich habe seine Abteilung das ausgewählte Mobiliar einerseits an die Art der Nutzung angepasst. Deshalb gibt es jetzt unter anderem eine sogenannte Box, die wie ein Raum im Raum ist. Andererseits berücksichtigte der Abteilungsleiter auch persönliche Wünsche. Denn: "Mitarbeiter sollen sich wohlfühlen". Schließlich muss auch eine Stadtverwaltung um Personal kämpfen in Zeiten des Fachkräftemangels. Das Mietkonzept habe den Übergang im Team geschmeidiger gemacht. Zumal es Möbel kurzfristig austauschen könne.
Ergonomische Arbeitsplätze für die Gesundheit
Rent-Group-Chef Eichenberger sieht weitere Vorteile: "Die gute Einrichtung fördert Produktivität, erhöht die Verweildauer und entlastet die Gesundheit durch ergonomische Arbeitsplätze." Dabei setzt Office-Rent nicht in jedem Fall auf Neuware, die eigens hergestellt werden musste. Das habe Vorteile für die Umwelt: "Dank der Verwendung von über 70 Prozent bereits vorhandenen Möbeln konnten wir eben auch bis zu 70 Prozent der Produktionsemissionen gegenüber einer Neubeschaffung einsparen."
Ob seine Abteilung mit ihrem Vorgehen ein Reallabor für die gesamte Stadtverwaltung ist? Er stehe im Austausch mit anderen Abteilungen, antwortet Wieliki. Eichenberger berichtet derweil von Anfragen aus anderen Kommunen. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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