Theaterhaus Frankfurt: Mit seiner Theater-Performance bringt das Theaterhaus Frankfurt seinen Zuschauern von neun Jahren an bei, wie sie ihren Mut finden.
Da gibt es zum Beispiel Klara, zwölf Jahre alt: Ihre Angst kam schleichend, bis sie immer mehr Raum einnahm. Und Klara irgendwann nicht mehr zur Schule gehen konnte. Zu groß war ihre Angst, nicht zu genügen, nicht normal zu sein. Wie es ihr erging, wird den Zuschauern im "plüschigen Labor" erzählt, in das sich Bühne und Zuschauertribüne im Frankfurter Theaterhaus an diesem Abend verwandelt haben.
Die Schauspielerin Uta Nawrath darf für die nicht anwesende Klara sprechen und ihre Angst darstellen. Das gelingt ihr auch sehr eindrucksvoll. Denn Klara verschwindet unter einem schwarzen Tüllkleid. Nichts ist mehr von ihr zu sehen, nicht einmal ihr Gesicht. Bis sie in die Psychiatrie kommt und lernt, die Dinge auf sich zukommen zu lassen. "Entweder es wird gut oder es wird schlecht", sagt sie. Singen helfe, Angst auszuhalten.
Überall liegen Plüschdecken
Rund eineinhalb Stunden dauert das Theaterprojekt "Survival Kid" unter Regie von Kim Willems, für das sein Team Interviews mit Patienten und Angehörigen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Marburg führte. Es ist erstaunlich, was dem Ensemble des Theaterhauses in kurzer Zeit gelingt. Es wird über Angst gesprochen, über Formen, die Angst annehmen kann. Und darüber, wie Angst zu bewältigen ist. Am Ende geht jeder, Groß und Klein, mit einem eigenen Survival Kit nach Hause. Was darin liegt, musste man sich zuvor erarbeiten. Denn man kann lernen, mutig zu sein – so lautet die befreiende Nachricht.
Voraussetzung für diese Art der Arbeit ist ein vertrauensvoller Umgang, eine Atmosphäre, in der man sich wohlfühlen kann. Die von Jonathan Schmidt-Colinet gestaltete Bühne schafft hierfür die Voraussetzung. Überall, auf Zuschauerrängen und auch vorn auf der Bühne, liegen Plüschdecken, auf die sich die Zuschauer setzen dürfen. Der Umgangston ist von Respekt geprägt. Wer nicht antworten will, wenn er etwas gefragt wird und das Mikrofon vor den Mund gehalten bekommt, der darf einfach schweigen. Und auch ansonsten ist jede Art von Antwort in Ordnung und wertvoll.
Ein Begegnungs- und Entlastungsraum
Befragt werden die Zuschauer alle. Und viel. Drei Felder gibt es dazu im Spiel: Eines bedeutet "ja", eines "nein" und eines "vielleicht". In eines der Felder kann jeder springen, wenn die zwei Moderatoren wissen wollen, ob die Zuschauer heute schon mal Angst gehabt haben, ob sie mutig waren oder ob sie wissen, wie ihre Angst aussieht. Vielleicht liegt es an der vielen Bewegung, vielleicht an den Formen von Angst, die die Schauspieler Nawrath und Benjamin Cromme – auch bezogen auf sich selbst – schildern, dass sich die Zuschauer, auch die noch jungen, nach und nach mehr trauen. Sie schildern ihre Angst und wie sie damit umgehen. Dabei merkt jeder, dass er nicht allein ist und nicht komisch, bloß weil er Ängste hat.
Einen Begegnungs- und Entlastungsraum hätten sie mit ihrem künstlerisch-systemischen Theaterformat schaffen wollen, teilt das Theaterhaus Ensemble mit. Einen Begegnungsraum, den der Schulalltag und ein Theaterbesuch so nicht leisten könnten. Mit ihrer Spiel-Performance haben sie eine überzeugende Möglichkeit gefunden. Sie wird gebraucht, weil manche Kinder und Jugendliche durch die Zeit der Corona-Pandemie noch immer belastet sind. Reden über Gefühle ist wichtig. Wie man an diesem Abend sieht, kann ein Theaterbesuch hierfür einen heilsamen Anstoß geben.
Survival Kid, für Kinder von neun Jahren an. Weitere Vorstellungen am 26. und 27. November, 10 Uhr, Theaterhaus, Schützenstraße 12, Frankfurt. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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