Wiesbaden: Der Bedarf an stationärer Pflege in der Landeshauptstadt Wiesbaden wächst stetig, aber die Zahl der Pflegeplätze stagniert.

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Einige Monate später als zunächst erhofft ist in Wiesbaden-Dotzheim mit dem Neubau des Moritz-Lang-Hauses begonnen worden. Das neue Alten- und Pflegeheim soll bis zum Jahresende 2026 bezugsfertig sein. Geplant sind nach Angaben der kommunalen Gesellschaft Wibau 104 vollstationäre und weitere 14 Kurzzeit-Pflegeplätze. Damit geht mit dem Neubau die Aufnahmekapazität zwar leicht zurück, doch steigt der Komfort für die künftigen Bewohner deutlich.

Denn die bislang 126 Pflegeplätze waren in dem fünfgeschossigen Altbau auf 50 Doppelzimmer und 26 Einzelzimmer verteilt, wobei sich jeweils benachbarte Zimmer die Toiletten und Waschgelegenheiten teilen mussten. Nun gibt es 104 jeweils 14 Quadratmeter große Einzelzimmer mit barrierefreiem Bad.

Die Zimmer sind auf vier Etagen mit jeweils zwei Wohngruppen verteilt. Im Erd- und im ersten Obergeschoss sind die Verwaltungs- und Küchenräume sowie sechs Appartements für Mitarbeiter. Betreiberin des Moritz-Lang-Hauses und auch des Biebricher Seniorenzentrums Toni-Sender-Haus ist die kommunale Altenhilfe Wiesbaden GmbH, die 1995 als gemeinnützige Gesellschaft der Landeshauptstadt gegründet worden war.

Über einen Neubau des in die Jahre gekommenen Moritz-Lang-Hauses wird schon seit fast zwei Jahrzehnten diskutiert. Bis zu einem Durchbruch waren allerdings mehrfach Hindernisse zu überwinden. Auch die Kosten stiegen stetig. Als die Wiesbadener Stadtverordneten Ende 2019 den Neubau beschlossen, war noch von Kosten in Höhe von 17 Millionen Euro die Rede. Einschließlich der Kosten für die Ausstattung des Neubaus und den Abriss eines benachbarten Reha-Zentrums bewilligten die Stadtverordneten ein Budget von 23 Millionen Euro. Zur Finanzierung wird die Wibau in Vorleistung treten und das Geld dann über 30 Jahre als Mietzahlung der Altenhilfe erstattet bekommen.

Wachsender Bedarf kann nicht gedeckt werden

Die erste Genehmigung eines Bauantrags im Juni 2022 war sechs Monate später allerdings wieder zurückgenommen worden, weil es Differenzen mit dem Generalplaner gegeben hatte. Das Planungsbüro wurde gewechselt, und ein neuer Bauantrag wurde gestellt. Nun allerdings wurden die Kosten auf 36,7 Millionen Euro taxiert. Zu den Ursachen heißt es in einer Vorlage an die Stadtverordneten, ausschlaggebend seien unter anderem die Teuerungsrate, eine überproportionale Baukostensteigerung um fast 30 Prozent, Umplanungen zur besseren Ausnutzung der Hanglage des Grundstücks sowie zwischenzeitlich höhere Anforderungen an Gebäudetechnik und Lüftung in der Folge der Pandemie und der Erfahrungen daraus.

Ein Verzicht auf den immer kostspieligeren Neubau hätte nach Darstellung der Verwaltung allerdings die Insolvenz der Altenhilfe GmbH zur Folge gehabt mit weitreichenden, auch finanziellen Konsequenzen in zweistelliger Millionenhöhe. Hinzu kommt, dass das Angebot an stationärer Pflege in Wiesbaden schon jetzt unzureichend ist. Trotz der knapp 30 Alten- und Pflegeheime mit mehr als 2500 Plätzen kann der wachsende Bedarf nicht gedeckt werden. Die Lage werde sich absehbar sogar weiter zuspitzen, heißt es aus dem Rathaus.

Die Lage der stationären Pflege in Wiesbaden verdeutlicht die Verwaltung mit dieser Zahl: Während sich in Deutschland seit dem Jahr 1999 die Zahl der Pflegeeinrichtungen um mehr als 60 Prozent erhöht habe, sei sie in Wiesbaden nahezu unverändert geblieben. Hochrechnungen des Amts für Soziale Arbeit prognostizieren einen Mehrbedarf in der Landeshauptstadt von 400 Betten innerhalb der nächsten 15 Jahre.

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Schon jetzt reichen die eigenen Plätze nicht für alle Bürger. Das lässt sich daran ablesen, dass ein Viertel der kommunalen Ausgaben für sozial schwache Menschen an Pflegeeinrichtungen außerhalb der Stadt fließt, weil die Pflegebedürftigen für einen Platz ins Umland ausweichen mussten. Ohne die Plätze in einem neu gebauten Moritz-Lang-Haus würde sich die Versorgungslandschaft in Wiesbaden noch weiter verschlechtern.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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