Das Wetter im Juni: Von einem Sommermärchen war der Juni in Frankfurt weit entfernt – zumindest aus meteorologischer Sicht.

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Es ist wie ein kollektives Déjà-vu: Alle reden über Fußball und tragen Trikot, im Fernsehen läuft ein Spiel nach dem anderen, und die Stadt ist voll mit aufgedrehten und bunt verkleideten Gästen aus aller Herren Ländern. So war es bei der Weltmeisterschaft 2006, die zum deutschen Sommermärchen wurde – und so ist es auch nun wieder, bei der Europameisterschaft im eigenen Land. In Scharen sind feiernde Engländer, Dänen, Schweizer, Slowaken, Rumänen, Portugiesen und auch jede Menge Schotten nach Frankfurt gekommen, haben viele lustige Lieder gesungen, sehr viel Bier getrunken und für die eine oder andere bemerkenswerte Anekdote gesorgt.

Unser Favorit: jener England-Fan, der sich mangels Ticket in schwarze Schiedsrichter-Klamotten zwängte und eine Kinder-Trillerpfeife um den Hals hängte, um so an den Ordnern vorbei auf den ramponierten Rutschrasen des Waldstadions zu gelangen. Das fanden selbst die Sicherheitsleute und die Polizei so albern und dilettantisch, dass sie ihm lediglich einen Platzverweis erteilten und von strafrechtlichen Schritten absahen. Es lebe der fröhliche EM-Wahnsinn!

Durchwachsener Beginn des Sommers

Ob es bei dieser EM fußballerisch zu einem neuen Sommermärchen reicht, wissen wir noch nicht – das hängt davon ab, was die Nagelsmann-Truppe am Freitag gegen die Spanier auf den Platz bringt. Aber aus meteorologischer Sicht ist schon jetzt klar: Das wird diesmal nichts. Dafür war der Start in den Sommer einfach viel zu schlecht: Im Gegensatz zu 2006 war der Juni in diesem Jahr nämlich – sagen wir mal – ziemlich durchwachsen. Das ist für den Sommer und vor allem für den Juni in unseren Breiten eigentlich normal. Oder besser: Es war normal. Doch in Zeiten des Klimawandels haben wir uns längst an andere Verhältnisse, sprich meteorologische Sommermärchen, gewöhnt.

Die Daten von der Wetterstation am Frankfurter Flughafen suggerieren auf den ersten Blick einen ganz normalen Juni, der mit einer Mitteltemperatur von 18,2 Grad ein bisschen, nämlich 1,1 Grad, wärmer war als der langjährige Durchschnitt von 17,1 Grad. Allerdings stammt dieser langjährige Durchschnitt aus der Referenzperiode von 1961 bis 1990 – also aus einer Zeit, in der vom Klimawandel noch nicht viel zu spüren war. Verschiebt man diese Referenzperiode nun aber um 30 Jahre auf die Zeit von 1991 bis 2020, dann ergibt sich tatsächlich ein anderes Bild: Dann wird aus dem etwas zu warmen Juni sogar ein ganz leicht zu kühler Juni, der 0,3 Grad unter dem neuen Referenzwert von 18,5 Grad lag.

Und so ist es kein Wunder, dass dieser EM-Juni in der allgemeinen Wahrnehmung kein besonders guter war: ein Juni der zum Beispiel mit einer Höchsttemperatur von 31,9 Grad, gemessen am 26. Juni, weit hinter den 39,3 Grad vom 30. Juni 2019 zurückblieb; ein Juni, der mit gerade einmal zehn Sommertagen, also Tagen mit 25 oder mehr Grad in der Spitze, sehr weit hinter den 28 Sommertagen des Juni 2023 zurückblieb; und ein Juni, der mit fast unglaublichen 120 Stunden weniger Sonnenschein als der des vergangenen Jahres auskommen musste.

Mit 218,4 Stunden Bestrahlung lag der EM-Juni zwar neun Stunden über dem langjährigen Normalwert von 209,4 Stunden. Aber erstens stammt der natürlich auch aus der Periode von 1961 bis 1991. Und zweitens hat es weniger Juni-Sonne in Frankfurt zuletzt 2016 gegeben, also vor acht Jahren. Seither haben wir uns an ganz andere Verhältnisse gewöhnt, jenseits der 300-Stunden-Grenze: 321,6 Stunden im Juni 2019, 313,8 Stunden im Juni 2022 und vor allem 338,4 Stunden im Juni 2023, der im Vergleich zum aktuellen Juni im Durchschnitt jeden Tag vier Stunden mehr Sonne zu bieten hatte, zusammen eben 120 Stunden.

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Da hilft es dem Juni dieses Jahres auch nicht viel, dass tatsächlich an allen Tagen die Sonne zumindest ein bisschen schien. Und es nützt auch nichts, dass es mit 69 Millimetern Niederschlag gar nicht so feucht war wie gefühlt und wie in anderen Teilen der Republik. Ist der Ruf erst ruiniert, machen solchen statistischen Fakten keinen Unterschied mehr. Der EM-Juni wird uns – im Gegensatz zum Juni 2006 – als irgendwie verkorkst in Erinnerung bleiben. Zumindest aus meteorologischer Sicht. Fußballerisch könnte es am Ende aber natürlich ganz anders aussehen.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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