Betriebsratswahl manipuliert?: Nach der Betriebsratswahl bei Fraport ist von Manipulation und Betrug die Rede.

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Sogar der Vorstand spricht von einer offenbar "nicht rechtmäßigen" Wahl, während die Gewerkschaft Verdi bereits rechtliche Schritte einleitet.

Am Frankfurter Flughafen ist in der Arbeitnehmervertretung der Fraport AG eine Auseinandersetzung um die Betriebsratswahlen vom Juli entbrannt, die weit über alles hinausgeht, was zwischen konkurrierenden Gewerkschaften an Schärfen gelegentlich vorkommt.

Von "Wahlbetrug", "Stimmenklau", "Vetternwirtschaft" und einem "Clan mit "Mafia-Methoden" ist da in Flugblättern aus der Fachgruppe Luftverkehr von Verdi-Hessen die Rede. Adressaten dieser Vorhaltungen sind der Kreisverband Flughafen der Gewerkschaft Komba und dessen Chef Devrim Arslan, der 16 Jahre Betriebsratsvorsitzender der Fraport-Tochter FraGround war.

Die Komba spricht dagegen von Falschaussagen und einer rassistischen Hetzkampagne, die darauf zurückzuführen sei, dass Vertreter von Verdi 2023 bei der Wahl zum Aufsichtsrat der Fraport AG verloren hätten und von Komba-Vertretern abgelöst worden seien.

Vorwürfe gegen Gewerkschaftssekretär

Namentlich genannt wird Christoph Miemietz, Gewerkschaftssekretär der Verdi Fachgruppe Luftverkehr, der an den Flugblättern mitgearbeitet hat. Miemietz sieht dagegen den Versuch einer verwandtschaftlich und freundschaftlich eng verbundenen Gruppe, über die Komba und den Fraport-Betriebsrat maßgeblichen Einfluss auch auf Stellenbesetzungen und letztlich die Unternehmensführung zu gewinnen, um persönlich zu profitieren, wie er der F.A.Z. sagte.

Die Vorgänge um diese Wahl zur Arbeitnehmervertretung am größten deutschen Flughafen sind so heikel, dass Fraport AG-Vorstandschef Stefan Schulte und die Arbeitsdirektorin Julia Kranenberg sich in einem internen Schreiben an die Belegschaft wenden. Nach ihrer Rechtsauffassung ist "die Wahl nicht rechtmäßig durchgeführt worden", heißt es in dem Schreiben, das der Redaktion vorliegt.

Noch während der Wahl hatte der Vorstand nach Hinweisen aus der Belegschaft auf Unregelmäßigkeiten versucht, die Wahl per Eilverfahren zu stoppen. Doch das Landesarbeitsgericht ist dem Antrag nicht gefolgt. Ungeachtet dessen will der Fraport-Vorstand den Vollzug und das Ergebnis der umstrittenen Betriebsratswahl gerichtlich bis zu einer endgültigen Klärung prüfen lassen. Solange wird der Vorstand aber den aus dieser Wahl hervorgegangenen neuen Betriebsrat in Fragen der betrieblichen Mitbestimmung beteiligen müssen.

Erstmals gemeinsame Vertretung für Fraport und Ground Service

Hintergrund der Auseinandersetzung ist der Umstand, dass in diesem Jahr erstmals eine gemeinsame Arbeitnehmervertretung für die Fraport-Mutter und den Tochterbetrieb Fraport Ground Services GmbH (zuvor FraGround) gewählt werden musste, der mit Bodenverkehrsdiensten wie dem Be- und Entladen von Flugzeugen betraut ist. Die seit Jahren eingeübte Praxis, jeweils einen Betriebsrat für die Fraport mit 8500 Beschäftigten und einen für die Ground-Service-Tochter mit 4500 zu wählen, hatte ein Gericht verworfen, und die Wahl eines gemeinsamen Betriebsrats verlangt.

Das bisherige Arbeitnehmergremium der Fraport-Mutter wollte im März diese Wahl abhalten, die aber wurde vom Arbeitsgericht abgebrochen. Begründung: Um die Voraussetzungen für die Wahl eines gemeinsamen Betriebsrates zu schaffen, müsse sich eines der bestehenden Gremien zuvor auflösen, es dürfe im Vorlauf zur gemeinsamen Wahl keine konkurrierenden Betriebsräte geben.

Trotz der Verabredung, dem zu entsprechen und die Wahl gemeinsam auf den Weg zu bringen, überraschte im Juli der Betriebsrat der Ground-Service-Tochter, in der die Komba dominierte, offenbar den Betriebsrat der wesentlich größeren Fraport-Mutter und rief Wahlen für die neue gemeinsame Arbeitnehmervertretung aus. Diesmal gab es keine rechtlichen Bedenken beim Arbeitsgericht, die Wahl fand vom 25. bis zum 28. Juli statt.

Verdi ergreift Maßnahmen gegen Arbeitsrichter

Gegen diese Wahl geht neben dem Vorstand nach Angaben von Zafer Memisoglu, stellvertretender Vorsitzender im bisherigen Fraport-Betriebsrat, auch Verdi vor. Zudem habe Verdi gegen den Arbeitsrichter rechtliche Schritte eingeleitet, der die vom Fraport-Betriebsrat angestoßene gemeinsame Wahl abgebrochen, dann aber gegen die vom Betriebsrat der Ground-Service-Tochter eingeleitete Wahl keine Bedenken gehabt habe.

Das Betriebsverfassungsgesetz verlange, dass in solchen Fällen der größere der beiden Betriebe die gemeinsame Wahl in die Wege zu leiten habe. "Da verliert man den Glauben an den Rechtsstaat", sagte Memisoglu im Gespräch mit der F.A.Z.

Die Erregung der Verdianer aus der Fraport-Muttergesellschaft ist schon deshalb nachvollziehbar, weil das Ergebnis dieser ersten Wahl eines gemeinsamen Betriebsrats das bisherige Kräfteverhältnis in der Arbeitnehmervertretung des größten deutschen Flughafens auf den Kopf stellt: Für die Betriebsräte der Fraport-Mutter, in der stets Verdi dominierte, ist sie zum Desaster geworden.

Sitzverteilung aus dem Gleichgewicht

Von den 39 Sitzen in dem gemeinsamen Betriebsrat sind plötzlich 31 an Arbeitnehmervertreter aus der etwas mehr als halb so großen Ground-Service-Tochter gefallen, wo die Komba inzwischen die Fäden in der Hand hat. Die Fraport-Mutter mit 8500 Beschäftigten, in der sich verschiedenste Berufsgruppen von der Administration über Techniker bis zu Flughafenfeuerwehrleuten finden, ist nur noch mit vier Sitzen vertreten. Zuvor waren es 35.

Das würde laut Verdi-Hessen bedeuten, dass rund 1900 Wähler aus den genannten Sparten der Fraport-Mutter Vertreter aus den Bodenverkehrsdiensten gewählt hätten. Das sei ein völlig untypisches Wahlverhalten, weil die Beschäftigten aus den einzelnen Sparten traditionell immer Vertreter aus ihrem eigenen Arbeitsumfeld wählten. Die kenne man, und von denen verspreche man sich die sachkundigste Vertretung, sagt Verdi-Fachbereisleiter Mathias Venema.

Ahmet Agatay, stellvertretender Vorstandschef der Komba und Mitglied im alten Betriebsrat in der Ground-Service-Tochter wie auch im neuen gemeinsamen Arbeitnehmergremium der Fraport, sieht das anders: "Verdi hat in den letzten Jahren keine gute Arbeit geleistet", sagt er. Das Wahlergebnis sei die Quittung für Verschlechterungen für die Belegschaft, die Verdi nicht verhindert habe. Alles andere sei eine Verleumdungskampagne.

Keine ausreichenden Wahllokale oder angemessene Zugänge

Der Verdi-Fachbereich Verkehr erhebt konkrete Vorwürfe: Der Wahlvorstand habe nur zwei Wahllokale angeboten, wo normalerweise zehn üblich seien. Eines davon sei zudem im Sicherheitsbereich auf dem Vorfeld gewesen, für den ein spezieller Ausweis nötig sei, den Bodenverkehrsdienstler besäßen, andere Beschäftigte, aus der Administration zum Beispiel, aber nicht. Zudem hätten viele Fraport-Mitarbeiter gar keine Wahlbenachrichtigung erhalten.

Aus dem Wahlvorstand der Ground-Service-Tochter, der die Wahl organisiert hat, heißt es dazu, dass der Arbeitgeber, also die Fraport, weder ausreichend Wahllokale zu Verfügung gestellt habe noch rechtzeitig aktuelle Listen der Beschäftigten. Ein Fraport-Sprecher sagte auf Nachfrage, das entspreche "nachweislich nicht den Tatsachen".

Verdi sagt zudem, dass Hunderte Stimmzettel verschwunden seien. Mit 37 Prozent werde eine Wahlbeteiligung ausgewiesen, die so gering sei, wie nie zuvor in der Unternehmensgeschichte, sagt Venema. Bei den Fraport-Betriebsratswahlen 2022 hätten rund 50 Prozent ihre Stimme abgegeben.

Beweise für "Stimmenklau" werden zusammengetragen

Um den unterstellten "Stimmenklau" nachweisen zu können, sollen nun Belegschaftsmitglieder mit schriftlichen Erklärungen bezeugen, dass sie die Fraport-Verdi-Liste, die ebenfalls angetretene "GÖD" oder gar nicht gewählt haben. Damit will Verdi beweisen, dass Hunderte abgegebene Stimmen nicht gezählt und die Wahlen manipuliert worden sind.

Diese letztlich gegen den Flughafen- Kreisverband der Komba gerichteten Vorwürfe von Verdi Hessen sind heikel, weil im Betriebsrat der Ground-Service-Tochter, der die umstrittene Wahl auf den Weg gebracht hat, nicht nur die Komba aktiv ist, sondern auch eine eigene Verdi-Liste.

Zu dieser gehörte auch der neue Komba-Chef Arslan, bevor er Verdi im Streit verließ und zur Komba wechselte. Arlan saß sogar mit einem Verdi-Mandat fünf Jahre im Fraport-Aufsichtsrat. Die Verdi-Liste in der Ground-Service-Tochter arbeitet mit der Komba und deren Chef am Flughafen eng zusammen, die Beziehung zum Verdi-Fachbereich scheint eher heikel.

Inzwischen ist Arslan kein Mitarbeiter der Fraport AG mehr, über das Fraport-Kostensenkungsprogramm während Corona ist er mit einer Abfindung von mehr als einer halben Million Euro ausgeschieden, wie er auf Nachfrage bestätigte. Zugang zum Areal des Flughafens hat er über seine Gewerkschaftsfunktion trotzdem noch. Und der Einfluss auf den Betriebsrat des Flughafens bleibt ihm als Chef der Komba am Flughafen auch erhalten, zumal er die Arbeitnehmervertreter der Ground-Service-Tochter, die im neuen Betriebsrat sitzen, aus seiner früheren Tätigkeit gut kennen dürfte.

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Zudem soll er seinen alten Betriebsrat nach dem Ausscheiden in Arbeitsrechtsfragen gegen Honorar beraten haben, Arslan ist Schöffe am Landesarbeitsgericht. Alles in allem eine Konstellation, die in dieser Form in Deutschland so schnell wohl nicht noch einmal zu finden ist.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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