Theater Landungsbrücken: "Educate wolves, not girls": Die Hasen im Wald haben genug von dem kapitalistischen Wolf und rebellieren.
So wird die vor allem für Kinder gedachte Parabel um das "Flohkäppchen" in Frankfurt zum unterhaltsamen Lehrstück für Demokratie.
Das Stück um das "Flohkäppchen", das Friederike Thielmann im freien Frankfurter Theater Landungsbrücken "für alle Generationen ab acht Jahren" inszeniert hat, steht in der Tradition politischer Tierparabeln: Die Hasen im Wald, also das Volk (gespielt vom Publikum und Liese Lyon) haben genug vom kapitalistischen Wolf (Johanna Milz). Der Staat in Erscheinung eines Försters (Judith Altmeyer) rührt sich jedoch nicht. Als der Wolf dann auch noch die Großmutter von Rotkäppchen (Valentin Kleinschmidt) frisst, proben die Hasen den Aufstand.
Bevor es aber in den Märchenwald geht, macht das Stück eine Zeitreise in die Siebzigerjahre und damit in die Entstehungszeit seiner Vorlage, der Hörspielplatte "Rotkäppchen" der Band Floh de Cologne, die auf dem gleichnamigen Theaterstück von Jewgeni Schwarz und letztlich auf dem Grimm’schen Märchen basiert. Die Schauspieler stehen so zunächst als Schauspieler auf der Bühne und erinnern sich bei einer Bandprobe an die Platte von Floh de Cologne. Anschließend steigt das Stück in die "Rotkäppchen"-Handlung ein, dessen Erzählebene aber immer wieder durchbrochen wird.
"Educate wolves, not girls"
Zeitgenössisch kommt die Forderung "Educate wolves, not girls" hinzu: Es liegt nicht am Rotkäppchen, sich vor dem Wolf zu schützen, der Wolf muss lernen, es in Ruhe zu lassen. Hase Weißohr nimmt an einer Tapferkeitsschule teil, in der er unter anderem das Nein-Sagen lernt.
Das Stück ist nichts für Zuschauer, die passiv dem Treiben auf der Bühne folgen wollen. Man bekommt Hasenohren aus gebogenen Knicklichtern aufgezogen, einzelne Zuschauer werden überraschend angesprochen, man soll aufstehen und mitmachen. Demokratie eben. Das alles wird so auch ein großer Spaß für die Kinder, denen man nicht allzu streng zumutet, eine Stunde lang still zu sitzen.
Die demokratische Botschaft kommt klar heraus: Die Hasen protestieren gegen den Förster, der schließlich nachgeben muss. Er wird jedoch nicht gestürzt, sondern bleibt Teil der Gemeinschaft. Das System wird nicht abgeschafft, nur seine Machtverteilung angepasst. Das Stück endet, als die Tiere des Waldes ihre neue Ordnung aushandeln. Offen bleibt die Frage, ob dieser Friede-Freude-Eierkuchen-Zustand im Wald von Dauer sein wird, ob es diesen in unserer Welt nach den Siebzigerjahren gegeben hat und ob es ihn jemals geben wird. Am Ende bleibt "Rotkäppchen" eben ein Märchen.
Insgesamt kommt das Stück inhaltlich und formal handzahm daher. Zumindest aus der Perspektive eines Erwachsenen hört, sieht und denkt man sich dabei nichts Neues. Die Kinder aber, an die sich dieses Stück vordergründig richtet, bekommen nicht nur Spaß geboten, sondern auch ein paar grundlegende Lektionen über demokratisches Zusammenleben. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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