Digitale Verwaltung: 3,5 Millionen Euro benötigt Bürgermeisterin Christiane Hinninger für einen schnelleren Wandel zur digitalen und bürgerfreundlichen Verwaltung.

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Dreieinhalb Millionen Euro hat Bürgermeisterin Christiane Hinninger (Die Grünen) bei den anstehenden Haushaltsberatungen zusätzlich angemeldet, um Wiesbaden schneller digital ins 21. Jahrhundert zu führen. Sofern die Stadtverordneten das Geld bereitstellen, sollen schon im nächsten Jahr zahlreiche Änderungen initiiert werden, die nach Einschätzung der Dezernentin unabdingbar sind, damit die Stadtverwaltung trotz des zu erwartenden Fachkräftemangels weiterhin voll funktionsfähig bleibt. Zudem erwarten Hinninger und die Leiterin des Amtes für Innovation, Organisation und Digitalisierung, Silke Lehnhardt, langfristig erhebliche Einsparungen an Sach- und Mietkosten aufgrund effizienterer Arbeits- und Verwaltungsabläufe.

Die künftige Kommunikation zwischen Wiesbadenern und Stadtverwaltung könnte demnach wie folgt aussehen: Bürgerin Sara Müller sitzt zu Hause auf ihrer Couch und reicht über ihr Handy digital einen Antrag zur Befreiung von der Hundesteuer ein. Die Software der E-Akte prüft ihre Eingaben, und die Stammdaten (etwa Name und Adresse) werden automatisch in einer Datei angelegt.

"Entscheidende Schritte nach vorne gehen"

Danach leitet die E-Akte-Software den Antrag an die zuständige Sachbearbeitung weiter, und Mitarbeiter Elias Meier bearbeitet diesen. Er greift auf digitale Vorlagen und rechtliche Informationen sowie auf Saras Stammdaten zu und leitet dann den bearbeiteten Antrag an seine Vorgesetzten weiter, um deren digitale Unterschriften zu erhalten.

Nach der Entscheidung wird der Bescheid an Sara Müller versendet und in der Verwaltung für eventuelle Folgeanträge gespeichert. Ein persönlicher Besuch im Rathaus ist nicht erforderlich, die Bearbeitungszeit soll sehr viel kürzer sein, und es werden keine Papierberge erzeugt.

Doch das ist noch Zukunftsmusik, weswegen Hinninger ankündigte: "Wir wollen bei der Digitalisierung in Wiesbaden entscheidende Schritte nach vorne gehen." Die Strategie werde von einem wertegeleiteten Digitalisierungsleitbild flankiert. Es handele sich um mehr als nur die Einführung einer neuen Technologie: "In dieser Transformation steckt auch ein kultureller Wandel", sagte die Bürgermeisterin und skizzierte das Ziel einer "bürgerfreundlichen und leistungsfähigen Verwaltung auf der Höhe der Zeit".

Relikt der Umlaufmappe soll verschwinden

Damit dies gelingt, hat Lehnhardt mit ihrem Team einen Fahrplan entworfen, der sieben zentrale Handlungsfelder identifiziert, mit deren Hilfe die digitale Transformation erreicht werden soll. So soll die Homepage der Stadt neu gestaltet und an die bundesweite Behördennummer 115 angebunden werden. Der Relaunch von www.wiesbaden.de ist für das erste Halbjahr 2025 geplant. Es sollen zudem bundesweite Standards genutzt werden – etwa, dass Daten nur einmal eingegeben werden müssen. Mit der Einführung der erwähnten E-Akte soll das Relikt der Umlaufmappe endgültig verschwinden und KI-Software einen hohen Automatisierungsgrad ermöglichen. Das europaweite Vergabeverfahren für die E-Akte soll noch in diesem Jahr abgeschlossen werden, die Realisierung ist sukzessive von 2025 an geplant.

In der Verwaltung sollen mit einer neuen SAP-Software Arbeitsabläufe verkürzt und automatisiert werden. So müssten etwa 24.000 Rechnungen nicht mehr gedruckt und zweifach unterschrieben werden, führte Lehnhardt aus. Die 6500 städtischen Mitarbeiter an den etwa 250 Standorten nutzen derzeit mehr als 300 verschiedene IT-Anwendungen. Damit diese Infrastruktur stabil und sicher bleibt, sind zahlreiche Projekte mit dem städtischen IT-Dienstleister Wivertis vorgesehen.

Neues Intranet soll Mitarbeiter online schulen

Zur Arbeit der Wiesbadener Verwaltung gehören rund 2500 unterschiedliche Prozesse, wie etwa der Antrag von Sara Müller. 25 Prozent dieser Prozesse stehen laut Lehnhardt zur Optimierung an, und auch das Intranet mit dem Namen WIntra wird verbessert. So soll das neue Intranet zum Beispiel Module enthalten, die Mitarbeiter online schulen, und diese Schulungen auch fristgerecht nachhalten. Bislang haben aber nicht einmal alle städtischen Mitarbeiter eine städtische E-Mail-Adresse, um Zugang zu WIntra zu erhalten.

Die veranschlagten Kosten in Höhe von 3,5 Millionen Euro werden sich nach Einschätzung von Hinninger und Lehnhardt in den nächsten Jahren amortisieren. Beide gehen unter anderem davon aus, dass die städtischen Büro- und Mietkosten um bis zu 20 Prozent gesenkt werden können. Dies soll mithilfe von "New Work" möglich werden.

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So könne etwa bei der gemeinsamen Nutzung von Arbeitsplätzen eine Sharing-Quote von 0,8 erreicht werden. Das heißt, zehn Mitarbeiter teilen sich acht Arbeitsplätze. Möglich ist dies durch Arbeiten im Homeoffice und Laptops, die an Dockingstationen angeschlossen werden, wenn die Mitarbeiter an ihren Arbeitsplatz kommen. Das Bürogebäude am Gustav-Stresemann-Ring 15 soll von 2025 an sukzessive zum Modellstandort für die neuen Arbeitswelten werden.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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