Ausstellung "Gewaltige Liebe": Die Ausstellung "Gewaltige Liebe" in Flörsheim beleuchtet die dunkle Realität häuslicher Gewalt.

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Ein interaktives Miniaturhaus zeigt, wie oft Gewalt hinter verschlossenen Türen stattfindet und wie wichtig Unterstützung für Betroffene ist.

Das Schlafzimmer ist schlicht eingerichtet, ein Holzstuhl auf rotem Parkettboden, ein Spiegel, das Bett mit einem rosafarbenen Laken bezogen. Das Fenster ist überklebt. Würde hier jemand gewalttätig werden, es würde niemand sehen.

Das Zimmer liegt im dritten Stock eines Mehrfamilienhauses in Flörsheim. Mit einer Höhe von rund einem Meter ist es zu klein, als dass es tatsächlich Mieter beherbergen könnte. Das Haus ist ein Miniaturmodell. Als Teil der Wanderausstellung "Gewaltige Liebe", die das Netzwerk gegen häusliche Gewalt im Landkreis aktuell betreut, steht es von Donnerstag an für eine Woche im Mehrgenerationentreff in Flörsheim – stellvertretend für alle Häuser, in denen Gewalt geschieht.

Dunkelziffer ist hoch

462 Fälle von häuslicher Gewalt gab es im vergangenen Jahr im Main-Taunus-Kreis. "Die Mutmaßung, dass wir noch viel mehr Fälle haben, sei erlaubt", sagt die Leitende Polizeidirektorin des Main-Taunus-Kreises, Carina Lerch. In die Polizeistatistik gehen nur Taten ein, die zur Anzeige gebracht werden – wie hoch die Dunkelziffer ist, kann nur geschätzt werden. Dass die Fallzahlen deshalb seit Jahren steigen, muss aus Lerchs Sicht nicht unbedingt heißen, dass die Gewalt zugenommen hat. Es könne auch ein Zeichen dafür sein, dass mehr Menschen häusliche Gewalt zur Anzeige bringen, die Versuche von Polizei und Beratungsstellen, auf Hilfsangebote aufmerksam zu machen, also wirken.

Diese Arbeit will das Netzwerk gegen häusliche Gewalt, dem auch der Beratungsverein "Frauen helfen Frauen" angehört, mit der Ausstellung fortsetzen. Außer dem interaktiven Modellhaus informieren Texte auf vier Sprachen zu den Ausprägungen und Wirkungen häuslicher Gewalt. Einblicke in Erfahrungen liefern eingesprochene Zitate von Opfern und Tätern, auch inszenierte Szenen von Befragungen werden gezeigt: "Ich bin ja kein Gewalttäter." – "Sie haben Ihre Frau geschlagen." – "Ja, aus Notwehr."

80 Prozent der Opfer häuslicher Gewalt im Kreis seien Frauen, sagt Lerch. Wobei auch diese Zahl nur bedingt für sich stehen könne, ergänzt Martina Weyand, die Gleichstellungsbeauftragte des Kreises. Werde häusliche Gewalt zur Anzeige gebracht, führe das auch immer wieder zu Gegenanzeigen, die das Geschlechterverhältnis verfälschen könnten.

Zur Beratung vom Gericht verpflichtet

Sicher ist jedoch, dass ein ganz überwiegender Teil der Opfer weiblich ist. Seit 2006 bietet der Main-Taunus-Kreis daher eine Männerberatungsstelle an, ein Hilfsangebot für Männer, die zu Tätern geworden sind. "Eifersüchtig bin ich überhaupt nicht, aber da könnte ich sie halb totschlagen", wird einer von ihnen in der Ausstellung zitiert. Manche Täter würden von ihren Partnerinnen dorthin geschickt. Viele jedoch würden durch gerichtliche Auflagen zur Beratung verpflichtet, sagt Weyand.

In keinem der vier Stockwerke des Musterhauses sind Bewohner zu sehen, jedes Zimmer erscheint steril, fast verwaist. Was wird aus der gemeinsamen Wohnung, wenn einer gewalttätig wird? Wer geht?

Insbesondere bei wiederkehrender Gewalt kümmern sich die Beratungsstellen darum, dass Frauen, die dazu bereit sind, vorübergehend in ein Frauenhaus ziehen können. Wird die Polizei jedoch rechtzeitig zu einem Übergriff gerufen, ist es oft der Täter, der die Wohnung unmittelbar verlassen muss. "Der, der schlägt, fliegt", sagt Lerch. Die Polizei könne eine sofort wirksame Wegweisungsverfügung aussprechen, die in der Regel für zwei Wochen gelte: "Das Opfer hat dann erst einmal Luft, zu atmen."

"Er hat immer geredet, er würde sie erschießen"

Im oberen Stockwerk schmücken bunte Figuren die Tapete, auf dem Schrank klebt ein Poster der "Ninja Turtles". "Er hat immer geredet, er würde sie erschießen. Und uns wird er stehlen", erinnert sich ein Kind, dessen Worte nachgesprochen wurden. In vielen Fällen hängt häusliche Gewalt gegen Frauen unmittelbar mit Kindeswohlgefährdungen zusammen, meint Weyand.

Gleichzeitig seien sie auch einer der Gründe, warum Frauen zögerten, den gewalttätigen Partner zu verlassen. Sie erzählt von einem Fall, bei der eine Betroffene lange nicht ins Frauenhaus ziehen wollte, weil sie ihre Hunde nicht zurücklassen wollte.

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Das Ziel der Beratungsstellen ist es, Betroffenen diese Ängste zu nehmen. Dafür muss der erste Kontakt jedoch erst einmal hergestellt werden. Das Netzwerk druckt seine Kontaktdaten auf Brötchentüten und Taschentuchpackungen, versucht, mit Flyern auf sich aufmerksam zu machen. Nicht zuletzt soll die Ausstellung auch diesem Zweck dienen: betroffenen Besuchern die Möglichkeit geben, direkt mit Beratern des Hilfenetzwerks zu sprechen – oder, fürs Erste, zumindest einen Flyer mit nach Hause zu nehmen.

Die Ausstellung "Gewaltige Liebe" ist vom 21. bis 28. November 2024 im Mehrgenerationentreff der Stadt Flörsheim Rathausplatz 6 zu sehen.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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