Dichter in Bad Homburg: Die Häuser, in denen der Dichter Friedrich Hölderlin in Bad Homburg im Taunus lebte, stehen nicht mehr.
Trotzdem erinnert die Stadt an einem besonderen Ort an Friedrich Hölderlin. Jetzt auch wieder mit einer Ausstellung.
Zweimal zwei Jahre hat Friedrich Hölderlin im Taunus gelebt, in Häusern, die schon lange abgerissen sind. Dafür finden sich in einem anderen Haus Hinweise auf den Dichter an etlichen Ecken und Enden. Das liegt vor allem an Bettina Gentzcke, deren Büro ebenfalls in dem Gebäude untergebracht ist. Nämlich in der Villa Wertheimber der Stadt Bad Homburg, deren Kulturamt Gentzcke seit 2019 leitet.
Die Juristin und frühere CDU-Kommunalpolitikerin hat die Corona-Zeit genutzt, um in der Villa im Gustavsgarten, einem Park am Stadtrand, einen eigenen Raum für Ausstellungen über Hölderlin einzurichten. Hölderlin-Kabinett heißt das Zimmer neben dem Vortragssaal im Erdgeschoss. Am Donnerstag ist dort wieder Vernissage. Diesmal geht es um Hölderlin und Prinzessin Auguste von Hessen-Homburg.
Schautafel mit dem Leben von Hölderlin
Am 28. November 1799, vor 225 Jahren, wurde die Tochter des Landgrafen Friedrich V. Ludwig 23 Jahre alt, und der Dichter schenkte ihr eine Ode. Wer darüber einen Vortrag des Aachener Germanisten Christian Metz hören will, sollte um 19 Uhr in den Stuhlreihen Platz genommen haben. Die Ausstellung selbst ist dann immer zu den Öffnungszeiten des Stadtarchivs und nach Vereinbarung zu sehen.
Bevor Gentzcke zu den anderen Hölderlin-Orten in der Villa führt, berichtet sie vor einer Schautafel in der schon fertigen Ausstellung von Hölderlins Leben. Die ziert auch eine Skulptur aus Kunststoff. Der kleine Hölderlin in leuchtendem Blau des Künstlers Ottmar Hörl sitzt auf einer Kante. Und es gibt eine Klimavitrine, in der wertvolle Schriften des Dichters liegen.
Vor allem redet Gentzcke von Hölderlins Aufenthalten in Bad Homburg. Beide seien mit einer "schicksalhaften Wendung" verbunden gewesen, sagt die Kulturamtschefin. Im Jahr 1798 zog der Dichter aus Frankfurt in den Taunus. In der Großstadt hatte er als Hauslehrer beim Bankier Jakob Gontard gearbeitet und ein Verhältnis mit dessen Frau Susette begonnen. Deren Züge verlieh er beim Schreiben auch der Diotima-Figur im Roman Hyperion.
Stadtarchivar holte die Hölderlin-Handschriften nach Bad Homburg
Als das heimliche Paar aufflog, nahm sich Hölderlin also zwei Zimmer zur Untermiete an der Bad Homburger Haingasse. Aber er lief einmal im Monat nach Frankfurt, um Susette zu treffen – auf dem heute so genannten Hölderlinweg. Bis 1800 beendete er den Hyperion. Das Vorhaben einer eigenen literarischen Zeitschrift nach dem Vorbild von Schillers Horen aber scheiterte, sodass der Autor sich wieder einen Broterwerb suchen musste.
Die Geliebten trennten sich, und Hölderlin wurde wieder Hauslehrer. Erst in der Schweiz, dann in Bordeaux. Gut möglich, dass er dort erfuhr, dass Susette schwer an Röteln erkrankt war. Jedenfalls ging er zurück nach Deutschland, auch diese Strecke zu Fuß. Er kam mit langem Haar und langen Nägeln an, wirkte verwirrt. 1802 starb Susette. 1804 bis 1806 lebte er wieder in Bad Homburg, wohnte anfangs abermals an der Haingasse, dann an der Dorotheenstraße.
Offiziell war er Bibliothekar, was ihm ein Gehalt sicherte. Aber eigentlich schrieb er. Seine eigene Krankheit, wohl eine schwere Depression, schritt fort, ein Arzt diagnostizierte Wahnsinn. In einer Klinik in Tübingen wurde Hölderlin im Wortsinn ans Bett gefesselt. 1807 entließen die Ärzte ihn als unheilbar. Er lebte noch 36 Jahre. Aber nicht mehr in Bad Homburg.
Dorthin aber holte der Stadtarchivar Johann Georg Hamel 1856 etliche Hölderlin-Handschriften, aus denen das Homburger Folioheft wurde. Als die Stadt das Hölderlin-Zentrum vor ein paar Jahren in der Villa Wertheimber aufbaute, gab es schon länger auch den Hölderlin-Preis. Der frühere Oberbürgermeister Wolfgang Assmann hatte ihn 1983 ins Leben gerufen. Auf einer Tafel gegenüber dem Kabinett hat Gentzcke aufschreiben lassen, welche bekannten Schriftsteller ihn schon bekommen haben. Dazu gehören Hilde Domin, Martin Walser, Daniel Kehlmann. Zuletzt ist Leif Randt damit ausgezeichnet worden.
Jetzt führt die Kulturamtsleiterin in den ersten Stock. Das Hölderlin-Kabinett sollte eigentlich dort unterkommen, in der Sattler-Bibliothek. Dort stehen die Faksimiles, die ein Forscher dieses Namens von Hölderlin-Handschriften angefertigt und mit Kommentaren versehen hat. Aber der Raum ist nicht barrierefrei zu erreichen.
Auch in der eigentlichen Bibliothek des Stadtarchivs in einem kleinen Saal nebenan findet sich ein Hinweis auf Hölderlin: Dort hängt ein Porträt des Stadtarchivars Hamel, mit dessen Nachfrage bei Hölderlins Schwester nach handschriftlichen Gedichten aus dem Nachlass das Bad Homburger Hölderlin-Nachleben überhaupt erst begonnen hat.
Im Obergeschoss der Villa liegt auch die Hölderlin-Wohnung der Stadt. Dort ist nach dem Brand eines Traditionsgasthauses in der Innenstadt im September das Gastronomenpaar untergekommen, dessen Wohnung ebenfalls den Flammen zum Opfer gefallen war. Wenn die beiden im Dezember ausziehen, werden wieder wechselnde Hölderlin-Forscher und Hölderlin-Preisträger in der Zweizimmerwohnung logieren, um nachzudenken und zu schreiben. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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